Der neue Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DBG), Kai Burmeister, hat sein Amt in bewegten Zeiten angetreten: der Krieg in der Ukraine führt zu Preissteigerungen und Inflation. Viele Menschen in Baden-Württemberg brauchen Hilfe, um nach zwei Jahren Corona-Pandemie finanziell über die Runden zu kommen. Burmeister will sich bei der Politik für weitere Entlastungspakete, Investitionen in Bildung und gleiche Chancen beim Berufseinstieg stark machen.
Auch durch den Krieg steigt die Not in BW
Über seinen Amtsantritt sagt der neue Landesvorsitzende Burmeister, der Ukraine-Krieg habe auch die Arbeit des DGBs beeinflusst. Als Folge des Krieges hat die Inflation in Deutschland den höchsten Stand seit 40 Jahren erreicht. In Baden-Württemberg stieg sie auf zuletzt sieben Prozent. Bei vielen Menschen reicht der Lohn nicht mehr, das Leben zu finanzieren. Dagegen will der DBG-Vorsitzende mit zwei Maßnahmen vorgehen. "Zum einen geht es darum, in den anstehenden Tarifverhandlungen für höhere Löhne einzutreten." Zum anderen sei aber auch die Politik gefordert, für weitere Entlastungen zu sorgen.
"Steigende Preise an der Tankstelle, bei Lebensmitteln führen dazu, dass das Geld wie Schnee in der Sonne schmilzt."
Konkret fordert Burmeister von der Politik neben der bereits auf den Weg gebrachten Energiepauschale oder dem Kindergeldzuschlag, dass auch Rentnerinnen und Rentner Zuschüsse erhalten und die Entlastungspakete fortgesetzt werden sollen.

Chancengleichheit in Baden-Württemberg als Mangelware
Um die viel beschworene Chancengleichheit stünde es in Baden-Württemberg schlecht: "Tatsache ist aber, dass unser Bildungssystem unzureichend ist und leider die Bildungschancen immer noch stark vom Geldbeutel der Eltern abhängen." Corona habe zu vielen weiteren "Bildungsspaltungen" geführt, Kinder und Jugendliche seien verloren gegangen. Hier fordert der Gewerkschaftsführer eine bessere personelle Ausstattung an den Schulen - Baden-Württemberg stehe im bundesweiten Vergleich schlecht da. "Gerade jetzt wäre es nötig, mehr Geld zu haben, bessere Schulen zu haben, damit wir mehr Bildungsgerechtigkeit haben. Auch das wollen wir am 1. Mai deutlich machen."
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Weg zum Berufseinstieg muss geebnet werden
Auch die Situation am Ausbildungsmarkt habe in der Corona-Pandemie gelitten. Viele Jugendlichen hätten den Sprung von der Schule in eine Ausbildung unter Pandemie-Bedingungen nicht geschafft. Außerdem hätten viele Unternehmen Ausbildungskapazitäten runtergefahren, so Burmeister: "Das Handwerk bildet nach wie vor gut aus, in der Industrie und bei den öffentlichen Arbeitgebern haben wir leider einen Rückgang von Ausbildungsplätzen zu beobachten gehabt."
Nun müsse die im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausbildungsgarantie auch umgesetzt werden, bei der alle Jugendlichen die Chance hätten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. "Die Ausbildungsgarantie ist das Versprechen an die jungen Leute, sie mitzunehmen in die Welt der Arbeit." Die Kritik an der mangelnden Qualifikation der Jugendlichen lässt Burmeister nicht gelten: "Die Story ist 100 Jahre alt." Es helfe nicht weiter, alle Jugendlichen pauschal zu diskreditieren.
"Es muss gelingen, dass jeder Jugendliche in diesem Sommer einen Ausbildungsplatz hat und da werden wir im Zweifel auch laut und im Zweifel auch unangenehm werden."
Willkommenskultur gegenüber ukrainischen Flüchtlingen in BW
Auch den flüchtenden Menschen aus der Ukraine müsse der Weg in den Arbeitsmarkt von Baden-Württemberg geebnet werden, so der DGB-Landesvorsitzende. "Die 80.000 Menschen müssen mit einer Willkommenskultur begrüßt werden" - das sei seines Erachtens bereits der Fall, so Burmeister. Es gebe für diese Menschen die Möglichkeit zu arbeiten. Dabei müsse es um faire und sozial sichere Arbeitsmarktangebote gehen. Auch die Betreuung von Kindern müsse dabei bedacht werden.
Aktionen der Gewerkschaften in vielen Städten
Zeiten tiefgreifender Veränderungen bräuchten ein besonders solidarisches Miteinander, schreibt der DGB in seinem Maiaufruf und verweist auf Pandemie und Krieg. Man wolle mit den Aktionen ein Zeichen für eine gerechte und friedvolle Zukunft setzen. Die zentrale Kundgebung in Baden-Württemberg findet ab 10:30 Uhr in Ulm statt, hier wird der DGB-Landesvorsitzende Burmeister sprechen.
In vielen anderen Städten treten Einzelgewerkschaften auf, etwa IG Metall in Heidenheim, IG BCE in Heidelberg oder aber DGB in Nagold. Hier hatte es im Vorfeld heftigen Streit zwischen der Stadt und der Gewerkschaft ver.di gegeben. Nagold hätte gerne am Feiertag seine Geschäfte geöffnet und einen verkaufsoffenen Sonntag angeboten. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat das aber auf Antrag von ver.di untersagt.