Der Paragraf 219a wurde gestrichen. Damit können Ärztinnen und Ärzte straffrei öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren. (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Mascha Brichta)

Streichung des Paragrafen 219a

Nur wenige Ärzte in der Region Bodensee-Oberschwaben nehmen Abtreibungen vor

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Der Paragraf 219a, der "Werbung für Schwangerschaftsabbrüche" verboten hatte, ist aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen worden. Für einige geht diese Änderung nicht weit genug, denn einen tatsächlichen Abbruch nehmen nur wenige Ärzte vor.

Der Paragraf 219a verbot bislang "Werbung für Schwangerschaftsabbrüche". Das beinhaltete auch, dass Ärztinnen und Ärzte nicht öffentlich über das Thema informieren durften. Sie konnten also zum Beispiel keine Informationen über Abtreibungen auf ihre Homepage stellen. Das wird durch den Wegfall des Paragrafen nun möglich. Für viele war dieser Schritt längst überfällig. Auch für Benjamin Strasser, FDP-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Ravensburg und Staatssekretär im Justizministerium.

"Im Internet durfte jeder über Abtreibungen informieren, sowohl Gegner, als auch Befürworter. Nur Ärzte, die fachlich Ahnung haben, durften das nicht. Dieses Ungleichgewicht haben wir beendet."

Zusätzliches Informationsangebot für Betroffene

Ärztinnen und Ärzte dürfen künftig also unter anderem auf ihrer Homepage darüber informieren, ob sie Abtreibungen vornehmen und welche Methoden es dafür gibt. Welche Ärztinnen und Ärzte Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, darüber durften bisher nur Beratungsstellen informieren.

Rund 300 betroffene Frauen kommen jährliche zur Beratungsstelle Grüner Turm in Ravensburg, die von Profamilia betrieben wird. Bei der Beratungsstelle von Profamilia in Konstanz sind es mehr als 200 Frauen im Jahr. Die Stellen beraten betroffene Frauen "zielorientiert und ergebnisoffen", wie sie selbst sagen.

"Wir besprechen mit den Frauen, wie sich ihr Leben verändert, wenn sie sich entscheiden, das Kind auszutragen und wie es sich verändert, wenn sie sich für einen Abbruch entscheiden."

Die Beratungsstellen begrüßen die Streichung des Paragrafen 219a. So könnten sich Frauen nun auch schon im Vorfeld einer Beratung auf den Seiten der Ärztinnen und Ärzte informieren, heißt es.

Schlechte Versorgungslage in der Region Bodensee-Oberschwaben

Doch der Wegfall des Paragrafen 219a führt noch längst nicht zu einer guten Situation für Betroffene in der Region Bodensee-Oberschwaben. Denn nur wenige Ärztinnen und Ärzte nehmen Schwangerschaftsabbrüche vor. Im ganzen Kreis Konstanz gibt es laut Profamilia drei Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch. Im Bodenseekreis gibt es eine Möglichkeit. Im Kreis Ravensburg und im Kreis Biberach keine einzige.

Das bedeutet, dass Patientinnen oft stundenlang fahren müssen, wenn sie sich für eine Abtreibung entscheiden. Viele Ärztinnen und Ärzte hätten Bedenken, Abtreibungen vorzunehmen, sagt Doris Wilke.

"Manche Ärztinnen und Ärzte nehmen Abstand, weil Schwangerschaftsabbruch immer noch im Strafgesetzbuch steht. Sie fühlen sich wie mit einem Bein im Gefängnis."

Denn laut Paragraf 218 gilt ein Schwangerschaftsabbruch in vielen Fällen als rechtswidrig - auch - wenn er meist straffrei bleibt. Die Beratungsstellen in Ravensburg und Konstanz fordern deshalb, auch den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. So könne sich auch die Versorgungslage in der Region verbessern, sagen sie.

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SWR