Beratung bei einer Bank (Foto: picture alliance / dpa | Patrick Pleul)

"Schockstarre" bei vielen Kaufwilligen

Diese Folgen haben steigende Immobilienzinsen für die Region Bodensee-Oberschwaben

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Die Bau- und Immobilienzinsen sind seit Dezember von unter einem Prozent auf teils weit über drei Prozent gestiegen. Das hat Auswirkungen auf zahlreiche Häuslebauer und Immobilien-Interessenten am Bodensee und in Oberschwaben.

Wegen der steigenden Zinsbelastung würden Kundinnen und Kunden in der Region Bodensee-Oberschwaben vermehrt Abstand von einer Immobilienfinanzierung nehmen, heißt es von Banken auf SWR-Anfrage. Die Sparkasse Hegau-Bodensee beispielsweise teilt mit, es habe in der jüngsten Zeit erste Fälle gegeben, in denen Bauinteressenten ihren bereits zugeteilten Bauplatz wieder zurückgegeben haben – bis vor wenigen Monaten sei das noch unvorstellbar gewesen.

Laut der Volksbank Friedrichshafen-Tettnang hätten viele Kundinnen und Kunden die stark gestiegenen Zinsen der letzten Wochen noch nicht bewusst wahrgenommen und seien überrascht, wenn sie damit konfrontiert werden.

Auswirkung auf Nachfrage nach Immobilien

Wie ein Sprecher der VR Bank Reutlingen-Weingarten mitteilt, würden aktuell insbesondere Zinssicherungsmodelle nachgefragt, also zum Beispiel Bausparkonten, die zusätzlich bespart werden, um die Zinsbelastung in der Zukunft abzusichern. Bausparverträge werden auch bei der Volksbank Ulm-Biberach aktuell stark nachgefragt. Hier könnten sich Kundinnen und Kunden Zinsen ab 0,95 Prozent für die Zukunft sichern, heißt es dazu.

Auch die Sparkasse Bodensee teilt mit, dass die Anfragen nach Anschlussfinanzierungen und Zinsverlängerungen deutlich zunehmen würden. Anfragen bezüglich der Themen Bauen und Kaufen seien hingegen eher rückläufig. Viele Kunden wollten sich die höheren monatlichen Belastungen nicht mehr leisten, auch wenn sie dies könnten.

Die Kreissparkasse Biberach berichtet von einer bislang noch konstanten Nachfrage für Bau- und Immobilien-Finanzierungen. Allerdings könne es sein, dass sich die Ansprüche der Kundinnen und Kunden künftig änderten, um so dennoch eine Finanzierung stemmen zu können - sprich: Die Traumwohnung oder das eigene Häusle könnte möglicherweise eine Nummer kleiner ausfallen als ursprünglich geplant.

Zum Thema Immobilien war Professor Michael Voigtländer am 28. Juni bei SWR1 Leute zu Gast:

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Makler Frank Baur, Inhaber des gleichnamigen Immobilienunternehmens aus Weingarten, nennt die aktuelle Situation eine Art "Schockstarre", aus der manche Kaufwilligen erst wieder erwachen müssten. Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass der Markt massiv überhitzt gewesen sei und viel zu viele Interessenten für viel zu wenige Objekte auf der Suche waren und sind, so Frank Baur. Ein echter Stillstand sei deshalb bei in seinem Unternehmen noch nicht zu spüren.

So wirkt sich die Situation auf die Immobilienpreise aus

Mit einer platzenden Preisblase rechnen die Experten derzeit nicht. Beispiel Bodenseeregion: Es ist laut eines Sprechers der Sparkasse Bodensee schwer zu sagen, ob es zu einer Abkühlung der Immobilienpreise in der Region kommt, da hier immer eine erhöhte Nachfrage nach Wohneigentum bestehe. Viele Immobilienbesitzer nutzten die nach wie vor gute Preissituation am Markt, um Ihre Immobilie zu verkaufen, so die Volksbank Friedrichshafen-Tettnang. Die zukünftige Preisentwicklung sei schwer vorhersehbar.

Die VR Bank Ravensburg-Weingarten sieht auch für Oberschwaben nach wie vor eine hohe Immobiliennachfrage. Die Immobilienpreise seien stabil, weil die Region ein attraktives Zuzugsgebiet sei. Allerdings betreffe das verstärkt Bestandsimmobilien. Viele Kundinnen und Kunden sind laut VR Bank bei Neubauten aktuell eher zurückhaltend. Das liegt unter anderem daran, dass Baumaterialien teuer, Lieferketten unsicher und Handwerker kaum verfügbar sind.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Marlene Bücher von AM-Immobilien aus Salem gemacht. Bauplatzverkäufe würden teils daran scheitern, dass manche Fertighaushersteller keinen Festpreis anböten und die Verkaufspreise rasant in die Höhe gingen.

"Insgesamt war meine Erfahrung in 2022, dass der Krieg und die dadurch aufkommende Materialknappheit, verbunden mit enormen Preissteigerungen bei Gas und Öl, einen größeren Einfluss auf den Immobilienmarkt hatte als die Zinssteigerung."

Die Kreissparkasse Biberach erwartet, dass die Preise am Immobilienmarkt zukünftig tendenziell langsamer steigen als dies zuletzt der Fall war. Die Nachfrage nach Wohnimmobilien übersteige aber noch immer das Angebot, insbesondere in bevorzugten Lagen. Das bestätigt auch die Salemer Maklerin Marlene Bücher: Bei Luxusimmobilien für mehr als eine Million Euro machten sich die gestiegenen Zinsen am wenigsten bemerkbar, sagt sie.

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