Mehr als 52.000 Segel- und Motorboote sind derzeit für den Bodensee zugelassen. Doch in den Häfen und am Ufer sind nur gut halb so viele Liegeplätze vorhanden, 29.400. Fehlen also tatsächlich fast 23.000 Bootsliegeplätze am See? Nicht ganz. Denn einige am Bodensee zugelassene Wasserfahrzeuge sind vorübergehend beispielsweise im Mittelmeer oder an der Ostsee. Viele stehen aber auch auf Bootsanhängern weit vom Bodensee entfernt. Der Grund? Die Wartelisten für Liegeplätze sind lang. Manch Bootseigner wartet mehrere Jahrzehnte auf einen Platz.
Alexander Miller sucht seit eineinhalb Jahren nach einem Platz für sein kleines Motorboot. Er habe mittlerweile so ziemlich alle Häfen am deutschen Bodensee angeschrieben - ohne Erfolg. Gegenüber dem SWR erzählt er, sein Vater habe früher ein Boot in Sipplingen liegen gehabt, da sei er oft mitgefahren. Jetzt träumt der 49-Jährige aus Hayingen auf der Schwäbisch Alb davon, sein Boot, einen spontanen Gelegenheitskauf, mehrere Wochen im Jahr auf dem See nutzen zu können.
So schön das Hobby ist - es macht keinen Spaß, wenn du nur auf der Suche nach einem Liegeplatz bist.
12.000 Euro zahlen oder 42 Jahre warten auf einen Liegeplatz für ein Boot
Auf eine Suchanzeige im Internet hat Miller einen Trockenliegeplatz an Land in Kressbronn (Bodenseekreis) angeboten bekommen - für 12.000 Euro pro Saison. Ein Platz im privaten Hafen von Kirchberg (Bodenseekreis) wäre für 3.600 Euro zu haben gewesen. Zum Vergleich: Im Sipplinger Osthafen wären es für Millers Boot knapp 580 Euro. Doch auf der Warteliste stehen etwa 230 Interessenten, einer bereits seit 42 Jahren. Das bestätigte die Gemeindeverwaltung Sipplingen. Aber warum ist die Nachfrage nach Liegeplätzen am Bodensee so viel größer als das Angebot, und das unverändert?
Zuständig für die Anzahl der Liegeplätze am Bodensee sind die Anrainerländer. Sie haben sich in den Bodensee-Richtlinien bereits 1967 darauf verständigt, die Belastungen des Bodensees durch die Schifffahrt zu verringern und die Anzahl der Boote und Liegeplätze zu begrenzen.
Diese Liegeplatzstatistik führt die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB):

Wegen der Begrenzung der Liegeplätze am Bodensee dürfen Hafenanlagen nicht erweitert und die Zahl der Bootsplätze darf nicht aufgestockt werden. Neue Wasserliegeplätze können nur dann geschaffen werden, wenn im gleichen Umfang bestehende, zum Beispiel Bojenliegeplätze, aufgehoben werden. Für die Vergabe der begehrten Plätze ist jeder Hafenbetreiber verantwortlich und legt die Regeln dafür fest.
Tausende Interessenten auf den Wartelisten für Liegeplätze am Bodensee
Wer einen der rund 350 Bootsplätze in den Häfen der Weißen Flotte in Konstanz, Friedrichshafen, Meersburg, Lindau, Ludwigshafen oder an der Landestelle-West in Überlingen haben will, muss mindestens 15 Jahre warten. Die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) haben die Warteliste dauerhaft geschlossen, weil selten Plätze frei werden. Nur etwa sieben Liegeplätze pro Jahr werden aus Altersgründen abgegeben, heißt es auf SWR-Anfrage. In Uhldingen-Mühlhofen dauert es im Schnitt 25 Jahre, bis ein Interessent einen Platz für sein Boot bekommt. Auf die Warteliste kommen nur noch Ortsansässige. Die Gemeinde Sipplingen führt direkt separate Wartelisten für Einheimische und Auswärtige. Wer im Ort wohnt, braucht drei bist acht Jahre Geduld. Drei Viertel der Boote in den beiden Häfen sind Motorboote.
Beim Yacht-Club Radolfzell dauert es derzeit acht bis zehn Jahre, bis ein Vereinsmitglied einen Platz im Hafen erhält. Zugelassen werden grundsätzlich nur Segelboote. Auf der Warteliste stehen mehr als 100 Bewerberinnen und Bewerber, teilte der Verein auf Anfrage mit. Und nur gut eine Handvoll Plätze werden jedes Jahr frei. Deutlich schneller geht es im Yacht Club Langenargen (Bodenseekreis). Dort erhalten Vereinsmitglieder frühestens nach drei Jahren einen der 200 Liegeplätze. Dann aber ist es für schmale Boote "sehr wahrscheinlich", so der Verein.
1.840 Bootseigner stehen auf der Warteliste für einen der 591 Liegeplätze in Überlingen (Bodenseekreis). Die weitaus meisten von ihnen wollen ihr Boot im Sportboothafen Ost unterbringen, teilte die Stadt mit. Im vergangenen Jahr wurden jedoch nur elf Liegeplätze neu vergeben. Rein rechnerisch könnte es also 167 Jahre dauern, bis alle von der Warteliste zum Zuge kommen. In der Konstanzer Nachbarstadt Kreuzlingen warten etwa 300 Einheimische auf einen Platz für ein Boot, das wird für jeden Bewerber zehn Jahre dauern. Auswärtige müssen doppelt so lange Geduld haben, heißt es auf SWR-Anfrage. Auch hier werden pro Jahr nur wenige Hafenplätze frei.
In der größten Marina am Bodensee, dem Yachthafen "Ultramarin" in Kressbronn-Gohren, werden Liegeplätze meist nur mit dem Kauf eines Bootes vergeben. Sie können aber auch innerhalb der Familie weitergegeben werden.

Liegeplatz am Bodensee - unerschwinglich? Nicht immer!
Was kostet ein Liegeplatz am Bodensee? Das ist eine Frage, die sich schwer beantworten lässt. Denn jeder Verein, jede Gemeinde und jeder Hafeneigner macht seine Preise anders. Klar ist: Spazierengehen ist ein preisgüngstigeres Hobby. Klar ist auch: Je größer das Boot, desto teurer der Liegeplatz. Für sein kleines Motorboot müsste Alexander Miller beispielsweise in Radolfzell rund 640 Euro zahlen. In Kreuzlingen wären es umgerechnet etwa 930 Euro pro Jahr, im Überlinger Sportboothafen Ost rund 1.550 Euro.
So viele registrierte Boote und Liegeplätze gibt es am Bodensee (*)
(*) Die Zahlen vom baden-württembergischen Bodensee sind vom 1.1.2025, die Zahlen aus Lindau, Vorarlberg und den Schweizer Kantonen stammen von 2023. Laut Regierungspräsidium Tübingen, das die Zahlen erhebt, sind die Veränderungen seitdem aber sehr gering.
Zu den registrierten Wasserfahrzeugen zählen nicht nur Segel- und Motorboote, sondern auch Fahrgast- und Lastschiffe, Berufsfischerboote sowie Schlauch-, Paddel- und Ruderboote, die länger als 2,50 Meter sind.
Was können Bootsbesitzer ohne festen Liegeplatz tun?
Wer keinen Liegeplatz für die ganze Saison oder gar dauerhaft hat, kann mit seinem Segel- oder Motorboot auf Gästeplätze ausweichen. Es gibt sie in den meisten Häfen am Bodensee. Allerdings ist die Belegung vor allem in der Ferienzeit auf wenige Nächte begrenzt. Und als Dauerlösung sind Gästeplätze teuer: Sie kosten je nach Hafen, Schiffsgröße und Besatzung zwischen 9 und 30 Euro pro Nacht.

Alexander Miller aus Hayingen will den Traum von einem Liegeplatz für sein kleines Motorboot nicht so schnell aufgeben. Für diesen Sommer hat der 49-Jährige mit seiner Familie zwei Wochen in einer Ferienwohnung bei Schloss Helmsdorf (Bodenseekreis) gebucht, in dieser Zeit kann er dort einen Bootsliegeplatz nutzen. Ansonsten hofft er auf gelegentlich freie Gästeplätze und steht auf der Warteliste für einen Platz im BMK-Hafen von Langenargen. Wartezeit etwa zehn Jahre, sagt er.
2023 hat SWR-Reporterin Annette Krause in "Expedition in die Heimat" getestet, was der Bodensee in Sachen Urlaub auf dem Wasser bietet:
Mangelware Liegeplätze ärgert auch Liegeplatzinhaber
Tatsächlich wirkt sich der Mangel an Liegeplätzen in den Häfen am Bodensee auch auf diejenigen aus, die einen Liegeplatz haben. Denn Bootseigner, die in einem fremden Hafen festmachen und übernachten wollen, haben vor allem in Ferienzeiten und am Wochenende Probleme. Schließlich drängen auf die wenigen Gästeplätze auch die Boote, die nur vorübergehend im Wasser sind und keinen festen Liegeplatz haben. Liegeplatzinhaber können über Apps wie beispielsweise "Boatpark" oder "Pompomela" ihren eigenen Platz zur Verfügung stellen und im Gegenzug bevorzugt einen Platz in einem fremden Hafen reservieren. "Pompomela" wird eigenen Angaben zufolge in 20 Häfen am Bodensee eingesetzt, knapp 20 Prozent der Wasserliegeplätze seien über die App registriert. "Boatpark" wird bisher in sieben Häfen genutzt: Sipplingen Ost & West, Arbon, Rorschach Segelhafen & Seerestaurant, Steinach sowie Münsterlingen/Scherzingen. Weitere sollen in diesem Jahr dazukommen, so der Betreiber gegenüber dem SWR.

Wird das Problem Liegeplatz am Bodensee irgendwann kleiner?
Der demografische Wandel könnte eigentlich dazu führen, dass immer mehr ältere Wassersportler und Wassersportlerinnen ihr Hobby aufgeben und weniger jüngere nachrücken. Das ist aber bisher nicht der Fall. Die Wartelisten werden nicht kürzer, die Nachfrage wird nicht geringer, sagt etwa Klaus Sacher, Präsident des Bodensee-Yacht-Clubs Überlingen. Und auch in Kreuzlingen wird die Warteliste immer länger, bestätigt Renate Näf-Gehrig vom Ordnungsdienst der Stadt. Der Präsident des Yacht Clubs Langenargen, Peter Roos, betont aber, wer als Crewmitglied Regatten mitsegle, erhalte in seinem Verein meist bevorzugt einen Liegeplatz für ein eigenes Boot.
Wenn man segeln möchte und nicht auf einen einzigen Bootstyp festgelegt ist, ist es gut möglich, am Bodensee zu segeln.