Die Geschäftszahlen seien positiv, die Stimmung aber nicht, so begann Frank Mastiaux seine letzte Rede als EnBW-Chef vor der Hauptversammlung und bezog sich damit auf die Situation in der Ukraine. Unter seiner Führung war der Gewinn des drittgrößten deutschen Energieversorgers seit Jahren gewachsen, auf zuletzt fast 3 Milliarden Euro, ebenso der Anteil erneuerbarer Energien auf zuletzt rund 40 Prozent.
Mit "Hochdruck" weg von russischem Gas
Für diesen Kurs bekam Mastiaux schon oft Lob, doch mittlerweile wird Kritik laut, die EnBW tue zu wenig gegen die Abhängigkeit von russischem Gas. Daran dürfte auch das heutige Versprechen des EnBW-Chefs wenig ändern, mit Hochdruck den Anteil von Flüssiggas zu steigern und insgesamt die Bezugsquellen künftig deutlicher zu diversifizieren.
Während sich russische Kohle relativ unkompliziert ersetzen lasse, komme der Hauptteil der Gasimporte nach wie vor aus Russland, räumte Mastiaux ein.

EnBW: Auf Importverbot für Kohle vorbereitet
Auf das von der EU-Kommission verhängte Importverbot für russische Kohle ab August sei der Energiekonzern vorbereitet: Seit Ende vergangenen Jahres werde die Kohlebeschaffung ausgeweitet. Ergänzend zu Kolumbien, Südafrika und den USA würden nun Lieferungen aus Australien, Asien und Afrika geprüft. Einen von der Bundesregierung angestrebten Ausstieg Deutschlands aus Kohle allgemein vor 2038 hält Mastiaux aber nach wie vor für realistisch.
EnBW-Chef Mastiaux: Einkauf von Flüssiggas wird ausgebaut
Rund 495 Terrawattstunden Strom produziert die EnBW aber aus Gas, der überwiegenden Teil komme vom europäischen Großhandelsmarkt. Rund 20 Prozent stammten aus direkten Verträgen mit russischen Lieferanten. "Die Mengen dieser Verträge reduzieren sich vertraglich bereits ab Anfang 2023", sagte der EnBW-Chef. Auch werde der Einkauf von Flüssiggas ausgebaut. Der Konzern baue seine Flüssiggas-Aktivitäten aus und wolle mit dem Betreiber des geplanten Flüssigerdgasterminals in Stade kooperieren.
"Allerdings ist eine kurzfristige vollständige Ersatzbeschaffung bei einem theoretischen Entfall von russischem Gas auch für uns nicht zu machen."
Mastiaux prognostizierte auf der Hautversammlung, Deutschland sei noch für einen längeren Zeitraum auf Gasimporte angewiesen.
Zu lange und damit "krisenblinde" Liefervertrage
In dem Zusammenhang kritisiert die Umweltschutzorganisation urgewald zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre die langen und damit krisenblinden Lieferverträge des Konzerns, die eine "zu große Abhängigkeit von Russland" geschaffen hätten.
Längere Lieferzeiten für Kernkraft prüfen
Mit Blick auf eines der letzten drei bundesweit noch laufenden Atomkraftwerke in Neckarwestheim bei Heilbronn sagte Mastiaux: "Wir stehen weiterhin zum beschlossenen Ausstieg, dem wir seit 2011 konsequent mit einer langfristigen Strategie für den Rückbau unserer Kernkraftwerke folgen."
Sollte eine längere Laufzeit wegen des Kriegs relevant werden, werde der Konzern EnBW der Bundesregierung selbstverständlich mit seiner Erfahrung und Kompetenz beratend zur Seite stehen und dabei helfen, "alle Optionen ergebnisoffen zu prüfen".
Schneller auf erneuerbare Energien und Wasserstoff setzen
Der EnBW-Chef forderte, die Energieversorgung in Deutschland müsse stärker und schneller auf erneuerbare Energien und den Einsatz von Wasserstoff ausgerichtet werden. Dafür bräuchte es mehr denn je schlanke Prozesse und eine effiziente Umsetzung, die von Politik, Gesetz und Selbstorganisation gewährleistet werden müsste.
Der 58-jährige Mastiaux verlässt die EnBW Ende September. Sein Nachfolger wird Andreas Schell (52), derzeit noch Vorstandschef der Rolls-Royce Power Systems AG in Friedrichshafen.