Unterstützung vom Land gewünscht

Teure Sicherheitsvorkehrungen: Feste und Veranstaltungen in BW in Gefahr?

Stand

Von Autor/in Marc-Julien Heinsch

Nach den jüngsten Anschlägen und Amokfahrten verschärfen BW-Städte Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen. Nach ersten Absagen wegen gestiegener Kosten stellt sich die Frage: Wer bezahlt das?

Nach der Amokfahrt von Mannheim und den Anschlägen mit Autos in München und Magdeburg schärfen einige Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ihre Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen auf Straßen und Plätzen nach. Das hatte erste Absagen von Veranstaltungen in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) und Rheinfelden (Kreis Lörrach) zur Folge. Der Aufwand und die Kosten für die verschärften Sicherheitskonzepte seien zu groß, erklärten die Veranstaltenden.

Der Städtetag Baden-Württemberg, der 204 Mitgliedsstädte im Land politisch vertritt, rechnet mit weiteren Absagen dieser Art in den nächsten Monaten. Sebastian Ritter, Dezernent beim Städtetag unter anderem für die Themen Ordnung, Recht und Wirtschaft, sagte dem SWR, er gehe davon aus, dass in den nächsten Wochen verstärkt Meldungen von abgesagten Veranstaltungen aus den 1.001 Gemeinden im Land kämen, weil man verschärfte Sicherheitskonzepte personell oder finanziell nicht stemmen könne.

BW-Städtetag wünscht Unterstützung vom Land

Der Städtetag wirbt bei der Landesregierung um Unterstützung. Ob Veranstaltungen stattfinden könnten, dürfe nicht davon abhängen, welche Stadt oder Gemeinde Geld für Sicherheitstechnik übrig habe. Auch eine Sprecherin der Stadt Bietigheim-Bissingen spricht gegenüber dem SWR davon, dass landesweite Richtlinien für die Absicherung von Veranstaltungen im öffentlichen Raum hilfreich sein könnten - und wünscht sich Zuschüsse für Sicherheitseinrichtungen wie Poller und Sperren.

Im BW-Innenministerium verweist man auf SWR-Anfrage auf die Unterstützung der lokalen Veranstaltenden durch die Sicherheitsbehörden. Niemand müsse auf die Durchführung oder den Besuch von Veranstaltungen verzichten. Zusätzliches Geld vom Land für die Sicherheitskonzepte will man aber weder im Innen- noch im Wirtschaftsministerium versprechen.

Sicherheit für Veranstaltung: Keine "zentralen Vorgaben" vom BW-Innenministerium

Sebastian Ritter vom BW-Städtetag plädiert für gemeinsame Lösungen. Ihm sei es wichtig, dass in der Diskussion um die Sicherung von Veranstaltungen im öffentlichen Raum differenziert werde, so Ritter im Gespräch mit dem SWR. Neue gesetzliche Vorgaben vom Land hält er nicht unbedingt für den richtigen Weg, er wirbt stattdessen für eine politische Diskussion darüber, wer einen Beitrag leisten könne.

Klar ist: Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg entscheiden selbst, ob sie nach den jüngsten Anschlägen mit Fahrzeugen ihre Sicherheitskonzepte verschärfen. Vom Land, also dem zuständigen Innenministerium, heißt es auf SWR-Anfrage, "zentrale Vorgaben" gebe es vom Ministerium keine. Wie genau vor Ort abgesichert werde, richte sich nach dem Einzelfall.

Unsere Sicherheitsbehörden [...] beobachten die Sicherheitslage ganz genau und handeln dort, wo es nötig ist. Daher muss niemand auf die Durchführung oder den Besuch von Veranstaltungen oder Versammlungen verzichten.

Die Polizei Baden-Württemberg berate die Veranstaltenden, so ein Ministeriumssprecher, und "berücksichtigt aktuelle Ereignisse bei ihren fortlaufenden Gefährdungsbewertungen". Weitere Unterstützung biete der "Leitfaden zum Schutz vor Überfahrttaten" von Bund und Ländern sowie der "Wegweiser für (Groß-)Veranstaltungen in Baden-Württemberg" der Landespolizei, in dem es vor allem darum geht, wer akkreditiert wird - und wer nicht.

Weil öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel aber grundsätzlich mögliche "Anschlagsziele politisch motivierter Attentäter" seien, beobachteten die Sicherheitsbehörden die Sicherheitslage "ganz genau und handeln dort, wo es nötig ist", so ein Ministeriumssprecher. Niemand müsse daher auf die Durchführung oder den Besuch von Veranstaltungen oder Versammlungen verzichten. Alles kein Problem also?

Warum der Wunsch nach mehr Sicherheit auch ein Problem ist

Wie immer bei dem Wunsch nach mehr Sicherheit im öffentlichen Raum stellt sich auch bei Sicherheitskonzepten für Veranstaltungen die Frage: Wie viel ist genug - und wann schießt man über das Ziel hinaus? Dass Sicherheitskonzepte nicht zentral vom Innenministerium vorgegeben werden, findet Sebastian Ritter vom Städtetag sinnvoll. Und auch vom Gemeindetag Baden-Württemberg, der kreisangehörige Gemeinden im Land politisch vertritt, heißt es: Vor Ort kenne man die Gegebenheiten am besten. Zusammen mit Veranstaltenden und der Einschätzung der Sicherheitsbehörden ergebe sich erst ein vollständiges Bild. "Dabei gilt immer, dass es keine hundertprozentige Sicherheit im öffentlichen Raum geben kann", so ein Sprecher des Gemeindetags.

Auf SWR-Anfrage betont man dort auch die funktionierende Zusammenarbeit mit Polizei und Sicherheitsbehörden, wenn es darum geht, Brauchtumsveranstaltungen, Open-Air-Events und andere vergleichbare Veranstaltungen abzusichern - warnt aber: "Zu hohe Anforderungen können die oftmals ehrenamtlich getragenen Veranstaltungen auch in Frage stellen."

Baden-Württemberg/Mannheim

Laut Kretschmann keine hundertprozentige Sicherheit möglich Todesfahrt in Mannheim - kann der öffentliche Raum besser geschützt werden?

Ein Mann fährt am Montag in Mannheim mit einem Auto in eine Menschenmenge, tötet zwei Menschen, verletzt elf weitere. Nun stellt sich die Frage nach Lehren aus der Tat.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Teure Absicherung von Veranstaltungen: Was helfen könnte

Sebastian Ritter vom Städtetag drückt es so aus: "Es geht darum, einen Mittelweg zu finden: einerseits eine möglichst gute Absicherung der Veranstaltung, andererseits eine pragmatische und kostengünstige Lösung." Denn am Ende stelle sich immer die Frage: "Wer bezahlt das Ganze?" Hier macht Ritter den Vorschlag, ein bestehendes Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums für Veranstaltungen zur Belebung von Innenstädten auch für Veranstaltungen mit Tradition zu öffnen und quasi umzuwidmen.

Es wäre ja auch irgendwie skurril, wenn man eine neue Veranstaltung fördert - und die bestehende Veranstaltung muss abgesagt werden, weil die nicht gefördert werden kann.

Wenn das übergeordnete Ziel sei, die Innenstädte zu beleben, dann erreiche man das auch, wenn tradierte Veranstaltungen nicht abgesagt werden müssten. So könnten nach Ritters Vorstellung Zuschüsse vom Land für verschärfte Sicherheitskonzepte unbürokratisch und relativ schnell gewährt werden. Doch dieser Idee erteilt das BW-Wirtschaftsministerium auf SWR-Anfrage eine Absage: Eine finanzielle Förderung von bestehenden oder regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen sei "allein schon förderrechtlich nicht möglich". Die Förderung mit Summen zwischen 30.000 und 50.000 Euro konzentriere sich auf inhaltliche Konzepte und Marketingausgaben für neue Veranstaltungen.

Göppingen will 300.000 Euro für Sicherheitstechnik ausgeben, Wangen macht sie selbst

Was die Anschaffung von Sicherheitstechnik angeht, gibt Sebastian Ritter vom BW-Städtetag zu bedenken, dass nicht jede Stadt und Gemeinde 300.000 Euro für Poller und ähnliche Sicherungsausrüstung ausgeben werde, wie das Göppingen nun vorhat. Hier solle man eine politische Diskussion führen - etwa, ob man sich zusammentut und Sicherungstechnik zentral oder regional vorhält, um sie dann im Bedarfsfall abzugeben. Denn, so sagt Ritter: "Es kann ja am Ende nicht davon abhängen, welche Stadt jetzt besonders viel Geld im Haushalt übrig hat. Und dort können Veranstaltungen stattfinden, in anderen Städten nicht."

Für Anfang April hat der Städtetag Vertreter von Ordnungsämtern von Städten zu einem digitalen Austausch eingeladen. Dort will man sich über Erfahrungen austauschen und auch die Anschaffung von Sicherungsequipment wie stationären und mobilen Pollern besprechen. Ein Beispiel dürfte dann auch Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg) sein. Dort haben Mitarbeitende des städtischen Bauhofs mobile Sperren zur Absicherung von Veranstaltungen einfach selbst entworfen und gebaut. Die Sicherheitstechnik Marke Eigenbau soll auf Dauer gegenüber gemietetem Equipment Kosten sparen.

Zufahrtssperren Marke Eigenbau: Bauhofmitarbeiter in Wangen im Allgäu präsentieren mit Stolz ihre Schutzkonstruktion gegen Amokfahrer.
Zufahrtssperren Marke Eigenbau: Bauhofmitarbeiter in Wangen im Allgäu präsentieren mit Stolz ihre Schutzkonstruktion gegen Amokfahrer.

"Ich glaube, der Austausch der Städte untereinander hilft viel", sagt Sebastian Ritter vom BW-Städtetag. Und wünscht sich im nächsten Schritt ein politisches Signal: Veranstaltungen wie das abgesagte Osterbrunnenfest in Bietigheim-Bissingen stärkten das Zusammenleben, könnten für eine Stadtgesellschaft sogar essenziell sein, so Ritter. Doch wenn man zu diesem Schluss komme, dann müsse man daraus auch ableiten, dass "die öffentliche Hand eine finanzielle Unterstützung für die erforderlichen Schutzmaßnahmen leistet". Wer genau - das lässt er bewusst offen.

Göppingen/Bietigheim-Bissingen

Göppingen kauft Anti-Terror-Sperren für 300.000 Euro Frühlingsfeste sicher vor Anschlägen? Hohe Auflagen für Veranstalter

Nach der Amokfahrt von Mannheim sind Kommunen vor anstehenden Frühlings-Events besonders sensibilisiert. Das zeigen auch Beispiele aus der Region Stuttgart.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Wangen im Allgäu

Kreatives Sicherheitskonzept für Veranstaltungen Wangen im Allgäu setzt auf selbstgebaute Zufahrtssperren

Die Stadt Wangen im Allgäu hat ein neues Sicherheitskonzept für Veranstaltungen vorgestellt. Um Amokfahrten zu verhindern, setzt sie auf selbstgebaute Betonbarrieren.

Baden-Württemberg/Mannheim

Laut Kretschmann keine hundertprozentige Sicherheit möglich Todesfahrt in Mannheim - kann der öffentliche Raum besser geschützt werden?

Ein Mann fährt am Montag in Mannheim mit einem Auto in eine Menschenmenge, tötet zwei Menschen, verletzt elf weitere. Nun stellt sich die Frage nach Lehren aus der Tat.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Baden-Württemberg

Keine Hinweise auf konkrete Gefährdung Sicherheit bei Fastnachtsumzügen: Das ist bei den größten Umzügen in BW geplant

In den kommenden Tagen sind Tausende Narren in ganz Baden-Württemberg bei Fasnetsumzügen und -feiern dabei. Wie es um die Sicherheit bei den Umzügen bestellt ist.

Freiburg/Bad Krozingen

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen Polizei mit Maschinenpistolen: Angst oder Sicherheitsgefühl bei Fastnachtsumzügen?

Während der närrischen Tage treffen sich überall in Südbaden Tausende Menschen, um Fastnacht zu feiern. Vielerorts werden die Sicherheitsvorkehrungen für die Straßenumzüge erhöht.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent. 

Südwesten

Aktuell, regional, multimedial Die SWR Aktuell-App - Nachrichten auf Handy und Tablet

Die SWR Aktuell-App bringt aktuelle und regionale Nachrichten aus dem Südwesten aufs Smartphone und Tablet. Alle Details zur App und die Links zum Download gibt es hier.

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.