Die Seite einer Luca App mit einem persönlichen QR Code ist auf einem Display eines Smartphones dargestellt. Die Luca-App soll dabei helfen, Corona-Kontakte nachzuverfolgen. Kritiker bezweifeln, dass die Software wirklich nötig ist. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

Geringer Nutzen bei Kontaktverfolgung

Gesprächsrunde des BW-Sozialministeriums: Ämter und Experten kritisieren Luca-App

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Marcel Kuntz
Marcel Kuntz - Redakteur bei SWR Aktuell BW (Foto: Verwendung nur in Absprache)

Hoher Aufwand und wenig Ertrag bei der Kontaktverfolgung, Bedenken beim Datenschutz - das Zeugnis für die Luca-App fällt in BW überschaubar aus. Wird die Lizenz verlängert?

Seit beinahe einem Jahr wird die Luca-App in Baden-Württemberg von Gesundheitsämtern genutzt - hauptsächlich zur Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten. Doch gerade da scheint die App kaum noch eine Rolle zu spielen, wie verschiedene Ämter aus dem Land am Montag bei einer digitalen Gesprächsrunde berichteten.

Zu der Gesprächsrunde hatte das Sozialministerium Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitsämter, des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA, des Chaos Computer Clubs und der Luca-App eingeladen. Ende Februar will das Ministerium entscheiden, ob die Lizenz mit der App verlängert wird oder nicht. Man wolle Stimmungen und Meinungen anhören, "bevor wir im Ministerium entscheiden wie es weitergeht", so Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Ohne fristgerechte Kündigung verlängert sich der bis März 2022 laufende Vertrag automatisch.

Chaos Computer Club: "Dysfunktionale" Luca-App ohne Mehrwert

Die Computerexperten des Chaos Computer Clubs (CCC) gehören zu den Kritikern der Luca-App. Jens Rieger, Vorstand des CCCs Freiburg, sprach sich deutlich gegen eine weitere Verwendung aus. Neben datenschutzrechtlicher Bedenken spreche die zu langsame Kontaktnachverfolgung gegen die Luca-App. Es brauche immer die Zuarbeit der Gesundheitsämter, so Rieger. Das koste Zeit, die man nicht habe. Die App sei "dysfunktional" und biete verglichen mit der Corona-Warn-App des Bundes keinen Mehrwert.

Außerdem würde die Luca-App kaum genutzt. An manchen Tagen habe es bundesweit nur 10 bis 20 Kontaktnachverfolgungen gegeben, sagte Rieger mit Verweis auf Auswertungen des Chaos Computer Clubs. Bei mehr als 320 angeschlossenen Gesundheitsämtern sei das "ein Witz".

Luca-App: 330 Millionen "Check-Ins" bundesweit

Harald Fladischer, der die Betreiber vertrat, verteidigte die App. Die Luca-App sei die einzige Anwendung dieser Art, die Bürgerinnen und Bürger, Gesundheitsämter und Lokalitäten wie Veranstaltungen oder Gastronomie verbinde, sagte er. Bundesweit habe es seit Einführung der Luca-App rund 330 Millionen Check-Ins gegeben. "Das hat viele Zettel gespart", so Fladischer. Zudem könnten Gesundheitsämter mit der Luca-App individualisierte Warnnachrichten verschicken. Man wolle sich weiterentwickeln, über die reine Nachverfolgung hinaus, betonte er.

Gesundheitsämter in BW gespalten bei Luca-App

In Baden-Württemberg zeige sich unter den Gesundheitsämtern bei der Bewertung der Luca-App ein "heterogenes Bild", sagte Minister Lucha. Das habe eine Umfrage seines Ministeriums ergeben, an der sich 34 von 38 Gesundheitsämtern beteiligten. Ein Viertel der Ämter habe keine Aussage zur App gemacht. Von den restlichen Ämtern habe die Hälfte angegeben, dass die App die Kontaktverfolgung erleichtere. Die andere Hälfte gab jedoch an, dass die App keine oder kaum Erleichterung bringe - verglichen mit der Erfassung mit Stift und Papier.

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Luca-App: Kein Nutzen bei Nachverfolgung?

Dieser Eindruck spiegelte sich auch in den Redebeiträgen der teilnehmenden Gesundheitsämter wider. So berichtete etwa die Leiterin des Gesundheitsamts Enzkreis, Brigitte Joggerst, dass die Luca-App in ihrem Bezirk nur noch zum Warnen benutzt würde, teils auch mit individuellen Meldungen. Bei der Kontaktnachverfolgung spiele der App allerdings kaum mehr eine Rolle. Der Grund: Nutzen und Aufwand stünden in einem schlechten Verhältnis. Bei Abfragen erhalte das Gesundheitsamt sehr viele Daten, die bei genauer Betrachtung kaum engere Kontaktpersonen ergäben, so Joggerst.

Viel Arbeit, meist nur Warnhinweise, aber kaum Quarantäne-Fälle. So beurteilt auch Wilfried Schwarz, Abteilungsleiter für Kontaktpersonennachverfolgung im Gesundheitsamt Stuttgart, die Arbeit mit der Luca-App. Besonders seit die Strategie bei der Kontaktverfolgung geändert wurde, gebe es hier kaum noch Berührungspunkte zwischen Gesundheitsamt und App. Seitdem müssen Infizierte selbstständig in Quarantäne. Davor waren die Gesundheitsämter für die Benachrichtigung zuständig. Wenn die Nachverfolgung von Kontaktpersonen so bleibe wie jetzt, mache die Luca-App wenig Sinn, fasste Schwarz zusammen.

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DEHOGA will auf Kontakterfassung verzichten

Ganz auf die Kontaktdatenerfassung verzichten, würde am liebsten der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA. Man müsse den Fokus auf vulnerable Gruppen richten, forderte Tobias Zwiener, Geschäftsführer für Grundsatzfragen bei DEHOGA BW. Es sei nicht sinnvoll, massenhaft Daten zu erheben.

Kritik wegen Datenschutz-Bedenken

Gerade wegen der zentralen Datenspeicherung stand die Luca-App immer wieder in der Kritik - zuletzt auch wegen des Vorwurfs des Daten-Missbrauchs. In Mainz hatte die Polizei bei einer Ermittlung unrechtmäßig auf Daten aus der Luca-App zurückgegriffen. Das hatten Datenschützer scharf kritisiert.

Derzeit beraten neben Baden-Württemberg fast alle Bundesländer mit einer Lizenz, ob der Vertrag verlängert werden soll. Manche haben bereits beschlossen, nicht länger auf die App zu setzen. Schleswig-Holstein hat bereits den Ausstieg verkündet, auch Bremen und Brandenburg wollen den Ein-Jahres-Vertrag mit der Luca-App nicht verlängern.

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