Die durch den Ukraine-Krieg stark steigenden Kosten - unter anderem für Sprit und Wärme - lösen bundesweit zahlreiche Debatten aus, wie Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet werden können. Die Vorschläge reichen von autofreien Sonntagen bis hin zur Erhöhung der Pendlerpauschale. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat nun am Montag vorgeschlagen, die Bürger mit einem Tankgutschein zu entlasten.
Tankgutscheine: Kritik aus Baden-Württemberg
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) kann dem Vorschlag von Lindner wenig Gutes abgewinnen. "Ich halte nicht so viel davon, mit der Gießkanne das Tanken zu subventionieren", sagte sie am Dienstag. Es sei sinnvoller, gezielt einkommensschwache Haushalte zu entlasten. "Man sollte im Übrigen nicht nur das Tanken in den Fokus nehmen, sondern auch das Thema Wärme", sagte Walker weiter. Für viele Menschen seien die steigenden Heizkosten ein wichtiges Problem.
Kritik kam auch vom baden-württembergischen Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU). Der Vorschlag sei ein "Bürokratiemonster im Quadrat". Der Bund nehme bereits viel Geld durch die Mehrwertsteuer ein. "Das kassiert man vorher ein und hinterher verteilt man an den Tankstellen Tankgutscheine", sagte Strobl. Man dürfe keine Senkungen bei der Energie- oder Mehrwertsteuer von vornherein ausschließen, forderte der Innenminister. BW-Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) schloss sich der Kritik an und bezeichnet die Idee seines Amtskollegen Lindner als "verhängnisvolle Fehlentscheidung".
"Diese Art, Dinge auszuschließen, das ist nicht der richtige Weg."
Lindner: Zuschuss ist effektiver als Steuersenkung auf Sprit
Nach Ansicht der Bundesfinanzministers sei ein Zuschuss effektiver als Steuersenkungen für Sprit. Er sei schneller umzusetzen und es seien stärkere Rabatte möglich. Auf eine Spritpreisbremse per Steuersenkung müssten die Menschen dagegen Wochen oder Monate länger warten, weil Gesetzgebung in Deutschland und gegebenenfalls auch europäisches Recht verändert werden müssten. Der Zuschuss beim Tanken lasse sich dagegen auch ohne viel Bürokratie umsetzen.
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Mobilitätsgeld statt Tankrabatt
Ein Vorschlag hinter dem sich zahlreiche Politikerinnen und Politiker sowie Verbände versammeln ist der eine sogenannten Mobilitätsgeldes. Thekla Walker, fordert es, um einkommensschwache Haushalte gezielt unterstützen zu können. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach sich für ein Mobilitätsgeld in Höhe von 50 Euro pro Empfänger und Jahr aus. "Mit kurzfristigen, unspezifischen und teuren Kompensationsmaßnahmen werden wir die Probleme nicht dauerhaft und nachhaltig lösen", so Hermann.
Finanziert werden solle das Mobilitätsgeld, so Hermann, aus den Einnahmen der Bundesregierung für den CO2-Preis. Diese würden in diesem Jahr allein für den Personenverkehr voraussichtlich bei etwa drei Milliarden Euro liegen, sagte Hermann.
Lob bei Naturschützern und Wirtschaftsforschern
Das Mobilitätsgeld wird ebenfalls vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung unterstützt. Der Landesgeschäftsführer des BUND, Martin Bachhofer, meint, ein Mobilitätsgeld leiste nicht nur einen Beitrag zum Ausgleich der steigenden Spritpreise, sondern verfolge gleichermaßen klimapolitische Ziele. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung empfiehlt, ein Mobilitätsgeld für ökologisch ausgerichtete Mobilität an wirklich Bedürftige zu zahlen. Ein Tankrabatt, sei ökonomisch und ökologisch unsinnig, teuer und sozial ungerecht, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert der "Rheinischen Post".
BW-Umweltministerin: Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben
Umweltministerin Walker fordert zudem, den Ausbau der Erneuerbaren Energien stärker als zuletzt geplant zu beschleunigen. "Da muss man jetzt den Turbo einlegen und so schnell wie möglich vorwärts kommen", sagte sie. "Wir müssen nicht nur laufen, sondern wir müssen regelrecht springen, um unsere Ziele zu erreichen." Kurzfristig ließen sich Windkraft und Photovoltaik aber nicht ausbauen. Es werde noch einige Zeit dauern, bis Ergebnisse zu sehen seien.
Viele Menschen seien durchaus bereit, etwas zu tun und Energie zu sparen, zeigte sich die Grünen-Politikerin überzeugt. "Das reicht vom Herunterdrehen der Heizung bis dazu, das Auto nicht bei jeder Gelegenheit zu nutzen." Das seien natürlich nicht die großen Lösungen. "Aber viele kleine Bausteine sind notwendig und verleihen den Schub, den wir brauchen. Und damals in den 1970er Jahren galt es am autofreien Sonntag auch als Statement für den Verzicht", sagte Walker. Es sei wichtig, Verbraucher zentral über diese Möglichkeiten und ihre Effekte zu informieren.
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So teuer war Sprit noch nie
Die Spritpreise liegen mit mehr als zwei Euro pro Liter auf einem nie dagewesenen Höchstniveau, nachdem sie in den ersten beiden Wochen des Ukraine-Krieges beispiellos in die Höhe geschossen waren - teilweise um mehr als zehn Cent pro Tag.
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) machte seinem Ärger auf Twitter Luft: "Mein Eindruck ist, dass ein paar Ölmultis gerade den großen Reibach machen", twitterte der Grünen-Politiker.
Die baden-württembergische SPD schloss sich dieser Theorie an. Landesparteichef Andreas Stoch sieht die Verantwortung für die hohen Preise bei den Konzernen: Die Rohölpreise seien wieder bis auf das Niveau vor dem russischen Angriff gesunken. "Doch an den Zapfsäulen werden weiter Rekordpreise gefordert. Das sollten wir hinterfragen."
Unterstützung auch für öffentlichen Personennahverkehr
Angesichts der hohen Spritpreise hat das Land Baden-Württemberg auch der Busbranche eine rasche Vorauszahlung öffentlicher Gelder zugesagt. Aus dem Rettungsschirm für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sollen in den kommenden Tagen gut 120 Millionen Euro fließen, teilte Landesverkehrsministerium am Mittwoch in Stuttgart nach einem Krisentreffen mit. Hinzu kommen demnach weitere knapp 60 Millionen Euro Vorschuss von öffentlichen Fördergeldern. Ziel sei es Zeit zu gewinnen, bis neue Lösungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbart würden. Der Rettungsschirm für den ÖPNV war nach Auskunft eines Sprechers im Zuge der Corona-Pandemie geschaffen worden.
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Trotz hoher Preise: Auf Autobahnen keine reduzierte Geschwindigkeit bemerkbar
Trotz des enormen Preissprungs bei Diesel und Benzin drosseln Autofahrer und Autofahrerinnen nach Erhebungen von Verkehrsdatenanbietern bisher nicht das Tempo. Auf Autobahnen ist noch kein Rückgang der Geschwindigkeiten festzustellen, wie Auswertungen der Datenanbieter Inrix und TomTom für die Deutsche Presse-Agentur übereinstimmend ergaben. Insbesondere auf der Autobahn aber ist der Verbrauch pro Kilometer stark von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig.
Laut Umweltbundesamt verbraucht beispielsweise ein typisches Fahrzeug mit 90 Kilometern pro Stunde auf der gleichen Strecke 23 Prozent weniger Sprit als mit einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde.
Strobl und Walker: Keine Denkverbote bei der Lösungssuche
"Keine Denkverbote" fordert Walker in der Debatte um ein Tempolimit. "Ich fände es richtig, das zu prüfen, und wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist", sagte die Ministerin. Deutschland sei in einer Phase, "wo man wirklich alles auf den Tisch legen muss".
Innenminister Thomas Strobl vom Koalitionspartner CDU zeigte sich zwar ebenfalls offen, alles zu prüfen. "Aber das gilt für mich persönlich für alles. Alles heißt aber dann auch alles. Und für alle." Es gebe nicht das "eine Schalterchen", sondern es müsse ein großes Paket von einzelnen Maßnahmen geben, mit denen mehr Sicherheit und Souveränität gewonnen werde.