Nach erneuten Protesten gegen die Corona-Maßnahmen mit landesweit zehntausenden Teilnehmenden hat der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) das Vorgehen der Polizei verteidigt. Allein in Baden-Württemberg seien am Montag mehr als 50.000 Menschen bei rund 170 Veranstaltungen auf die Straße gegangen. Mehr als 2.500 Polizistinnen und Polizisten seien bei den Demonstrationen im Einsatz gewesen.
Über 50.000 Teilnehmer bei "Montagsspaziergängen" im Land Innenminister Strobl zu Verstößen bei Corona-Demos: "Der Rechtsstaat schaut nicht weg"
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat im Morgenmagazin von ARD und ZDF deutlich gemacht, dass die Polizei gegen Verstöße bei Corona-Demos vorgeht.
"Der Vorwurf, dass wir nicht genau hinschauen, geht absolut ins Leere", sagte der baden-württembergische Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl (CDU), am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Man habe das in Baden- Württemberg von Anfang an im scharfen Blick gehabt und selbstverständlich würden Verstöße auch geahndet, so Strobl. Deswegen gebe es auch inzwischen dutzende von Strafverfahren und hunderte von entsprechenden Bußgeldanzeigen. Das Demonstrationsgeschehen sei jedoch "sehr groß". Die Polizei könne nicht überall sein, aber man sei schon sehr gut vorbereitet, so Strobl. Gerade bei nicht angemeldeten Veranstaltungen werde es schwierig für die Beamten.
"Diejenigen, die ihr eigenes Süppchen kochen, die Rechtsextremisten, Querdenker, Reichsverwalter, Verschwörungsideologen haben wir sehr genau im Blick." Gerade in Baden-Württemberg habe man schon vor über einem Jahr begonnen, die operative Ebene der Querdenker auch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes zu nehmen.
Wann handelt es sich bei sogenannten Spaziergängen um Demonstrationen und welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Polizei?
Corona-Demonstranten in Friedrichshafen durchbrechen Polizei-Kette
In Friedrichshafen hätten sich rund 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem sogenannten Spaziergang versammelt, teilte ein Sprecher der Polizei Ravensburg mit. Die Protestierenden hätten sich spontan in sozialen Netzwerken verabredet, mit der Aktion von Ravensburg nach Friedrichshafen auszuweichen. Dort herrschte kein Versammlungsverbot - anders als in Ravensburg. In Ravensburg habe es keine größeren Ansammlungen gegeben, sagte der Sprecher am Abend.
In Friedrichshafen trugen die Protestierenden keine Masken und blockierten den Verkehr. Einige der Teilnehmer und Teilnehmerinnen durchbrachen eine Polizeikette, ansonsten kam es zu keinen größeren Ausschreitungen. Eine Person konnte als Versammlungsleiter identifiziert werden, gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, so die Polizei.
Corona-Proteste und Gegendemonstrationen in Mannheim
In der Mannheimer Innenstadt versammelten sich laut Polizei an mehreren Orten Kleingruppen zwischen 10 und 50 Teilnehmenden. Insgesamt seien es laut Polizei 500 Personen gewesen. Die Kleingruppen hätten sich selbstständig und nach Aufforderung der Polizei später aufgelöst. Die Beamten wiesen mit Lautsprecherdurchsagen auf das bestehende Versammlungsverbot hin. Bei einer rund 40-köpfigen Gruppe, die sich trotz Aufforderung der Polizei nicht auflöste, wurden die Personalien festgestellt und Platzverweise ausgesprochen.
Teile der Protestierenden hielten sich in Mannheim weder an die gültigen Abstandsregeln, noch an die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Insgesamt wurden 61 Personen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angezeigt. Zudem gab es einzelne Anzeigen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Ein Organisator der verbotenen Versammlung konnte laut Polizei identifiziert werden. Auch gegen ihn wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz Anzeige erstattet.
Um das Mannheimer Rathaus bildeten zudem rund 850 Personen eine Menschenkette gegen Hetze, Hass und Gewalt - dabei handelte es sich um eine angemeldete Veranstaltung. Sie blieb nach Polizeiangaben friedlich und störungsfrei.
1.200 Teilnehmer im Rhein-Neckar-Kreis
Laut Polizei kam es auch in anderen Städten in der Region zu unangemeldeten Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Im gesamten Rhein-Neckar-Kreis hätten in verschiedenen Städten etwa insgesamt 1.200 Menschen an den Protesten teilgenommen. Die einzelnen Versammlungen seien dort friedlich verlaufen. Auch in Heidelberg beteiligten sich etwa 250 Menschen an den sogenannten Spaziergängen.
Proteste auch in den Kreisen Stuttgart, Ludwigsburg und Böblingen
Auch in der Region Stuttgart gingen Menschen gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. Im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen stoppte die Polizei nach eigenen Angaben einen Aufzug. Dabei sei es zu keinen Zwischenfällen gekommen. Seit Jahresbeginn sind derartige Veranstaltungen im Stuttgarter Stadtgebiet verboten. In den Kreisen Ludwigsburg und Böblingen zählten die Beamten insgesamt knapp 30 ähnliche Aktionen, die von Veranstaltern auch als angebliche "Spaziergänge" angekündigt werden. In der Stadt Ludwigsburg protestierten nach Behördenangaben knapp 800 Menschen, in Leonberg (Kreis Böblingen) etwa halb so viele. In den Kreisen Esslingen, Rems-Murr und Göppingen versammelten sich ebenfalls Menschen zu Protesten. Dabei handelte es sich Behörden zufolge um kleine Gruppen. Auch hier blieb es laut Polizei friedlich.
Proteste in weiteren Landkreisen
Ein Sprecher der Polizei Reutlingen berichtete von 20 sogenannten Spaziergängen in verschiedenen Städten und Gemeinden in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Esslingen und dem Zollernalbkreis. Insgesamt seien weniger Corona-Gegnerinnen und Gegner auf die Straße gegangen als in den vergangenen Wochen. Alles sei friedlich verlaufen. In der Ulmer Innenstadt wurde der Slogan "Wir sind das Volk" skandiert. Auch in Karlsruhe gab es kleine Zusammenkünfte. In Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) waren laut Polizei zudem etwas mehr als 200 Menschen in der Altstadt unterwegs, in Heidelberg rund 100.
Bereits am ersten Wochenende des neuen Jahres war es zu Versammlungen gekommen. Das Innenministerium des Landes zog jedoch eine positive Bilanz. So hätten sich die Demonstrierenden meist friedlich verhalten, teilte ein Ministeriumssprecher dem SWR mit.
Angeheizte Proteste in vergangenen Wochen
Das war gerade in den vergangenen Wochen nicht immer so gewesen. Immer wieder war es zu Protesten gegen die Corona-Politik gekommen, bei denen auch Polizistinnen und Polizisten verletzt wurden. Insbesondere die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht und Beschränkungen des öffentlichen Lebens für Ungeimpfte hatten die Proteste angeheizt.
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Auf den Straßen macht eine laute Minderheit Stimmung gegen die Corona-Maßnahmen. Die Proteste gegen die Corona-Politik werden zunehmend radikal und gewalttätig. War das abzusehen?