Eine mehrere hundert Kilo schwere, gusseiserne Glocke, die in einem Turm über dem historischen Konstanzer Schnetztor hängt, hat sich aus ihrer Verankerung gelöst und rund 40 Zentimeter abgesenkt. Sie liegt seitdem auf dem darunterliegenden Dach des Tores. Passanten hatten dies am Mittwochabend bemerkt und gemeldet. Die Glocke ist nach Angaben der Stadt mittlerweile gesichert.
SWR-Reporterin Esther Leuffen hat sich die Glocke von einem Kran aus genauer angesehen:
Das Schnetztor befindet sich in der alten Stadtmauer am Rande der Altstadt, von dort gelangt man in die Fußgängerzone. Bis Donnerstagnachmittag war dort aus Sicherheitsgründen alles abgesperrt, mittlerweile ist der Durchgang wieder geöffnet. Gleich neben dem Glockenturm ist das Konstanzer Korrespondentenbüro des SWR.

Krone der Glocke zerstört
Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass die Krone der Glocke gebrochen sei, so Arnold Hermann vom Hochbauamt Konstanz. Grund sei vermutlich Materialermüdung. Daraufhin habe sich die Glocke um 40 Zentimeter abgesenkt und liege jetzt sicher auf dem Dach des Schnetztores. Das Dach sei dadurch nicht beschädigt worden. Dieses sei massiv genug, um das Gewicht zu tragen.

Feuerwehr Konstanz bei Einsatz behindert
Zur Sicherung der Glocke wurden bei dem Einsatz am Mittwochabend Feuerwehrleute über eine Drehleiter auf das Dach des Schnetztores geschickt, um die Glocke mit Spanngurten und Schlingen zu sichern. Währenddessen seien die Einsatzkräfte mehrfach beleidigt und angepöbelt worden, schreibt die Konstanzer Feuerwehr. Gegen einen Mann sei Anzeige erstattet worden. Außerdem sollen Passanten die Absperrung unterhalb des Konstanzer Schnetztores ignoriert haben, heißt es weiter.
Prüfung, ob Glocke repariert werden kann
Die Glocke sei zur Sicherung mit einer Holzkonstruktion stabilisiert worden, so das Hochbauamt. Jetzt werde man prüfen, ob sie noch repariert und gerettet werden könne. Nach Informationen der Stadt wurde die Glocke nach dem zweiten Weltkrieg im Turm des Schnetztores aufgehängt und schlug seitdem immer zur halben und vollen Stunde. Jetzt bleibt sie erst einmal stumm, die große Turmuhr wurde abgestellt.
Glocke stammt aus dem 14. Jahrhundert
Die Glocke ist rund 700 Jahre alt. Das bestätigte der Glockenexperte der Erzdiözese Freiburg dem SWR. Die Schnetztor-Glocke sei ein ganz bedeutender Glockenschatz, so Johannes Wittekind, Leiter der Erzbischöflichen Glockeninspektion. Sie sei im Badischen Glockenatlas gelistet und stamme aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Bei Glocken aus dieser Zeit sei die Glockenkrone häufig eine Schwachstelle, denn im Mittelalter hätten beim Glockenguss sehr widrige Rahmenbedingungen geherrscht. So hätten sich teils Fehler in der Gussform eingeschlichen.
Wittekind sieht die Stadt Konstanz in der Pflicht, die Glocke zu sanieren und so wieder aufzuhängen, dass sie auch weiterhin läutet. Eine Reparatur sei aufwändig, aber gut möglich. Im Erzbistum Freiburg sind laut dem Glockenexperten in den Weltkriegen rund 80 Prozent der historischen Glocken verloren gegangen. Den historischen Bestand, den man noch habe, müsse man bewahren und für die Zukunft erhalten.