Insgesamt 12 Feiertage in BW im Jahr

Feiertag streichen - Wirtschaft ankurbeln? Ökonomen, Gewerkschaften und Kirchen uneins

Stand

Von Autor/in Tiana Zoric

Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland fordern einige Ökonomen, dass ein Feiertag abgeschafft wird. Sie wollen die Wirtschaft ankurbeln.

Die Wirtschaft stagniert, Unternehmen kündigen große Sparpakete an und die ehemalige Bundesregierung beschließt ein Sondervermögen in dreistelliger Milliardenhöhe - die kommenden Jahre werden für die deutsche Volkswirtschaft herausfordernd. Ideen für Gegenmaßnahmen gibt es einige. Eine davon sieht die Abschaffung eines Feiertages vor.

Erst am Wochenende forderte dies der Präsident des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, in der "Bild am Sonntag" - statt der Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sprach sich Mitte März ebenfalls dafür aus. Und auch der Chef der Landesbank Baden-Württemberg, Rainer Neske, forderte zum Jahreswechsel die Abschaffung eines Feiertages.

Abschaffung von Buß- und Bettag bereits 1994

In Baden-Württemberg gibt es jährlich zwölf Feiertage. Nur Bayern hat mancherorts einen mehr. Die Stadt Augsburg hat zudem mit dem 8. August einen zusätzlichen freien Tag, den es nur in der Stadt gibt. Gleichzeitig waren beide Länder nach Angaben des Statistischen Landesamts 2024 in der Top 3 der Bundesländer mit der höchsten Wirtschaftsleistung.

Die Forderung nach einem zusätzlichen Arbeitstag ist nicht neu und wurde bereits umgesetzt: Um die Pflegeversicherung zu finanzieren wurde 1994 der Buß- und Bettag in fast allen Bundesländern gestrichen. Nur Sachsen zog nicht mit. Dafür zahlen Sächsinnen und Sachsen 0,5 Prozent mehr vom Bruttolohn in die Pflegeversicherung.

Auch Dänemark strich jüngst einen Feiertag. So musste 2023 der "Store Bededag" (dt. Großer Gebetstag) weg, um Rüstungsausgaben zu finanzieren.

Zusätzlicher Arbeitstag statt Feiertag könnte Wirtschaft ankurbeln

Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen: Ein zusätzlicher Arbeitstag könnte bis zu 8,6 Milliarden Euro einbringen. Etwa 0,2 Prozent Wirtschaftsleistung also. Doch das IW sagt auch: Mehr Arbeitszeit führt nicht automatisch in allen Branchen zu mehr Produktion. Beispielsweise in der Baubranche mache der Zeitpunkt einen entscheidenden Unterschied. Wird ein Feiertag im Sommer gestrichen, macht das laut dem IW mehr Sinn, denn im Winter stehen die Kräne ohnehin still.

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Gewerkschaften meist gegen Abschaffung von Feiertag

Die Gewerkschaften in Baden-Württemberg blicken kritisch auf die Abschaffung eines Feiertages. Auf SWR-Anfrage sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg, Oliver Barta, dass man angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels nicht umhinkomme, eine gesellschaftliche Diskussion darüber zu führen, wie mehr und länger gearbeitet werden kann. Zwar könnte die Abschaffung eines Feiertags einen Beitrag dazu leisten, so Barta, "die Debatte darauf zu verkürzen, greift aber zu kurz". Vielmehr müssten weitere Themen, wie Frauen in Vollzeit oder erfolgreiche Fachkräftezuwanderung besprochen werden. Auch in Hinblick auf das vom alten Bundestag verabschiedeten Sondervermögen könne ein zusätzlicher Feiertag zwar einen Beitrag leisten, so Barta, sei aber kein Allheilmittel.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnet Forderungen nach längeren Arbeitszeiten oder die Streichung von Feiertagen als "völlig falschen Weg". "Wer hart arbeitende Beschäftigte als faul diffamiert, schlägt ihnen ins Gesicht", so die stellvertretende Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg, Maren Diebel-Ebers, in einer Mitteilung. Das Beispiel Frankreich zeige, dass die Abschaffung eines Feiertages nicht die erhoffte wirtschaftliche Wirkung habe. "Stattdessen braucht es bessere Chancen für alle: durch mehr betriebliche Ausbildung, eine schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse und verlässliche Kinderbetreuung."

Auch die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) lehnt die Abschaffung von Feiertagen ab. "Grundsätzlich sind Feiertage keine unproduktiven Tage", so der Bundesvorsitzende Sebastian Scheder auf SWR-Anfrage. "An diesen Tagen findet zwar keine bezahlte Arbeit statt, aber dafür Leistungen in Ehrenamt und Care-Arbeit." Weniger Feiertage bedeuteten laut Scheder nicht automatisch eine höhere Wirtschaftsleistung. Zudem würden dadurch besonders schwache und vulnerable Beschäftigungsgruppen hart getroffen. Vielmehr brauche dem CGM-Vorsitzenden zufolge eine attraktive Standortpolitik, um Beschäftigte zu entlasten und die Volkswirtschaft anzukurbeln.

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Auch Kirchen gegen Abschaffung von Feiertagen

Ähnlich äußerte sich auch die evangelische Landeskirche in Baden auf SWR-Anfrage. Bei der Diskussion um die Abschaffung von Feiertagen müssen mehr Perspektiven als nur die wirtschaftliche berücksichtigt werden, so Landesbischöfin Heike Springhart. Feiertage seien nicht nur arbeitsfreie Tage sondern auch zentraler Bestandteil der christlichen Tradition. "Aus unserer Sicht ist es nicht zielführend, einen kirchlichen Feiertag abzuschaffen", so Springhart, "der finanzielle Effekt wäre in Relation zur Größe des Schuldenpakets gering, der dauerhafte religiöse und kulturelle Verlust für unsere gesamte Gesellschaft dagegen groß." Dass sich die Kirche nicht ihrer Verantwortung entzögen, zeige die Abschaffung des Buß- und Bettags.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart verwies auf SWR-Anfrage auf ein Statement der Deutschen Bischofskonferenz. In diesem heißt es: "Ob eine solche Maßnahme in dem gewünschten Ausmaß und vor allem nachhaltig zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beiträgt, ist [...] fraglich." Der kulturelle und religiöse Verlust wäre jedoch dauerhaft.

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