Größere, stärkere, effizientere Verwaltungseinheiten - das war das Ziel der Gebietsreform in Baden-Württemberg. Umgesetzt wurde sie in den Jahren 1968 bis 1975. Und so wurden aus ehemals 3.379 Gemeinden 1.110, so die Auskunft des Gemeindetags Baden-Württemberg. In Leutkirch führte die Gebietsreform dazu, dass sich der Stadt am Ende acht Gemeinden anschlossen. Das waren: Herlazhofen, Gebrazhofen, Friesenhofen, Diepoldshofen, Hofs, Reichenhofen, Wuchzenhofen und Winterstetten. Die Zahl der Einwohner hat sich damit in der Stadt Leutkirch verdoppelt. Offiziell wurde die Eingemeindung in Leutkirch am 1. Juni 1972 vollzogen.
Große Herausforderungen für die Stadt Leutkirch
Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle (parteilos) nennt eine ganze Liste von Zahlen, die unterstreichen, mit welchen Aufgaben die Stadt und ihre Teilorte seit der Gebietsreform konfrontiert sind. Denn mit insgesamt 175 Quadratkilometern Fläche ist Leutkirch die fünftgrößte Kommune in Baden-Württemberg. Im gesamten Gebiet liegen laut Henle 218 Ortschaften, Weiler, Wohnstellen. Die Verwaltung sei zuständig für 140 Gebäude wie Rathäuser, Schulen und Sporthallen.
Für diese Infrastruktur habe die Stadt immer zu wenig Geld, sagt OB Henle: "Das ist immer eine große Herausforderung, fair miteinander die Prioritäten festzulegen. Da müssen wir uns alle miteinander immer sehr anstrengen, dass das gut gelingt".
Dass es da auch mal ein Ringen und Diskutieren zwischen den Ortschaften und der Kernstadt gibt, zwischen Ortschaftsräten, Ortsvorstehern und Gemeinderäten, daraus macht Henle keinen Hehl. "Es kann schon mal Knatsch geben", schmunzelt er. Ortschaften und Stadt seien da wie eine Familie.
Der Oberbürgermeister ist da schon mal als Moderator gefragt, der für Ausgleich und gegenseitiges Verständnis wirbt. Doch es sei ein gutes Miteinander zwischen Stadt und Ortschaften, bestätigt Alois Peter.
Peter ist seit 22 Jahren Ortsvorsteher von Herlazhofen, mit knapp 2.900 Einwohnern die größte Ortschaft von Leutkirch. Eine Bürokraft steht ihm zwar seit 2008 nicht mehr zur Seite, aber Herlazhofen habe sehr von der Eingemeindung profitiert.
Der 64-Jährige verweist auf zwei vor kurzem fertig gestellte Unterführungen für Radwege von Herlazhofen nach Leutkirch, die die Stadt gebaut habe. Schmerzlich sind dagegen Schulschließungen gewesen, die die kleinen Ortschaften, darunter Herlazhofen, in den zurückliegenden Jahren getroffen haben. Die großen Schulzentren befinden sich alle in der Kernstadt. Aber, sagt Ortsvorsteher Peter, es müsse keine Ortschaft das Gefühl haben, benachteiligt zu werden.
Stadt und Ortschaften profitieren miteinander
Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle und Ortsvorsteher Alois Peter betonen darüber hinaus das ehrenamtliche Engagement, insbesondere in den Ortschaften. Da packen Vereine mit an, wenn beispielsweise eine Sporthalle in Herlazhofen oder ein Bürger- und Kulturtreff in Tautenhofen gebaut werden soll und die Stadt dafür zu wenig Geld hat. Der OB spricht von "tollen Projekten". Damit werde eine Infrastruktur geschaffen, "die wir uns als Stadt nicht oder nicht in absehbarer Zeit leisten können".
Und so arrangieren sich Stadt und Ortschaften, profitieren auch gegenseitig voneinander. In der Kernstadt sind viele zentrale Einrichtungen und auch zahlreiche Unternehmen, die Arbeitsplätze bieten. Im Umland können die Leutkircher die schöne Allgäulandschaft genießen mit ihren touristischen Einrichtungen wie Center Parcs in Urlau, die Glashütte in Schmidsfelden, das Moorbad und Campingplätze in Herlazhofen oder Schloss Zeil.
Leutkirch und seine Ortschaften feiern
An diesem Wochenende feiern Leutkirch und seine acht Ortschaften die Eingemeindung vor 50 Jahren mit einem großen und bunten Festprogramm. Ein offizieller Festakt folgt am 1. Juni. Für die Zukunft von Leutkirch mit seinen insgesamt knapp 24.000 Einwohnern hofft Oberbürgermeister Henle, dass alle weiterhin so zusammenwirken und Stadt und Land miteinander weiterentwickeln.