Manfred Sauter gilt als "Urgestein" in Friedrichshafen; viele nennen ihn auch "Mr. Zeppelin". Wie kein anderer hat er die Geschichte der Luftschiffe erforscht, stand jahrelang an der Spitze des "Freundeskreises Zeppelinmuseum" und gilt als fachkundiger redseliger Gesprächspartner, wenn es um die Geschichte der Luftschiffe geht.
Doch nun, beim Anblick der Kriegsbilder aus der Ukraine, wird er wortkarg, die Augen füllen sich mit Tränen. "Das ist furchtbar, so furchtbar," sagt er. Und:
"Das erinnert mich an die Kriegszeiten bei uns. Die habe ich als junger Bub selbst miterlebt."
Zeppelinstadt war wichtig für Kriegsindustrie der Nazis
Friedrichshafen, im April 1944: Manfred Sauter war gerade acht Jahre alt, als die Bomben kamen. Am 28. April 1944 attackierten alliierte Kampfflugzeuge die Zeppelinstadt, warfen insgesamt 185.000 Brandbomben, 580 Sprengbomben und 170 Luftminen ab. Der Grund: In Friedrichshafen waren Unternehmen wie Dornier, Luftschiffbau, Maybach und die Zahnradfabrik angesiedelt. Sie stellten Panzer, Flugzeuge und Raketenanteile für die Kriegsmaschinerie der Nazis her.
"Wir waren im Luftschutzkeller unter unserem Wohnhaus," erinnert sich Manfred Sauter an die Schrecken jener Nacht - so, als ob es gestern gewesen wäre. "Wir haben gezittert. Man konnte kaum atmen. Unser Vater hatte uns mit Wasser getränkte Tücher gegeben, durch die wir Schnaufen konnten. Die Gasmasken haben nichts getaugt. Und ich habe richtig Angst gehabt. Wir haben gebetet."
Friedrichshafen bietet ein Bild des Schreckens nach Bombardierung
Ein Glück: In dieser Nacht des Schreckens kommen der achtjährige Manfred, seine Schwester und seine Eltern ohne große Verletzungen davon. Doch als sie den Luftschutzkeller verlassen, bietet sich ihnen ein Bild des Schreckens: Tote Haustiere auf der Kellertreppe, zerstörte Gebäude in der Nachbarschaft, überall der Geruch von Verbranntem. Seine Eltern bringen ihn wenig später zu Verwandten ins weniger gefährdete Aulendorf, später dann in die Nähe von Altshausen. Denn das Bombardement auf Friedrichshafen sollte weitergehen: Am 20. Juli wird das Wohnhaus, in dem die Sauters leben, dem Erdboden gleichgemacht.
"Im Luftschutzkeller hielten sich sieben Personen auf. Und von denen kamen vier ums Leben."
Zwei Tage lang hört der achtjährige Manfred nichts mehr von seinen Eltern, muss das Schlimmste befürchten. Dann der erlösende Anruf: Mutter und Vater haben überlebt, liegen mit schweren Verletzungen im Ravensburger Krankenhaus. Ein Jahr und einen Monat später: Kriegsende. Hier der tägliche Überlebenskampf, da der Wiederaufbau. Und die Erinnerungen an die Bombennacht? "Ehrlich: Ich habe das ziemlich stark verdrängt," sagt Sauter.
Doch nun sind genau jene Erinnerungen an die schrecklichen Stunden im Luftschutzkeller wieder präsent. Sauter schaut entsetzt auf die Bilder aus der Ukraine: Zerstörte Wohnblocks, Menschen auf der Flucht, weinende Kinder. "Wenn man diese Bilder sieht, erinnert man sich wieder daran, was man selbst erlebt hat," sagt der heute 86-Jährige stockend. Und: "Wer so etwas schon mal mitgemacht, kann mitfühlen, was die Menschen dort heute durchmachen müssen. Es ist schlimm, wirklich sehr schlimm. Die Leute tun mir so leid."
Manfred Sauter blickt nachdenklich auf alte Schwarz-Weiß-Fotos, die die Zerstörungen nach der Bombennacht in Friedrichshafen zeigen. Und er blickt auf die aktuellen Bilder aus der Ukraine. "Wie kann man so einen Blödsinn anzetteln?" Und ergänzt: "Das muss aufhören, irgendwie."