Schreier tritt nicht zur Wiederwahl an

Tengener Bürgermeister Schreier sucht neue Herausforderungen

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Marian Schreier (SPD) ist Deutschlands jüngster Bürgermeister gewesen. Zur Wiederwahl in Tengen (Kreis Konstanz) möchte er nicht mehr antreten. Über sein Motiv sprach er im SWR.

SWR Aktuell: Herr Schreier, Sie sind 2015 mit 25 Jahren und über 70 Prozent der Stimmen zum damals jüngsten Bürgermeister in Baden-Württemberg gewählt worden und schmeißen jetzt das Handtuch. Warum denn - sind Sie schon amtsmüde? 

Marian Schreier: Nein, ganz im Gegenteil. Ich schmeiße auch nicht das Handtuch. Das Bürgermeisteramt macht mir große Freude. Ich bin 2015 angetreten mit dem Ziel, die Handlungsfähigkeit der Stadt Tengen zu sichern und zu erweitern. Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam vieles auf den Weg gebracht. Wir haben das erste genossenschaftlich organisierte Ärztehaus Süddeutschlands gebaut. Wir haben den ersten Windpark im Landkreis Konstanz in Betrieb genommen. Die Stadtverwaltung ist digitalisiert. Es gibt digitale Beteiligungsmöglichkeiten, und auch die finanzielle Souveränität der Stadt ist wiederhergestellt. Das heißt, die Ziele, für die ich angetreten bin, die sind umgesetzt, und deswegen ist es für mich jetzt an der Zeit, neue Herausforderungen in den Blick zu nehmen. 

SWR Aktuell: Ja, aber es gibt doch bestimmt noch andere Ziele in Tengen, die man verfolgen müsste? 

Marian Schreier: Selbstverständlich ist eine Stadt nie fertig. Die Stadtentwicklung ist ein dauernder Prozess. Aber ich bin für Ziele angetreten, und die sind umgesetzt. Und man wird auch für Ziele gewählt, und deswegen ist es für mich jetzt an der Zeit, mich neuen Herausforderungen zu stellen, und darauf freue ich mich auch. 

SWR Aktuell: Im vergangenen Jahr haben Sie sich schon größeren Herausforderungen gestellt. Sie haben auch überregional für Aufsehen gesorgt, als Sie für das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart kandidiert haben. Damals gab es großen Ärger mit Ihrer Partei SPD, die ein anderes SPD-Mitglied antreten ließ. Sie haben aber in Stuttgart knapp 37 Prozent der Stimmen bekommen - ein großer Achtungserfolg. Inwieweit hat dieser Ausflug Richtung Stuttgart Sie beflügelt? Haben Sie jetzt einfach Größeres vor? 

Marian Schreier: Ich habe am Donnerstag bekanntgegeben, dass ich mich nicht erneut zur Wahl stellen werde in Tengen. Diese Entscheidung ist erstmal unabhängig von dem, was jetzt als Nächstes kommt. Ich werde jetzt ganz in Ruhe unterschiedliche Optionen prüfen und dann eine Entscheidung fällen, was als Nächstes kommt und selbstverständlich dann gerne auch informieren. Für mich ist klar, dass es mich weiter reizt, an gesellschaftlichen, politischen Herausforderungen zu arbeiten, da mitzuwirken, diese zu lösen. Beispielsweise im Bereich der digitalen Transformation, aber auch: Wie sehen die Städte der Zukunft aus? Wie können wir den öffentlichen Sektor reformieren? Natürlich die Frage des Klimawandels, die ein großes Thema für uns als gesamte Gesellschaft ist. 

SWR Aktuell: Das heißt, Sie sind nach wie vor Politiker mit Leib und Seele, und die SPD ist ja gerade im Aufwind, streben Sie einfach so ein bisschen ein höheres Amt an? Richtung Bundeskanzler Scholz, sag ich mal. 

Marian Schreier: Ich habe die Entscheidung unabhängig von zukünftigen Plänen getroffen. Ich werde jetzt ganz in Ruhe unterschiedliche Optionen prüfen und dann eine Entscheidung treffen. Mich reizt es, an politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen zu arbeiten, und was dann kommt, das wird man sehen. 

SWR Aktuell: Keine Ruhe haben wohl die Tengener. Sie haben ja einen großen Zuspruch über alle Parteigrenzen hinweg erfahren. Die Tengener werden enttäuscht sein: Da wählen sie einen sehr jungen Bürgermeister und dann geht der nach der ersten Amtszeit schon. Was glauben Sie, die werden schon enttäuscht sein? 

Marian Schreier: Also im Gemeinderat gab es viel Verständnis für die Bekanntgabe und die Entscheidung. Natürlich ist auch geäußert worden, dass man es schade findet. Aber wir haben gemeinsam viel erreicht, also Gemeinderat, Verwaltung und vor allem die Bürgerschaft. Wir haben die Handlungsfähigkeit der Stadt wiederhergestellt. Wir sind neue Wege gegangen bei der Frage, wie können wir die ärztliche Versorgung sichern? Aber ich denke auch an Schloss Blumenfeld, da sind wir gerade dabei, das wiederzubeleben - mit dem "Summer of Pioneers", den wir letztes Jahr durchgeführt haben. Und insofern ist für mich klar, dass ich der Stadt Tengen immer verbunden bleiben werde. Das Bürgermeisteramt ist nicht einfach ein Job oder eine Station im Lebenslauf, sondern man bleibt der Stadt natürlich immer verbunden, und ich kehre auch gerne in den Hegau und nach Tengen zurück. 

SWR Aktuell: So ein bisschen leid tut es Ihnen auch. 

Marian Schreier: Die Entscheidung ist nicht einfach gewesen. Das ist nichts, was man irgendwie kurzfristig ad hoc entscheidet, und deswegen selbstverständlich ist da auch Wehmut mit dabei. Ich bin sehr gerne Bürgermeister der Stadt Tengen gewesen. Ich bin es auch aktuell noch gerne und habe an den Aufgaben hier gearbeitet. Vor allen Dingen, weil wir ein sehr gutes vertrauensvolles Verhältnis innerhalb der Verwaltung und des Gemeinderates mit den Bürgerinnen und Bürgern haben, konnte man sehr vieles hier auf den Weg bringen. Kommunalpolitik ist am Ende des Tages immer eine Gemeinschaftsaufgabe und das hat man, glaube ich, in Tengen gesehen. Deswegen hängt das auch nicht an einer einzelnen Person und bin mir sicher, dass man den eingeschlagenen Weg sehr gut auch wird fortführen können. 

SWR Aktuell: Aber es war nicht so, dass Sie 2015 angetreten sind und innerlich gedacht haben, ich bleibe nur acht Jahre? 

Marian Schreier: Das sind so lange Zeiträume, dass ich mich mit dieser Fragestellung da gar nicht beschäftigt habe. Als ich kandidiert habe, war ich 25 Jahre alt. Und wenn Sie da acht Jahre davor rechnen, war ich noch in der Schule und hätte mir nie vorstellen können, acht Jahre später Bürgermeister zu werden. Und genau so lässt sich das natürlich dann schwer planen. Das sind so lange Zeiträume, dass dieser Gedanke mich damals jedenfalls noch nicht beschäftigt hat. 

SWR Aktuell: Und dann wären Sie ja fast Bürgermeister Oberbürgermeister in Stuttgart geworden. Ich glaube, wir werden noch von Ihnen hören, Marian Schreier. 

Marian Schreier: Das wird die Zeit zeigen, ich bleibe auf jeden Fall weiter politisch interessiert und will mich einbringen bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen und freue mich auf das, was jetzt kommt. 

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