Eine Frau sitz im Bett in ihrer Wohnung.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Fabian Sommer)

Frauen und Männer ungleich betroffen

Immer mehr Menschen in BW lassen sich wegen psychischer Beschwerden krankschreiben

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Depressionen, Ängste und Essstörungen - Seelische Probleme setzen die Wirtschaft in Baden-Württemberg unter Druck. Sie nehmen jährlich zu.

Nach Angaben der Barmer-Krankenkasse und der Techniker Krankenkasse nehmen die Krankschreibungen wegen psychischer Beschwerden in Baden-Württemberg immer weiter zu.

Im vergangenen Jahr seien sie für fast jeden vierten krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstag verantwortlich gewesen, so die Barmer-Krankenkasse. Die Diagnose habe Muskel-Skelett-Erkrankungen wie beispielsweise Rückenschmerzen an der Spitze der Fehltage-Statistik abgelöst. "Keine andere Krankheitsgruppe hat in Baden-Württemberg mehr Fehltage verursacht", sagte Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze. "Und jeder ausgefallene Tag hat auch direkte Folgen für einen Arbeitgeber."

Er rechnet damit, dass die psychische Belastung und die Zahl der entsprechenden Krankentage durch die Inflation und stark steigende Preise für Energie und Lebensmittel steigen werden. "Krisen sind immer auch eine Belastung für die Gesellschaft", sagte Plötze.

Psychische Erkrankungen steigen jährlich

Die Zahl der ausgefallenen Tage wegen psychischer Erkrankungen steigt laut Barmer Jahr für Jahr weiter. Entfielen im Jahr 2014 landesweit auf 100 Menschen insgesamt 279,9 Tage Fehlzeit wegen einer psychischen Störung, so waren es in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr bereits 330,3 Tage. Das sind 23 Prozent der Gesamtfehlzeit im Land. Im Jahr 2014 lag dieser Anteil bei 18,5 Prozent, im Vor-Corona-Jahr 2019 bei 20 Prozent.

Auch die Techniker Krankenkasse spricht in Baden-Württemberg von einer "jährlichen moderaten Steigerung der Fehlzeiten aufgrund psychischer Diagnosen", die seit mehreren Jahren zu beobachten sei. "Tatsächlich fällt der Anstieg von 2020 auf 2021 mit 6,8 Prozent nun aber deutlicher aus als im Vorjahr mit 3,1 Prozent", sagte eine Sprecherin. Im Jahr 2021 waren TK-Versicherte in Baden-Württemberg durchschnittlich 2,51 Tage wegen psychischen Störungen und Verhaltensstörungen krankgeschrieben. Das sei der höchste Anteil aller Diagnosen, hieß es.

Wem es psychisch nicht gut geht und im Alltag unter den Symptomen leidet, sollte sich professionelle Hilfe holen und zum Beispiel eine Psychotherapie machen. Pia Kabitzsch von Psychologeek erklärt, was das bedeutet. Psychologeek ist Teil von funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF.

Krankenkassen-Chef: Männer suchen sich später Hilfe

Laut Barmer sind Frauen und Männer unterschiedlich von Seelenleiden betroffen. Frauen sind in Baden-Württemberg zum Beispiel häufiger wegen einer psychischen Störung krankgeschrieben als Männer. Eine einzelne Krankschreibung dauert dagegen bei Männern länger (53,5 Tage pro Fall) als bei Frauen (48,3 Tage). "Männer suchen sich später Hilfe, denn für sie haben Beschwerden eine organische Ursache", sagte Barmer-Chef Plötze. "Sie gehen beispielsweise erst zum Arzt, wenn sie Rückenschmerzen haben. Dass diese psychisch bedingt sein können, der Gedanke kommt Männern eher nicht."

Für die Analyse wertete die Barmer die Daten von landesweit 336.000 Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren aus, die im vergangenen Jahr bei ihr versichert waren. Andere Kassen registrieren ebenfalls eine steigende Zahl psychisch bedingter Beschwerden und Fehltage - bei Jung und Alt.

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Hohe Hemmschwelle, hohe Dunkelziffer

Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer der Betroffenen aus, weil die Hemmschwelle, bei psychischen Problemen einen Arzt aufzusuchen, sehr hoch ist. Durchschnittlich vergehen acht bis zehn Jahre, bis sich ein Patient in Behandlung begibt. Nach Ansicht von Barmer-Landesgeschäftsführer Plötze sei es wichtig, über die unterschiedlichen Symptome bei Frauen und Männern zu informieren.

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