Es wird offenbar immer schwieriger, Flagge zu zeigen. Das zeigt ein Beispiel aus Konstanz. Dort hat eine Frau eine Israel-Flagge an ihrem Fenster wieder abgehängt. Die Leiterin eines Ladens im selben Gebäude hatte aus Sorge vor möglicher Gewalt darum gebeten.
Katharina Klein ist 24 Jahre alt und studiert in Konstanz Jura. Sie ist die Tochter des Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Sie wohnt in einer belebten Konstanzer Einkaufsstraße in der Innenstadt. Aus ihrem Fenster im ersten Stock hatte sie vor einigen Tagen eine Israel-Flagge gehängt, um Solidarität zu zeigen. Drei Tage später klingelte es an ihrer Haustür. Es war der Vermieter.
Er bat darum, die Flagge abzuhängen, erzählt Katharina Klein dem SWR. Er habe das damit begründet, dass er Stress vor allem mit dem Laden unter ihr bekäme -und er einfach in der Nachbarschaft mit seinen Mietern keinen Stress wolle und es nicht ginge, dass man an dieser prominenten Fassade diese Flagge habe.
SWR-Reporterin Esther Leuffen hat die Geschichte recherchiert und die junge Frau getroffen:
Katharina Klein hat besonderen Bezug zu Israel
Katharina Klein ist geschockt. Denn zu Israel hat sie einen besonderen Bezug. Sie war im Rahmen ihres Studiums in Israel, hat dort ein Auslandssemester gemacht. Sie habe kein großes Wissen über das Land und die Region gehabt, bevor sie dort hinging, erzählt sie, und sie sei sehr positiv überrascht worden. Sie habe auch noch Bekannte dort und kriege auch immer mit, wie es ihnen gehe. In Gedanken an ihre Bekannten hatte Katharina Klein die Fahne aufgehängt.
Ich hatte tatsächlich nicht so ein großes Wissen über das Land und die Region, bevor ich hingegangen bin, und ich wurde sehr positiv überrascht. Und habe auch noch Bekannte dort und kriege auch immer mit, wie es denen so geht.
Vermieter will allen Mietern gerecht werden
Ihr Vermieter dagegen erklärt sein Vorgehen gegenüber dem SWR so: Er habe Katharina Klein gebeten, die Flagge abzuhängen, da sich andere Mieter durch Anrufe belästigt gefühlt hätten. Er sei aktiv geworden, um allen Mietern gerecht zu werden.
Einer davon ist das Modegeschäft im Erdgeschoss. Die Leiterin des Ladens sagte dem SWR, es seien immer mehr Anrufe eingegangen mit der Frage, seit wann sie sich positionieren würden für irgendwelche Flaggen. Sie hätten dann gesagt, wir sind neutral und wollen auch als Firma neutral bleiben und möchten deshalb, dass die Flagge weg soll. Sie hätten den Vermieter gebeten, ob er sich nicht drum kümmern könnte, dass die Flagge wieder abgehängt würde.
Israel-Flagge aufgehängt: Sorge vor möglicher Gewalt
Persönlich sei sie total pro Israel, weil ihr Sohn seit Jahren in Israel lebe und arbeite, sagt die Leiterin des Ladens, die anonym bleiben möchte. Aber ihr Motiv für ihre Forderung ist Angst: Angst, mit der Flagge in Verbindung gebracht zu werden, bedroht zu werden. Dass in die Fensterfront Steine geworfen werden oder sie mit einem Messer bedroht werden. Die Sorge um ihre eigene Gesundheit sei wichtiger wie die Flagge.
Weil wir wirklich Angst hatten, dass, wenn die Flagge mit uns in Verbindung gebracht wird, dass wir bedroht werden. Sachbeschädigung, dass in die Fensterfront Steine geworfen werden oder noch schlimmer, dass wir mit Messer oder sonstigem bedroht werden. Die Angst hatten wir alle. Deswegen war uns unsere eigene Gesundheit wichtiger wie die Flagge.
Sie fände es schlimm, dass sie sich in ihrem eigenen Land nicht zu irgendwas bekennen könne, ohne Angst zu haben, von irgendeinem Fremden bedroht zu werden, so die Leiterin des Landens in Konstanz weiter.
Wie sollen sich Handel- und Gewerbetreibende überhaupt in politischen Fragen verhalten? Eine neutrale politische Position sieht beispielsweise Dr. Daniel Hölzle für Handel- und Gewerbetreibende als hilfreich an, auch wenn sein Verein da seinen Mitgliedern keine Vorgaben mache. Das sagte er dem SWR auf Anfrage. Er ist der 1. Vorsitzende vom Treffpunkt Konstanz, einer Werbe- und Interessensgemeinschaft des Konstanzer Einzelhandels.
Mieterbund Bodensee ordnet Rechte der Mieterin ein
Die durch das Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit erlaube es Mieterinnen und Mietern durchaus, mit Fahnen oder Transparenten am Balkon oder der Fassade ihre Meinung zum politischen Geschehen kund zu tun, so der Mieterbund Bodensee. Doch aus dem Mietvertrag könnten sich durchaus Einschränkungen ergeben. So gebe es Verträge, die das Aufhängen von Transparenten am Balkon grundsätzlich verbieten. Müssen für Fahnen bauliche Veränderungen an den Fassaden oder am Balkon vorgenommen werden, sei eine vorherige Einwilligung der Eigentümer oder der Hausverwaltung erforderlich. Auch dürfe der Hausfrieden nicht gestört werden.
Dies sei aber hier nicht der Fall, so Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds Bodensee. Nach Ansicht des Mieterbunds gab es für die betroffene Mieterin daher keine rechtliche Verpflichtung die Israel-Fahne abzuhängen.
Bisher keine weiteren Israel-Flaggen in Konstanz gesehen
Katharina Klein hat ihre Israel-Fahne abgehängt. In Konstanz hat sie bisher keine weiteren Israel-Flaggen gesehen und bedauert das. Sie würde sich mehr Solidarität mit Israel und den Juden in Deutschland wünschen, auch vor dem Hintergrund, wie pro-palästinensische Menschen ihre Meinungsfreiheit ausreizten.
Ich würde mir mehr offen gezeigte Solidarität mit Israel und den Juden in Deutschland wünschen. Weil, wenn man sieht, wie pro-palästinensische Menschen ihre Meinungsfreiheit ausreizen, wäre es wirklich wünschenswert und wichtig, dass auch pro-israelische Demos ihren gebührenden Platz haben.
Antisemitische Straftaten "explodieren" seit dem 7.Oktober in Deutschland
Antisemitische Straftaten in Deutschland "explodieren" aktuell, sagt Felix Klein, der Bundesbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus. Seit dem 7. Oktober, also dem Überfall der terroristischen Hamas auf Israel, hat die Polizei in Deutschland laut Klein über 2.000 Straftaten in Verbindung mit dem Nahost Konflikt verzeichnet. Im gesamten Jahr 2022 waren es insgesamt 2.600 antisemitische Straftaten, so Klein.
Es komme jetzt darauf an, dass Polizei und Justiz Antisemitismus konsequent verfolgen und bestrafen, sagte Klein dem SWR. Aber auch die Gesellschaft sei gefordert. Die Präventionsarbeit in den Schulen müsse verstärkt werden. Und auch die Gewerkschaften und Kirchen sieht Klein in der Verantwortung, sich gegen Antisemitismus zu positionieren.