Für pflegende Angehörige gibt es oft nicht genügend Hilfsangebote - oder sie können von den Betroffenen gar nicht genutzt werden. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse der Hochschule Osnabrück. Wie der Sozialverband VdK am Donnerstag in Stuttgart mitteilte, geht aus dieser Studie hervor, dass auch in Baden-Württemberg Angebote zur Entlastung von Angehörigen wie Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege oder Unterstützung im Haushalt bei den Pflegenden oft nicht ankommen. 80 Prozent der Leistungen verfielen ungenutzt. Die Pflegekassen sparten dadurch 12 Milliarden Euro jährlich.
Bürokratische Hürden und Zuzahlungen zu hoch
Dafür lägen mehrere Gründe vor, erklärte VdK-Landeschef Hans-Josef Hotz. Teilweise gebe es vor Ort solche Angebote gar nicht. Oder aber die bürokratischen Hürden sowie die Zuzahlungen seien zu hoch. Darüber hinaus würden mehr als Dreiviertel der Pflegebedürftigen beziehungsweise ihre Angehörigen den ihnen zustehenden "Entlastungsbetrag" von 125 Euro im Monat nicht abrufen. Der VdK fordert ein "Nächstenpflege-Budget", in dem alle Leistungen gebündelt werden. Die Betroffenen sollen nach den Vorstellungen des VdK dann selbst entscheiden, für welche Art der Unterstützung das Budget genutzt werden soll.
Oft keine Informationen über Hilfsangebote
"Vieles scheitert in der Pflege am Wissen", erklärte der VdK-Landesschef. Die Studie zeige, dass sich die Zahl der Anträge auf Hilfsleistungen nach einer eingehenden Beratung vervierfache. Er forderte das Land auf, die Pflegestützpunkte massiv auszubauen. Nur eine solche Anlaufstelle pro Kreis im Südwesten sei zu wenig. Aus seiner Sicht müsse es einen Pflegestützpunkt pro 20.000 Einwohner geben. Es fehlten überall Plätze in den Heimen, das sehe man auch daran, dass an vielen Orten kaum Tagespflege angeboten werde.
Pflege in Deutschland auf Angehörige angewiesen
Ohne pflegende Angehörige drohe die Pflege in Deutschland zusammenzubrechen, betonte Hotz. Die Landesregierung forderte er auf, mehr Pflegestützpunkte zur Beratung pflegender Angehöriger einzurichten. Der Studie zufolge gibt es in Baden-Württemberg fast 472.000 Menschen, die gepflegt werden müssen. Etwa 80 Prozent, also rund 378.000, werden zuhause versorgt - davon fast die Hälfte in den höchsten Pflegegraden vier und fünf. In Baden-Württemberg gibt die Hälfte der Befragten an, dass es in ihrer Umgebung keine Möglichkeit für eine Tagespflege gibt. Noch etwas mehr Betroffene (56 Prozent) geben an, dass es keine Angebote für Kurzzeitpflege in ihrer Nähe gebe.
Gesundheitsministerium hält Angebot für ausreichend
Das Gesundheitsministerium hält das Angebot der Stützpunkte allerdings für ausreichend. Die hohe Zahl an Vollzeitstellen ermögliche ein gutes Beratungsangebot, da die Beschäftigten auf Wunsch auch zu den Betroffenen nach Hause kommen. "Viele Pflegestützpunkte führen außerdem regelmäßige Beratungssprechstunden in kreisangehörigen Städten und Gemeinden durch", sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
Kritik von der SPD
Für die SPD-Fraktion betonte Florian Wahl, Vorsitzender im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Landtags, Baden-Württemberg brauche dringend mehr Plätze in der Tagespflege und in der Kurzzeitpflege. "Minister Manfred Lucha muss die Mittel für die Förderprogramme im nächsten Landeshaushalt massiv ausbauen. Das aktuelle ist bereits wieder ausgeschöpft." Das Sozialministerium entgegnete, im Haushalt 2022 seien die Fördermittel nochmals um etwa fünf Millionen Euro aufgestockt worden.