"Man wollte, dass es mir gut geht"

Als Baby vor Haustür abgelegt: Findelkind Fabian erzählt von seinen Erfahrungen

Stand

Von Autor/in Susanne Babila

Fabian wurde als Neugeborener bei einem Haus abgelegt, er ist ein "Findelkind". Später hat ihn eine Familie adoptiert. So geht er heute mit der Frage nach seiner Herkunft um.

Fabian ist als neugeborenes Baby vor einer Haustür im Stuttgarter Süden abgelegt worden. Damals war er zwischen 12 und 24 Stunden alt. Später hat ihn eine liebevolle Familie adoptiert. Etwa 30 bis 40 Kinder werden jährlich in Deutschland anonym ausgesetzt. Die Dunkelziffer ist unbekannt. Den heute 26-jährigen Fabian beschäftigt dennoch manchmal die Frage nach seiner Herkunft.

Fabian weiß nicht, wer ihn abgelegt hat

Aus Erzählungen weiß Fabian, dass die Person, die ihn abgesetzt hatte, solange an der Tür klingelte, bis in der Dunkelheit das Licht im Haus angegangen war. Wer ihn dort abgelegt hat, weiß Fabian bis heute nicht. Für ihn ist jedoch klar: Man wollte, dass er gefunden wird. "Man wollte, dass es mir gut geht", erklärt Fabian. Es sei kurz nach sieben Uhr gewesen und ziemlich kalt.

Ich war in eine Decke und in ein viel zu großes T-Shirt gehüllt.

Ein Rettungswagen habe ihn dann auf die Neugeborenenstation im Stuttgarter Olgahospital gebracht. Dort habe man festgestellt: Fabian ist ein Frühchen und untergewichtig. Die Kinderärzte hätten Angst um ihn gehabt, doch er sei gesund gewesen. Anschließend habe die Polizei nach seinen Eltern gesucht. Sie sprachen mit den Hausbesitzern, den Nachbarn und verteilten Zettel, doch niemand habe sich gemeldet. Findelkind Fabian wurde zum Stadtgespräch.

Fabian weiß, dass er auch im nahen Wald oder unter einer Brücke hätte abgelegt werden können. "Dann würde es mir heute entweder schlechter gehen oder ich wäre gar nicht mehr da."

Kind aussetzen: Gefängnisstrafe möglich

Ein Kind auszusetzen, ist in Deutschland eine Straftat und kann mit jahrelanger Haft geahndet werden. Wenn sich die Eltern melden, können sie auf eine Strafmilderung hoffen. In Fabians Fall, zwei Jahrzehnte später, ist die Strafe längst verjährt. Doch bis heute weiß Fabian nichts von seinen leiblichen Eltern. "Man weiß natürlich nie, leben sie in Deutschland, leben sie überhaupt noch."

Aufwachsen in Adoptivfamilie für Fabian eine "Bilderbuch-Kindheit"

Wenn Fabian über seine Kindheit spricht, redet er von einer "Bilderbuch-Kindheit". Nur wenige Monate nach seinem Krankenhausaufenthalt ist Fabian adoptiert worden. Er sei in einer liebevollen Familie aufgewachsen. Christine Lindenmaier vom Jugendamt Stuttgart hat Fabian und seine Adoptiveltern jahrelang unterstützt. Die Sozialarbeiterin ist mittlerweile im Ruhestand, sie erinnert sich aber noch gut an Fabian und die vielen anderen Babys, die anonym abgegeben wurden.

Offener Umgang mit eigener Geschichte

Laut Fabian haben seine Adoptiveltern von Anfang an offen und ehrlich mit ihm über seine Herkunft gesprochen. Er sei noch ein Kindergartenkind gewesen, erzählt Fabian, aus dem Nichts habe er seine Mutter gefragt, ob er auch in ihrem Bauch gewesen war. Kurz sei es ganz still gewesen, dann habe sie ihm einfach und klar geantwortet: "Nein".

Fabian weiß seit seiner frühen Kindheit, dass weder er noch seine Adoptiveltern seine leiblichen Eltern kennen und sehr wahrscheinlich nie kennenlernen werden. Die Familie hat mir immer wieder versichert, dass sie mich bei einer Suche unterstützen würden und das auch getan haben. Das habe ihn selbstbewusst und stark gemacht.

Sie haben das Thema proaktiv angesprochen. Da haben sie ganz viel richtig gemacht.

Suche nach der eigenen Herkunft

Heute lebt Fabian in Berlin, hat eine Freundin und studiert Nachhaltigkeitsmanagement. Er sei dankbar für seine Familie, sagt er, und liebe seine Eltern. Die Suche nach seiner Herkunft bestimme nicht sein Leben, aber ab und an suche er nach Antworten auf die Frage, woher er komme.

Er würde sich freuen, wenn sich seine leiblichen Eltern eines Tages melden würden. Vor einem Jahr, erzählt Fabian, hat er einen DNA-Test gemacht. Er habe zu 15 bis 25 Prozent osteuropäische Wurzeln, so das Ergebnis. "Ein schwaches, aber immerhin ein Indiz für meine Herkunft", sagt er. "Das ist krass, weil ich das vorher nie hatte."

Dieser Artikel ist ein Beitrag zum Diversitäts-Tag, an dem auch die ARD Vielfalt und Diversität in den Mittelpunkt ihrer Programme rückt - in diesem Jahr mit Fokus auf das Thema Herkunft.

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