Schulklasse wandert in den Bergen (Foto: Pressestelle, Polizeidirektion Vorarlberg / Bearbeitung: SWR)

Nach Rettung von Pfälzer Schulklasse in Vorarlberg

Wie vertrauenswürdig sind Wandertouren aus dem Internet?

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99 Schulkinder aus Rheinland-Pfalz sind am Dienstag im Kleinwalsertal gerettet worden. Jörg Neitzel von der Ravensburger Sektion des Deutschen Alpenvereins, sprach im SWR über Touren aus dem Internet.

Einer der Lehrer hatte die Tour im Internet über eine Suchmaschine gefunden, berichtete die Vorarlberger Polizei. Die Tour war dort als leichte Feierabendrunde beschrieben, tatsächlich erfordert sie aber Schwindelfreiheit und Trittsicherheit und ist in den offiziellen Wanderführern nicht mehr enthalten.

SWR-Moderatorin Karin Wehrheim hat mit Jörg Neitzel, Hütten- und Wegewart in der Ravensburger Sektion des Deutschen Alpenvereins, gesprochen.

SWR Aktuell: Offenbar kann man solchen über Suchmaschinen gefundenen Touren nicht einfach vertrauen?

Jörg Neitzel: Das ist natürlich immer kritisch zu hinterfragen. Im Internet gibt es viele Quellen und viele Angaben zu Wanderungen und zu Klettertouren. Man sollte hier auf jeden Fall auf zertifizierte Quellen zurückgreifen.

SWR Aktuell: In diesem Fall gestern in Vorarlberg gerieten mehr als 100 Menschen in Gefahr. Die Kinder waren zwischen zwölf und 14 Jahre alt und sind teils in Panik geraten. Sie waren am Ende unterkühlt und zwei sogar leicht verletzt. Das kann aber auch jedem Einzelnen passieren, wenn er oder sie auf eine Tour geht, die irgendwer ins Internet gestellt hat, oder?

Jörg Neitzel: Ja, das kann natürlich jedem Einzelnen passieren. Wichtig in dem Zusammenhang ist einfach, sich wirklich fundiert zu informieren und eben auch die Texte ausführlich zu lesen. In dem aktuellen Beispiel kann man natürlich auch im Internet vieles finden. Aber viele Quellen sagen dann auch ganz klar, das ist eine Tour im Schwierigkeitsbereich von T4/T5. Das entspricht der Schwierigkeitsgrade-Skala der Alpenvereine. Mit diesen Klassifizierungen kann man die Tour deutlich besser einschätzen.

SWR Aktuell: Es gibt da ein Projekt vom Deutschen Alpenverein?

Jörg Neitzel: Ja, es wurde vor einigen Jahren ein Projekt gestartet. Es nennt sich "alpenvereinaktiv.com". Dort gelangt man auf ein zertifiziertes Tourenportal, das von den Österreichischen Alpenverein, Deutschen Alpenverein und Alpenvereinen in Südtirol gepflegt wird. Die Besonderheit hier ist, dass geschulte und zertifizierte Autoren die Touren im Netz erfassen.

SWR Aktuell: Bekommen Sie oft Meldungen von Wanderern, dass Touren aus dem Internet tatsächlich viel schwerer oder gefährlicher sind als angegeben?

Jörg Neitzel: Nein, da bekommen wir relativ wenig mit. Also im Großen und Ganzen haben wir da sehr gute Erfahrungen gemacht, auch, was unser Zuständigkeitsgebiet in Vorarlberg im Lechquellengebirge betrifft. Ich denke aber auch, dass unsere Touren einfach entsprechend beschrieben sind, sodass jeder damit ganz gut umgehen kann.

SWR Aktuell: Diese Klassifikationen, die Sie erwähnt haben, sind die auch für Laien verständlich?

Jörg Neitzel: Die sind für Laien verständlich. Das ist eine ganz einfache Systematik. Es gibt die Schwierigkeitsgrade im Wanderer-Bereich und im alpinen Wander-Bereich, von T1 bis T6. Das kann man auch im Internet nachlesen oder in entsprechenden Büchern. Hinter den jeweiligen Schwierigkeitsgraden sind kurze, verständliche Beschreibungen, was das bedeutet. Gerade bei T4 und T5 bewegen wir uns schon im schwierigen alpinen Gelände, wo man auch die Hände dazu verwenden muss.

SWR Aktuell: Offenbar hatten auch nicht alle Kinder passendes Schuhwerk an.

Jörg Neitzel: Ja, das kann man so deuten. Zudem war es auch nass. Auch hier ist in der Tourenbeschreibung nachzulesen, wie die Tour bei Nässe klassifiziert ist. Das kann sich dann noch einmal deutlich ändern.

SWR Aktuell: Was kann man tun, wenn man unterwegs ist und feststellt, dass die Tour ganz anders ist als angegeben?

Jörg Neitzel: Umkehren, rechtzeitig umkehren. Das ist ganz wichtig, vor allem wenn man sieht, dass das Wetter nicht mitspielt und der Weg auch durch die Nässe entsprechend schwieriger wird.

SWR Aktuell: Gibt es auch einen Punkt, an dem man sagt, weitergehen ist vielleicht doch besser als umkehren, wenn man schon mehr als die Hälfte der Tour hinter sich hat?

Jörg Neitzel: Das ist bei alpinen Touren eher kritisch. Da ist das Umkehren, denke ich, die bessere Wahl, weil es bei alpinen Grad-Überschreitungen tendenziell schwieriger anstatt einfacher wird. Aber wie gesagt, das Wichtigste, was man daraus mitnehmen oder lernen kann, ist, einfach die Tourenbeschreibungen aus zertifizierten Quellen herannehmen und sich gut vorzubereiten.

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