80 Jahre ist es her

So erlebte Manfred Sauter aus Friedrichshafen das Ende des Zweiten Weltkriegs

Stand

Von Autor/in Martin Hattenberger

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war Manfred Sauter mit seiner Familie in Altshausen. Zuvor wurde seine Familie in Friedrichshafen ausgebombt.

Vor 80 Jahren endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg auch in der Region Bodensee-Oberschwaben offiziell. Manfred Sauter erlebte das Ende des Kriegs damals als neunjähriger Junge in Altshausen (Kreis Ravensburg).

Bei Kriegsbeginn erst vier Jahre alt

Manfred Sauter ist am 25.7.1935 im Karl-Olga-Krankenhaus in Friedrichshafen zur Welt gekommen. Er wuchs als Kind eines Obermeisters bei der Luftschiffbau Zeppelin GmbH mit zwei Schwestern in behüteten Verhältnissen auf. Die Familie lebte in Friedrichshafen in der Keplerstraße. "Die ersten Erinnerungen, die ich vom Krieg habe, waren die Luftangriffe", sagte Manfred Sauter dem SWR. "Wenn Fliegeralarm war, kam erst eine Vorwarnung und dann musste man heimrennen", so der 89-Jährige.

Manfred Sauter aus Friedrichshafen als kleiner Junge mit seiner Familie.
Manfred Sauter aus Friedrichshafen als kleiner Junge mit seiner Familie.

Glück für den Vater - er war unabdingbar

Der Vater arbeitete für die Firma Zeppelin und musste deshalb nicht in den Krieg. 1.200 Menschen haben in Friedrichshafen gearbeitet, in einem Ausbesserungswerk. Sauters Vater war als Obermeister unter anderem zuständig für den Werksunterhalt für Gebäude, Wasser und Gas. Im selben Haus wohnte Sauters Patenonkel. "Mein Götte hatte drei Söhne im Krieg und an einer Landkarte im Wohnzimmer hat der immer Frontverläufe abgesteckt und wo die Truppen gerade waren. Ein andersfarbiger Pin war immer für seine Söhne", erinnert sich Sauter.

Mit der Politik der Nazis hatten seine Eltern aber nichts am Hut, so seine Erinnerung an die Zeit vor über 80 Jahren: "Mein Vater war zwar in der Partei, aber er hat mir erzählt, dass er eingetreten ist, weil er für sein Motorboot sonst kein Benzin bekommen hätte." Aber mit einer Hakenkreuzbinde habe er ihn nie gesehen.

So erlebte Manfred Sauter den Krieg als Kind:

Er erinnert sich, wie er als Junge im Radio immer nur Erfolgsmeldungen gehört hatte. "Da kam immer, wie viel Bruttoregistertonnen man wieder im Meer versenkt hatte und was wieder erobert worden ist. Wenn's danach gegangen wäre, hätten wir eigentlich den Krieg gewinnen müssen." Dabei habe es zu der Zeit schon einen Mangel an Lebensmittel und Kleidung gegeben.

Manfred Sauter erzählt im Interview mit dem SWR von den Bombenangriffen auf das Haus der Familie:

Das Haus der Familie in Friedrichshafen wird getroffen

Am 28. April 1944 wird der Krieg für die Familie plötzlich sehr real. Das Haus wird von einem Bombenangriff getroffen und schwer beschädigt. "Das waren heftige Angriffe", erinnert sich Sauter, der mit seinen Eltern im Keller war. "Da hat es auf der Bühne gebrannt und ein langes Haus nebenan hat Feuer gefangen und es hat sich wie ein Sturm angehört, so hat das Feuer gewütet. Unsere Vorhänge haben auch Feuer gefangen. Die Haustüre von unserem Haus lag von der Druckwelle auf der Kellertreppe."

Der Vater brachte die Familie daraufhin zuerst nach Aulendorf und später nach Litzelbach bei Altshausen. Dort waren die Kinder in Sicherheit, Vater und Mutter kehren nach Friedrichshafen zurück.

Friedrichshafen wurde durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg teils schwer getroffen.
Friedrichshafen wurde durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg teils schwer getroffen.

Das Haus wird dem Erdboden gleichgemacht

Nur wenige Monate später, am 20. Juli, wird das Haus erneut getroffen. Dieses Mal von einem Volltreffer. Vier Menschen kommen bei dem Angriff ums Leben. Darunter auch eine Tante und ein Cousin von Manfred Sauter. Die Eltern und der Patenonkel kommen verletzt ins Krankenhaus nach Ravensburg. Für den damals Neunjährigen eine schlimme Erinnerung:

Das Schlimmste war für mich, dass ich in Aulendorf war und zwei Tage lang nicht wusste, wo die Eltern waren.

Vom Haus selbst blieb nur ein Schutthaufen übrig. "Das glaubt man kaum: Von so einem Sechsparteien-Haus blieb ein Schutthaufen, der nur rund 1,5 Meter hoch war, übrig. Das war schlimm", erinnert sich Sauter.

Familie kommt in Litzelbach unter

In einer alten Ziegelei in Litzelbach kommen die Ausgebombten unter. Der Vater arbeitet dort weiter für die Luftschiff Zeppelin GmbH, die dort Teile für die V-2 Rakete baut, Hitlers angebliche Wunderwaffe. Die Familie Rimmele, der die Fabrik gehört, nimmt die Sauters offen auf. "Das waren so gute Menschen", so Manfred Sauter. Die haben auch Landwirtschaft gehabt und da haben wir mitgearbeitet und auch zu Essen bekommen."

Franzosen kommen als Sieger

Das Kriegsende erlebt Manfred Sauter dann auch in dem kleinen Ort: "Am 22. April kamen zuerst Häftlinge aus Konzentrationslagern von irgendwo auf der Alb oder aus dem Schwarzwald. Da waren SS-Leute dabei als Bewachung. Das war ein trauriger Anblick." Als dann die Meldung kam, dass die Franzosen näher kommen, machten sich die Bewacher aus dem Staub und die KZ-Häftlinge kamen frei. "Zu uns kamen auch welche und haben wissen wollen, wie man in die Schweiz kommt. Mein Vater hat ihnen den Weg erklärt. Von Rimmeles haben sie Kleider bekommen", so Sauter.

Dann kamen die Franzosen mit Panzerspähwagen und Jeeps. "Bei uns ist nichts passiert. Es gab keinen Widerstand. Aber von Altshausen her hat man Schüsse gehört. Da gab es auch einige Tote", so Sauter. Der Krieg war zu Ende.

Soweit ich mich erinnern kann, war alles gottfroh, dass der Krieg vorbei war.

So erlebte Manfred Sauter das Kriegsende in Altshausen:

In den Wirren der letzten Kriegstage kommt es noch zu vereinzelten Vorfällen, erinnert sich Sauter. "In Altshausen gab es am 1. Mai vier Tote. Das ist bis heute nicht geklärt, wer diese Menschen umgebracht hat. Weil das Kriegsende erst am 8. Mai war, gilt das bis heute als Kriegshandlung", so Sauter.

In Litzelbach ging alles an uns vorbei. Da hab ich Glück gehabt.

Nach dem Krieg Karriere gemacht

Für Manfred Sauter ging nach Kriegsende der Alltag wieder los. "Irgendwann mussten wir dann wieder in die Schule", erinnert er sich. Später hat er eine Lehre bei der Bahn gemacht. War danach für verschiedene Positionen in Esslingen und Bad Saulgau. 1957 ging er zu Zeppelin und machte Karriere. Bis zum Prokuristen stieg Manfred Sauter auf.

Seit den 1970er-Jahren lebt er im Zeppelindorf in Friedrichshafen. Dort sind seine beiden Kinder aufgewachsen. Und er hat sich sozial engagiert: war jahrzehntelang Vorsitzender des Fördervereins Freundeskreis des Zeppelinmuseums. Für dieses Engagement hat er später die Staufermedaille des Landes Baden-Württembergs erhalten und wird respektvoll "Mr. Zeppelin" genannt.

Auf sein Leben blickt der fast 90-Jährige positiv zurück, trotz der Kriegsjahre in seiner frühen Kindheit: "Ich bin mehr als zufrieden. Man muss ein bisschen was tun, aber ein bisschen Glück braucht man auch."

Weitere Zeitzeugenberichte aus der Region Bodensee-Oberschwaben folgen in den kommenden Tagen.

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