Vor 500 Jahren

Bauernkrieg 1525 in Oberschwaben - Aufstand für Freiheit und Menschenrechte

Stand

Von Autor/in Thea Thomiczek

Vor 500 Jahren haben sich Bauern im Südwesten gegen die Obrigkeit aufgelehnt. Ausgehend vom Hegau entwickelte sich Oberschwaben zu einem Hotspot des Aufstandes.

1525, vor fünf Jahrhunderten, haben sich Bauern im Südwesten gegen die Obrigkeit erhoben. Oberschwaben spielte dabei eine zentrale Rolle. Die Bauern fordern damals ein Ende der Leibeigenschaft und Unterdrückung und der ständig wachsenden Steuern und Abgaben an weltliche und geistliche Herren. Am Anfang ist es ein friedlicher Aufstand an vielen Orten, dem sich auch Handwerker, der "gemeine" Mann, Bergwerksleute, städtische Bürger anschließen. Es ist die erste Massenbewegung der deutschen Geschichte, die größte Erhebung in Europa vor der Französischen Revolution. Die Bauern legitimieren ihren Aufstand aus den Ideen der Reformation, angefeuert auch durch Luthers Schrift von 1520, "Von der Freiheit eines Christenmenschen". 

Bauern sind Leibeigene und müssen Frondienste leisten

Die meisten Menschen auf dem Land leben um das Jahr 1500 als Untertanen. Viele sind Leibeigene, das heißt, sie gehören faktisch einem weltlichen oder geistlichen Herrn. Sie müssen Frondienste leisten, also unbezahlte Arbeiten, sie dürfen nur Leibeigene heiraten, die im Gebiet ihres Leibherrn leben. Beim Tod eines Leibeigenen fordern die Herren von den Waisen oder der Witwe große Teile des Vermögens und Vieh.

Bauernkriegsmuseum Baltringen: Unter anderem mit diesen Waffen zogen die Bauern ins Feld.
Bauernkriegsmuseum Baltringen: Unter anderem mit diesen Waffen zogen die Bauern ins Feld.

Oft mischen sich die Herren in die Selbstverwaltung der Dorfgemeinschaften ein, die landwirtschaftliche Flächen gemeinsam nutzen, als "Allmende".  So verletzen die Grundherren auch das mündlich überlieferte "Alte Recht", enteignen das seit Jahrhunderten bestehende Gemeinschaftseigentum und beschneiden gemeinschaftliche Weide-, Holzschlag-, Fischerei- und Jagdrechte.

Die Bauern wollen all dies nicht mehr ertragen. Erste Unruhen gibt es schon 1524 in Waldshut, im Schwarzwald und im Hegau. In Hilzingen (Kreis Konstanz) etwa erheben sich an der Kirchweih 800 Bauern gegen den Adel. In Oberschwaben beginnt alles an Heiligabend 1524 im kleinen Baltringen bei Biberach an der Riß. Dort treffen sich empörte Bauern in einem Wirtshaus. Es werden immer mehr, schließlich sind es tausende aus der ganzen Umgebung. Sie treffen sich ab dem Frühjahr 1525 im nahegelegenen Ried, wo sie geschützt vor ihren Herren aus Adel, Klöstern und Reichsstädten sind. Ihr Führer ist Ulrich Schmid aus dem Nachbarort Sulmetingen, von Beruf Schmied, er lehnt Gewalt ab.

Ulrich Schmid war der Anführer des Baltringer Haufens. Holzschnitt von Ivo Schaible.
Ein Holzschnitt im Baltringer Baurernkriegsmuseum zeigt den Anführer des Baltringer Haufens, Ulrich Schmid.

Bauern schließen sich zu "Haufen" zusammen

Der Aufstand breitet sich aus, auch im Allgäu und am Bodensee schließen sich Bauern zu "Haufen" zusammen. So gibt es den "Baltringer Haufen", den "Rappertsweiler Haufen", den "Allgäuer Haufen" und den "Seehaufen". Sie schließen sich zur "Christlichen Vereinigung" zusammen.

Hier rührt sich ganz früh in der großen Wendezeit der Reformation etwas, was in Richtung unseres modernen Verständnisses von Menschenrechten geht. Die Bewegung des Bauernkriegs ist ein Wurzelgeflecht, aus dem unsere Demokratie in kleinen mühsamen Schrittchen über Jahrhunderte hinweg gewachsen ist. Insofern ist die Erinnerung an den Bauernkrieg auch für uns heute von Interesse.

Innerhalb weniger Wochen sind es in Oberschwaben rund 30.000 Bauern. Ihre Vertreter, dabei Ulrich Schmid und der Schreiber des Baltringer Haufens, Sebastian Lotzer, ziehen in die benachbarte Reichsstadt Memmingen, die damals zu Oberschwaben gehörte - eine Hochburg der Reformation. Die Tagung der rund 50 Bauernvertreter und Theologen gilt als erste verfassungsgebende Versammlung auf deutschem Boden. Die Teilnehmer legen, unter anderem unter der Mitwirkung des Memminger Predigers Christoph Schappeler, ihre Forderungen in den berühmten Zwölf Artikeln nieder. Diese sind von ihrem Glauben geprägt. Nach Luther, der die Bibel zum Maßstab von Glauben und Kirche machte, berufen sie sich auf "Göttliches Recht" und die Bibel.

Die Grundlage aller Artikel der Bauern […] besteht darin, das Evangelium zu hören und danach zu leben, [...] weshalb sie nicht aufrührerisch genannt werden können. Hat Gott nicht die Kinder Israels erhört und aus der Hand der Pharao befreit, als sie nach ihm riefen? Kann er nicht die Seinen heute noch erretten?

 "Die gründtlichen vn rechten haupt Artickel aller Bauerschafft etc.", Zwölf Artikel
Die Zwölf Artikel werden heute als Teil der deutschen Demokratie-Geschichte bewertet.

Die Bauern fordern gerechte Teilhabe an natürlichen Ressourcen wie Wild, Wälder, Holz, Wiesen. Sie fordern Mitbestimmung bei der Bestellung der Pfarrer und eine nicht willkürliche Justiz. Zentral aber ist die Abschaffung der Leibeigenschaft. Begründet wird dies damit, "dass uns Christus alle mit seinem kostbaren Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten ebenso wie den Höchsten, keinen ausgenommen."   

Zwölf Artikel werden zum Manifest des Bauernkriegs

Das Manifest der Zwölf Artikel wird heute als Teil der deutschen Demokratie-Geschichte bewertet. Die Artikel gelten als eine der ersten dokumentierten Freiheits- und Menschenrechte, so der Gründer und Leiter des Bauernkriegsmuseums Baltringen (Kreis Biberach), Franz Liesch: "500 Jahre schon Bemühen um Freiheit, Gleichberechtigung. Das sind eigentlich die Gedanken der Französischen Revolution. Der Bauernkrieg ist unsere Französische Revolution, nur insofern nicht erfolgreich, als sich etwas am System grundlegend geändert hat." Als sich der Bauernkrieg flächenartig ausweitet, werden die Zwölf Artikel landesweit verbreitet und übernommen. Sie werden zum Manifest des ganzen Bauernkriegs.

Szenen aus den Bauernkriegen - nachgestellt im Bauernkriegsmuseum Baltringen
Im Bauernkriegsmuseum Baltringen sind Szenen aus den Bauernkriegen nachgestellt. Bild in Detailansicht öffnen
Franz Liesch ist Gründer und Leiter des Bauerskriegsmuseums in Baltringen.
Franz Liesch ist Gründer und Leiter des Bauernkriegsmuseums in Baltringen. Bild in Detailansicht öffnen
Bauernkriegsmuseum Baltringen
Das Museum zeigt in fünf Themenblöcken das Geschehen von 1525 und beleuchtet die Hintergründe. Bild in Detailansicht öffnen
Erklärtafel im Bauernkrigsmuseum Baltringen
Die Bauern schlossen sich zu "Haufen" zusammen. Es gab den "Baltringer Haufen", den "Rappertsweiler Haufen", den "Allgäuer Haufen" und den "Seehaufen". (Erklärtafel im Museum) Bild in Detailansicht öffnen

Aber es kommt zu keiner Einigung mit dem Gegner der Bauern, dem Schwäbischen Bund, einem Zusammenschluss von Klerus, Fürsten, Adeligen und Reichsstädten. Angeführt wird er von Georg Truchsess von Waldburg aus dem Hause Waldburg (Kreis Ravensburg), genannt der Bauernjörg. Seine Truppen überfallen Dörfer, die Bauern ihrerseits besetzen Burgen, plündern Klöster, um sich zu versorgen mit Getreide, Vieh, Wein.

Die Lage spitzt sich zu. Der Bauernjörg zieht mit seinem Bundesheer in den Kampf gegen die Bauern. Die erste Schlacht bei Leipheim nahe Ulm ist eher ein Abschlachten. Die Bauern haben keine Chance, ungefähr tausend sterben. Dem Rädelsführer wird der Kopf abgeschlagen.

Die Plünderung des Klosters Weißenau - aus der Weißenauer Chronik 1925 von Jacob Murer
Bauern plündern das Kloster Weißenau - aus der Weißenauer Chronik 1525 von Jacob Murer.

Weingartner Vertrag beendet Bauernkrieg in Oberschwaben

Der Bauernjörg schlägt weitere Aufstände beispielsweise in Bad Wurzach (Kreis Ravensburg) grausam nieder, in der Region werden tausende Menschen auf der Seite der Bauern getötet. Doch vor Weingarten sieht sich der Feldherr einer Überzahl an Bauern gegenüber, es sind rund 20.000 Mann. Sie sind besser organisiert und bewaffnet und hätten möglicherweise den Bauernjörg besiegen können. So kommt es zu Verhandlungen und an Ostern 1525 wird der Weingartner Vertrag geschlossen. Die Forderungen der Bauern werden praktisch nicht erfüllt, aber sie kommen straffrei davon.

Die Bedeutung des Vertrags wird von Historikern unterschiedlich bewertet. Jan Koppmann und Hans Ulrich Rudolf aus Weingarten halten den Friedensschluss für richtig, da er weiteres Blutvergießen verhindert habe und den Bauernjörg auch bei einer eventuellen Niederlage nicht vor weiterem Vorgehen gegen die Bauern gestoppt hätte. Michael Tassilo Wild, Stadtarchivar von Bad Waldsee und Bad Wurzach, hingegen glaubt, dass der Bauernjörg mit dem Vertrag nur Zeit schinden wollte, regional sei der Aufstand zwar befriedet worden, aber in anderen Regionen habe der Krieg umso blutiger gewütet.

Die Stadt Weingarten betont die Wichtigkeit des Vertrags und hat ein Denkmal an den Vorarlberger Künstler Marbod Fritsch in Auftrag gegeben. Es besteht aus einem Satz aus dem Vertrag, der kreisförmig auf dem Münsterplatz als Mosaik auf den Boden gelegt werden soll. Der Satz lautet: "Damit Frieden, Ruhe und Einigkeit dauerhaft bewahrt werden, sollen wir…".

Fotomontage: So soll das Denkmal "Weingartner Vertrag" als Mosaik auf dem Münsterplatz einmal aussehen
Fotomontage: So soll das Denkmal von Marbod Fritsch, "Weingartner Vertrag", als Mosaik auf dem Münsterplatz einmal aussehen.

Das Denkmal ist unter Historikern umstritten. Es bilde nicht die Perspektive der Bauern ab, so unter anderem Elmar Kuhn, langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft Oberschwabens für Geschichte und Kultur und ehemaliger Kreisarchivar im Bodenseekreis. Die Bauern, die eben nicht ruhig geblieben seien und für eine menschenwürdige Existenz gekämpft hätten, würden mit dem Denkmal ins Unrecht gesetzt. Es bedürfe manchmal der "Unruhe", um ungerechte Zustände zu ändern.

Auf jeden Fall war der Bauernkrieg mit dem Weingartner Vertrag in wesentlichen Teilen Oberschwabens beendet. Aber in Württemberg, Franken, Thüringen breitete er sich wie ein Flächenbrand aus. Am Ende waren ganze Dörfer verwüstet, die Bauern unterworfen und auf Seiten der Bauern ungefähr 70.000 bis 100.000 Menschen tot. Auf der "Herrenseite" waren es vergleichsweise sehr wenige.

Nach dem Bauernkrieg spielt Oberschwaben wieder eine bedeutende Rolle. Hier ist ein für den ganzen Bauernkrieg einzigartiges Zeugnis der Zeit entstanden: die Weißenauer Bildchronik des Abtes Jacob Murer.

Bundesheer und Bauernheer vor Weingarten - aus der Weißenauer Chronik 1925 von Jacob Murer
Bundesheer und Bauernheer vor Weingarten - aus der der Weißenauer Chronik 1525 von Jacob Murer.

 Weißenauer Murer-Chronik ist einzigartiges Zeitdokument

Die Chronik stammt vom Abt des damals mächtigen Klosters Weißenau bei Ravensburg, Jacob Murer. Als Grundherr gehören ihm die Ländereien des Klosters und die Bauern sind seine Leibeigenen. Sie nehmen während der Aufstände das Kloster ein und plündern es, müssen es später wieder an den Abt zurückgeben. All dies schreibt der Abt als Betroffener nieder. Zusätzlich illustrieren elf doppelseitige Federzeichnungen sehr lebendig, wie sich die Bauern - mit Büchsen und Spießen bewaffnet - zusammenschließen, Wein, Getreide und Vieh aus dem Kloster rauben.

Der Abt lässt die Federzeichnungen von mehreren Künstlern, wohl Mönchen, fertigen. Er kontrolliert und korrigiert ihre Arbeit. Die Blätter sind auch sozialgeschichtlich sehr interessant. Denn man sieht auch Ortsansichten, Bauten und Landschaften. Und auch wie die Bauern gekleidet, wie ihre Häuser gebaut sind, wie Städte und Dörfer befestigt sind. Die Chronik ist laut dem Historiker Peter Eitel die einzige zeitgenössische bildliche Darstellung des Bauernkriegs.

Deshalb besitzen auch alle zehn Bauernkriegsmuseen in Deutschland Kopien der Murer-Chronik. Zum Gedenkjahr "500 Jahre Bauernkrieg" sind viele neue Bücher erschienen, in praktisch allen findet man Abbildungen und Ausschnitte aus der Murer-Chronik. Das Original besitzt das Haus Waldburg-Zeil in Leutkirch im Allgäu.

Große Landesausstellung zeigt die Chronik in Bad Schussenried

Im Rahmen der Großen Landesausstellung in Bad Schussenried (Kreis Biberach) ab Ende April soll die Chronik präsentiert werden. Die Ausstellung heißt "UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg" und geht laut Landesmuseum Württemberg unter anderem der Frage nach, wie es zum Flächenbrand kam. Ein Flächenbrand, bei dem es um Leben und Tod ging, wie es die australische Historikerin und Buchautorin Lyndal Roper formuliert: "Es handelt sich um eine Massenbewegung von Menschen, die ihr Leben riskierten, um eine neue Welt zu schaffen."

Stuttgart

Sieben Millionen Euro Kosten Große Landesausstellung zum Bauernkrieg wird teuerste in der Geschichte

500 Jahre ist der Bauernkrieg her - und hat an Aktualität nur wenig verloren. Baden-Württemberg will sich dem Kampf um Werte wie Freiheit und Demokratie nun intensiv widmen.

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500 Jahre Bauernkrieg | 1/3 Das war der Bauernkrieg – Der große Aufruhr

1524 gärt es unter den Bauern zwischen Bodensee und Main und den einfachen Handwerkern in den Städten. Eine Forderung: Ende der Leibeigenschaft.

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500 Jahre Bauernkrieg | 2/3 Das war der Bauernkrieg – Die Blutspur des Bauernjörg

Die Kämpfe zwischen Fürsten und den Bauern, den kleinen Leuten, eskalieren. Für die Herrschenden zieht der "Bauernjörg" 1525 in den Kampf gegen die Bauernhaufen.

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500 Jahre Bauernkrieg | 3/3 Das war der Bauernkrieg – Das Ende des Regenbogens

Im Sommer 1525 sieht es für die Bauern schlecht aus. Sie haben viele Schlachten verloren, Tausende mussten ihr Leben lassen. Aber die Aufständischen geben sich nicht geschlagen.

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Forum Für Freiheit und Gerechtigkeit – 500 Jahre Bauernkrieg

Gregor Papsch diskutiert mit
Prof. Dr. David von Mayenburg, Rechtshistoriker, Universität Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Marina Münkler, Literaturwissenschaftlerin, TU Dresden
Prof. Dr. Lyndal Roper, Historikerin, University of Oxford

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