"Reichsbürger", Rechtsextreme, "Selbstverwalter"

Mehr als 200 Extremisten in BW dürfen Waffen besitzen - warum?

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Die Bewegung der "Reichsbürger" gilt als gefährlich und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Wieso es trotzdem so schwierig ist, ihnen die Waffen wegzunehmen.

Laut dem baden-württembergischen Innenministerium waren zum Stichtag Ende vergangenen Jahres 214 Extremisten in Baden-Württemberg im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Bei den meisten handelt es sich um rechtsextremistische Personen oder sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums an den Grünen-Abgeordneten Oliver Hildenbrand hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen.

Von den 214 Personen werden 122 dem Rechtsextremismus zugeordnet, 48 den sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern, 12 Personen dem islamistischen Extremismus, 11 dem Bereich der sogenannten verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates, 8 dem Linksextremismus und 13 Personen übrigen Phänomenbereichen.

Grüne für strengere Einstufung, FDP für Regeln mit Augenmaß

"Waffen in den Händen von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verfassungsfeinden gefährden unsere Sicherheit", sagte Hildenbrand. Er fordert den Bund auf, wirksam zu verhindern, dass Waffen überhaupt erst in diese falschen Hände geraten könnten.

So sollten Menschen, die verfassungsfeindliche Aktivitäten betreiben oder Mitglieder von verfassungsfeindlichen Organisationen sind, künftig waffenrechtlich als "absolut unzuverlässig" statt nur als "in der Regel unzuverlässig" eingestuft werden. Mit dieser Einstufung dürfte diesen Personen dann unter keinen Umständen mehr eine Erlaubnis erteilt werden.

Auch die FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist für eine konsequente Entwaffnung von Extremisten. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte: "Wer den Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlässt, darf nicht mit Nachsicht unseres Rechtsstaats rechnen." Rülke äußerte allerdings auch die Hoffnung, dass bei einer möglichen Verschärfung des Waffenrechts durch die neue Bundesregierung "die Maßnahmen nicht unbewusst oder absichtlich auch unsere unbescholtenen Legalwaffenbesitzer unnötig gängeln."

Rund die Hälfte hat einen Waffenschein

Rund die Hälfte der 214 Extremisten sei im Besitz eines sogenannten Kleinen Waffenscheins, hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor Kurzem im Landtag berichtet. Dieser berechtige zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. 100 Personen verfügten zudem über eine Waffenbesitzkarte - diese erlaubt den Erwerb und den Besitz, nicht aber das Führen von Waffen. Träger einer Karte müssen ein berechtigtes Bedürfnis nachweisen: zum Beispiel als Sportschütze, Jäger oder Waffensammler. 

Bei zwei Personen handle es sich um sogenanntes Bewachungspersonal, das eine Waffenführungsberechtigung besitze - das sei das, was der Volksmund unter einem Waffenschein verstehe, so Strobl. Ein Waffenschein berechtigt dazu, eine geladene Schusswaffe in der Öffentlichkeit am Körper zu tragen.

Waffenerlaubnis einschränken ist oft schwierig

Der Staat versucht, den Extremisten die Waffenerlaubnis zu entziehen, auch wenn die rechtsstaatlichen Verfahren laut Innenministerium Zeit brauchen und der Verfassungsschutz ständig mehr Extremisten ausfindig macht. Bereits im Jahr 2017 wurden die Waffenbehörden angewiesen, an Personen aus der "Reichsbürger"- und Extremistenszene keine waffenrechtlichen Erlaubnisse zu erteilen und bereits erteilte Erlaubnisse - wenn möglich - zurückzunehmen.

Bei 25 der 214 Erlaubnisinhaber sei ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden, sagte Strobl vor Kurzem im Landtag. Bei weiteren 30 Personen sei ein Widerrufsverfahren in der Prüfung. Nach Einschätzung der Waffenbehörden reichten bei 64 Waffenbesitzern die Erkenntnisse aber nicht aus, um eine sogenannte waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Bei 85 Erlaubnisinhabern lägen keine offenen Erkenntnisse, die vor Gericht verwendbar wären, vor.

Razzia gegen "Reichsbürger" war eskaliert

Im Frühjahr 2023 etwa war bei einer Razzia gegen die sogenannte Reichsbürger-Szene eine Durchsuchung in Reutlingen eskaliert - ein mutmaßlicher "Reichsbürger" schoss auf einen SEK-Beamten und verletzte ihn am Arm. Strobl sprach später von einem "perversen" Waffenarsenal, das bei dem Mann gefunden worden sei.

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