Die modellhafte Nachbildung der Justitia steht im Raum eines Richters des Landgerichts neben einem Holzhammer und einem Aktenstapel. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Volker Hartmann/dpa | Volker Hartmann)

Bewerbungsphase für Laienrichter beginnt

Tausende ehrenamtliche Schöffen in Baden-Württemberg gesucht

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Tausende neue Laienrichterinnen und -richter sollen auch künftig in Land- und Amtsgerichten in BW auf der Richterbank sitzen. Wer sich für das Ehrenamt interessiert, kann sich jetzt bewerben.

Das Amt verspricht zwar neue Erfahrungen, aber auch Einblicke in menschliche Abgründe. Als ehrenamtliche Richter stehen tausende Schöffen Jahr für Jahr in der Verantwortung, einen Teil ihrer Zeit in Gerichten zu verbringen und sorgsam "im Namen des Volkes" zu entscheiden. Alle fünf Jahre werden die Posten als Haupt- und Ersatzschöffen für die Land- und Amtsgerichte neu besetzt für den nächsten Turnus - nun ist es wieder soweit.

Der Bedarf ist hoch: In Baden-Württemberg müssen bei der aktuellen Schöffenwahl etwa 7.000 vakante Stellen besetzt werden. Zwischen 2019 und dem kommenden Jahrgang (2024 bis einschließlich 2028) sind laut Justizministerium insgesamt rund 3.800 Hauptschöffinnen- und schöffen bei Gerichten tätig sowie rund 3.000 Ersatzschöffen, die einspringen, wenn Hauptschöffen verhindert sind.

Bereitschaft in Baden-Württemberg größer als im Osten Deutschlands

Anders als in Ostdeutschland machen sich die Kommunen und Justizbehörden in Baden-Württemberg aber wenig Sorgen über mangelndes Interesse an der freiwilligen und auch zeitaufwendigen, verantwortungsvollen Aufgabe. "Das Interesse war in den vergangenen Jahren schon da und es ist noch mal gestiegen", sagte die Landesvorsitzende der Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, Claudia Kitzig, am Montag in Stuttgart. An ihrer ersten Online-Info-Veranstaltung hätten 444 Menschen teilgenommen. Größere Städte könnten aber Schwierigkeiten haben, ihre Vorschlagslisten zu füllen, weil der Verteilungsschlüssel sich nach der Zahl der Einwohner richte, räumte Kitzig ein.

Auch Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) ist überzeugt: "Vielleicht kommt Baden-Württemberg auch zugute, dass im Südwesten das Ehrenamt sehr stark verankert ist."

Jeder deutsche Staatsbürger zwischen 25 und 69 kann sich bewerben

Bundesweit hat die Schöffenwahl für die nächste Amtszeit schon mit Informationskursen begonnen. Die Kommunen stellen aus dem Bewerberkreis ihre Vorschlagslisten zusammen, aus denen Schöffenwahlausschüsse an Gerichten dann Laienrichter auswählen. Bewerben kann sich jeder und jede deutsche Staatsbürger(in) zwischen 25 und 69 Jahren, der Deutsch spricht. Es gibt aber Einschränkungen: So scheidet etwa aus, wer schon einmal selbst zu mehr als sechs Monaten Haft verurteilt worden ist oder im Fokus von Ermittlungen steht.

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Schöffen können im Gericht nicht nur über schuldig oder nicht schuldig mitentscheiden, sie haben auch eine eigene Stimme beim Strafmaß - gemeinsam und gleichberechtigt mit ausgebildeten hauptamtlichen Richterinnen und Richtern. Für die Zeit im Gericht müssen Schöffinnen und Schöffen von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden. Eine Kündigung wegen der Übernahme oder Ausübung des Ehrenamts ist unzulässig. Arbeitgeber können allerdings die Lohnfortzahlungspflicht bei vorübergehender Verhinderung wirksam im Tarif- oder Arbeitsvertrag ausschließen. Schöffen steht dann eine Entschädigung für Verdienstausfall zu. Hinzu kommen gegebenenfalls weitere Entschädigungen etwa für Fahrtkosten, Aufwand und Aufwendungen.

Sorge vor extremen Besetzungen und politischen Gesinnungen

Ein Problem könnte es werden, wenn das Interesse an den Posten von der falschen Seite kommt. Denn bislang ist es weitgehend den Kommunen überlassen, sich ein Bild von der Verfassungstreue der Bewerber zu machen. Ausreichende Instrumente haben sie aber vor allem in den größeren Städten nicht zur Hand, um zu verhindern, dass auch Anhänger extremer Gruppen und Parteien als Schöffen an Amts- und Landgerichten kandidieren.

"Das ist schon unsere Sorge", sagte auch Kitzig. "Auf dem Land kennt man sich oft, es gibt Vorschläge aus Verbänden und Vereinen." Das sei im städtischen Gefüge nicht so oft der Fall. Sie betonte, Schöffinnen und Schöffen müssten verfassungstreu sein und diese Haltung auch außerhalb des Ehrenamtes beibehalten. "Außerdem müssen Kommunen ausreichend geschult werden, damit sie ein wachsames Auge haben, wenn sie ihre Vorschlagslisten zusammenstellen", sagt Kitzig. Sie äußerte sich aber nicht dazu, mit welchen Instrumenten die Städte und Gemeinden dies kontrollieren könnten.

Nach Angaben von Gentges schreibt eine neue Verwaltungsvorschrift für die Schöffenwahl die Pflicht zur Verfassungstreue vor. Es liege zudem ein ähnlicher Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium für das deutsche Richtergesetz vor.

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