Gasleitungen (Foto: SWR)

Große Unterschiede zwischen Branchen

Was Unternehmen in Baden-Württemberg angesichts des drohenden Gasmangels tun

Stand

Der Gasfluss durch die Pipeline Nord Stream 1 ist bereits gedrosselt. Die Situation könnte sich noch verschlechtern. Darauf will die Wirtschaft in BW vorbereitet sein.

In der vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise bereitet sich die Wirtschaft in Baden-Württemberg intensiv auf einen möglichen Gasmangel vor. "Was das Energiesparen betrifft, drehen unsere Mitgliedsunternehmen derzeit jeden Stein um", sagte Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Stuttgart.

Wolfgang Grenke (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Marijan Murat/dpa)
Der Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), Wolfgang Grenke (Archivbild).

Nicht alle Betriebe können gleich viel Energie sparen

Die Einsparpotenziale seien in den Branchen unterschiedlich groß, sagte BWIHK-Chef Grenke. Er warnte vor "einfachen Rechenspielen" mit pauschalen Vorgaben.

"Würden diese verordnet oder Betriebe von der Gasversorgung gar abgeschnitten, drohen (....) bleibende Schäden bis hin zum Verlust von tausenden Arbeitsplätzen."

Ähnlich äußerte sich am Freitag Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg: "Angesichts der Absenkung der Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 drohen bei uns im Winter Versorgungsengpässe, die die Unternehmen und damit auch den Arbeitsmarkt hart treffen würden", sagte Dick. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befürchtet ähnliches.

Baden-Württemberg als Industriestandort besonders gefordert

In ganz Deutschland stellen sich Unternehmen darauf ein, dass Russland als Reaktion auf die westlichen Sanktionen wegen des Angriffs auf die Ukraine seine Gaslieferungen weiter drosselt. Für die Chemieindustrie, die Glasindustrie oder Walzwerke der Stahlindustrie ist Gas laut Einschätzungen von Fachleuten unverzichtbar. Baden-Württemberg ist nach Angaben des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums der größte Industriestandort in Deutschland. Die Landesregierung hatte am Montag einen Krisengipfel unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft einberufen.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat sich am Freitag im SWR Aktuell Sommerinterview für ein solches Treffen auf Bundesebene ausgesprochen.

Dabei könnte beispielsweise auch die Frage nach der Reihenfolge, in der Betriebe bei einem Gasmangel versorgt werden, geklärt werden. Schon einen Tag nach dem Treffen in Baden-Württemberg sprach Kretschmann davon, dass die Zuversicht bei dem Treffen verfrüht gewesen sei. Beim Treffen war der Politiker nämlich noch davon ausgegangen, dass durch die Pipeline Nord Stream 1 weiter 40 Prozent der Lieferkapazität fließt. Seit Mittwoch fließt allerdings nur noch 20 Prozent Gas täglich durch die Versorgungsleitung nach Deutschland.

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Unternehmen heizen weniger

Der Stuttgarter Autobauer Mercedes-Benz hatte bereits angekündigt, mit einem Notplan den Erdgasverbrauch in Deutschland noch im laufenden Jahr um bis zu 50 Prozent senken zu können. Der benachbarte Sportwagenbauer Porsche teilte auf Anfrage mit, man überprüfe laufend Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu vermindern. Der Hersteller entschied bereits, die Temperatur in Büros und in der Produktion um jeweils zwei Grad zu senken. Der Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) hat einem Sprecher zufolge bereits im vergangenen Winter die Heizungen heruntergefahren. Auf längere Sicht setze er unter anderem darauf, weitere Wärmepumpen zu installieren und ältere Bürogebäude zu renovieren.

Der Stuttgarter Autozulieferer Mahle arbeitet laut einem Sprecher seit Monaten daran, sich auf verschiedene Möglichkeiten einzustellen. "Entscheidend wird im Fall einer Gasverknappung jedoch sein, wie in den jeweiligen Ländern die Zuteilung von Gas geregelt wird - das ist heute noch nicht absehbar", heißt es. Mahle wolle den Energiebedarf an allen Standorten deutlich senken und verstärkt auf regenerative Energieträger umsteigen.

Dachverband kritisiert Bürokratie bei Umstellungen

BWIHK-Chef Grenke berichtete von vielen Rückmeldungen von Unternehmen an seinen Verband. Er kritisierte komplizierte Verfahren im Bereich der erneuerbaren Energien. Auch ein Umstellen auf Öl und Kohle müsse in der Krise schneller gehen: "Es kann nicht sein, dass hier Genehmigungsverfahren länger dauern als die Umrüstung oder der Aufbau selbst", sagte Grenke.

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