Der Schriftsteller Martin Walser ist am Mittwoch (26. Juli 2023) im Alter von 96 Jahren gestorben. Er gilt als einer der wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegszeit. Die einen nennen ihn den Chronisten der Bundesrepublik, andere den Romantiker vom Bodensee.
Was der Bodensee ihm bedeutet, das ist Martin Walser immer wieder gefragt worden. Seine Antwort lautete:
Mit 96 Jahren am Bodensee gestorben "Schriftsteller von Weltrang": Trauer um Martin Walser
Zahlreiche Politiker haben den verstorbenen Schriftsteller Martin Walser gewürdigt. Der streitbare und bekannte Autor ist gestern in seiner Heimat am Bodensee mit 96 Jahren gestorben.
Bereits gut 30 Jahre zuvor, in seinem Büchlein "Heimatlob", schwärmte Walser vom silbrig glänzenden See bei Föhnwind, von Goschewellen, die den Schwimmenden in die Gosch schwappen, von Möven und Schwänen, Heiligen und Hügeln. Und von Uferwiesen voller blühender Obstbäume. In seinem ersten großen Erfolg, der Novelle "Ein fliehendes Pferd" von 1978, machen zwei Paare Urlaub am Bodensee und geraten beim Segeln in einen Sturm. Das Werk wurde 2007 neu verfilmt.
Walsers Spitzname in der Schule: "Griesemus"
Martin Walser ist am 24. März 1927 in Wasserburg (Kreis Lindau) geboren und am Bodensee und zwischen Obstbäumen aufgewachsen. Sein Lindauer Schulkamerad Karl Bachmann erinnerte sich einst:
In Walsers Geburtshaus, der einstigen Wasserburger Bahnhofsrestauration (Kreis Lindau) mit Speisesaal und Kohlenhandlung, ist heute eine Ballettschule. Eine Gedenktafel an der rosa Hauswand erinnert an den Ehrenbürger.
Im Dorfmuseum, dem Museum im Malhaus, ist Walser eine kleine Dauerausstellung gewidmet, mit alten Schulfotos und seiner Schreibmaschine. Aus seinen Werken gelesen hat Martin Walser in Wasserburg allerdings selten. Zu viele da, die seine Bücher nicht lesen, sagte er einmal. Gefeiert wurde er trotzdem.
Erst Friedrichshafen, dann Überlingen-Nußdorf
In Wasserburg hat Martin Walser Kindheit und Jugend verbracht, hier lernte er auch seine spätere Frau Käthe kennen. Mit ihr zog er erst nach Friedrichshafen und dann, 1967, nach Nußdorf bei Überlingen. Dort feierten sie 2020, nach 70 Jahren Ehe, die Gnadenhochzeit. Seit der Corona-Pandemie lebte der betagte Autor, der vier Töchter, einen Sohn und mehrere Enkel hat, sehr zurückgezogen, aber auch zuvor hat er sich nicht gern als Berühmtheit feiern lassen und ironisch angemerkt:
Von Nußdorf aus beobachtete und beeinflusste Martin Walser die literarische Szene am Bodensee, vom Garten seines Einfamilienhäuschens aus stieg er bis ins hohe Alter täglich in den Bodensee. Sobald der 18 Grad hatte, erklärte er gern.
Das Schwimmen im Bodensee entspanne ihn vom Schreiben mit der Hand. Hoch oben unter dem Dach tat Walser das, in seinem Arbeitszimmer voller Bücher und mit Blick auf den See. Nicht lieb war ihm, dass er in Überlingen weithin sichtbar als Brunnenfigur auf dem zentralen Landungsplatz verewigt ist. Der Bildhauer Peter Lenk aus Bodman, nur wenige Kilometer von Überlingen entfernt, hatte Walser als feisten Alten auf einem Esel gestaltet, in satirischer Anlehnung an Gustav Schwabs Ballade "Der Reiter und der Bodensee".
Sein letztes Buch veröffentlichte Martin Walser im Frühjahr 2022, mit 95. Es enthält Träume aus 25 Jahren. Dafür ließ er sich eigens von Nußdorf nach Stuttgart fahren, um es vorzustellen, und witzelte:
Jetzt wird Martin Walser wohl von Nußdorf nach Wasserburg zurückkehren. Das hatte er unlängst in einem Interview erklärt. Denn zu Füßen der Kirche St. Georg auf der Wasserburger Halbinsel, direkt oberhalb des Bodensees, liegt das Walsersche Familiengrab. Hier ruhen auch Martin Walsers Eltern und sein im Krieg gefallener Bruder, unter feuerroten Eisbegonien.
Stationen seines Lebens am Bodensee besuchte Martin Walser noch einmal anlässlich seines 90. Geburtstags im März 2017 für die SWR-Doku "Mein Diesseits". Darin begleitete Denis Scheck den Autor und plauderte mit ihm über sein Leben und die Region:
Nun ist Walser im Alter von 96 Jahren gestorben.