Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg plant erneut, Intensivpflegekräfte mit einer Prämie zu entlohnen. Allen Pflegerinnen und Pflegern, die bei der Bekämpfung der vierten Corona-Welle zum Einsatz kommen, sollen demnach bis zu 1.500 Euro erhalten, so das Gesundheitsministerium in einer Pressemeldung.
Lucha will Einsatz "ansatzweise honorieren"
"Vor allem die Pflegekräfte auf den Intensivstationen haben unter stark erschwerten Bedingungen bis an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus gearbeitet, um Menschenleben zu retten", sagte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Die Prämie sei beschlossen worden, um diesen Einsatz "zumindest ansatzweise zu honorieren". Eine entsprechende Vorlage der Häuser von Gesundheitsminister Lucha und Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) wurde vom Ministerrat gebilligt.
Das Coronavirus und die Folgen für das Land Dienstag, 25. Oktober 2022
Corona-Regeln, Zahlen und Impfungen: Die wichtigsten Entwicklungen rund um das Coronavirus in Baden-Württemberg hier im Live-Blog.
Ministerium verspricht sich Anreiz für andere Beschäftigte
Der Minister verspricht sich davon auch, dass sich eventuell mehr Pflegekräfte aus den Normalstationen entschließen, zur Bekämpfung der vierten Welle auf den Intensivstationen auszuhelfen. Intensivmedizinerinnen und -mediziner haben bereits mehrfach davor gewarnt, dass Personalmangel bei der Versorgung von Corona-Patientinnen und -Patienten herrscht. Zuletzt meldete die Uniklinik in Tübingen, dass Pflegepersonal fehle.
Steigende Corona-Zahlen sorgen für zusätzliche Belastung An der Uniklinik in Tübingen fehlt Pflegepersonal für Intensivbetten
Die Uniklinik in Tübingen hat vier Betten auf der Intensivstation gesperrt. Es fehlt Personal. Wegen steigender Corona-Zahlen müssen möglicherweise Operationen verschoben werden.
Bayaz: Arbeit auf Intensivstation ist Knochenjob
Beschäftigte im Intensivpflegebereich klagen seit Beginn der Corona-Pandemie über eine hohe Überlastung. "Die Arbeit auf den Intensivstationen ist ein Knochenjob, der mit einer Prämie gar nicht aufgewogen werden kann. Wir wollen damit aber zumindest ein Zeichen setzen, wie sehr wir die Arbeit wertschätzen", sagte Finanziminister Bayaz.
Die Kosten für die Prämienzahlung liegen je nach Auslastung der Intensivbetten zwischen 8,5 bis 12 Millionen Euro. Der Bund habe - anders als 2020 - bisher noch keine Bereitschaft erklärt, die Prämie anteilig zu finanzieren, so das Ministerium.
Krankenhausgesellschaft skeptisch
Die erneute Prämie für Intensivpflegekräfte sei ein Zeichen der Wertschätzung, könne die emotionale Belastung aber nicht wettmachen, sagte der Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Matthias Einwag, am Freitag in Stuttgart.
"Der Berufsethos kommt da unter Dauerstress."
Den Mitarbeitenden mache zu schaffen, dass die Behandlung schwerkranker Menschen zugunsten jener verschoben werde, die sich hätten impfen lassen können. Angesichts voller Intensivstationen hätten die Krankenhäuser außerdem nicht nur über die Reihenfolge der Behandlung zu entscheiden, so Einwag weiter. "Sie stehen auch bald vor der schwierigen Abwägung zwischen Behandlung von Patienten einerseits und Mitarbeiterschutz andererseits."
Auch Gewerkschaft Verdi sieht Probleme
Verdi-Gesundheitsreferentin Yvonne Baumann erläuterte, die Belastung der Pflegekräfte habe zu einem doppelt so hohen Krankenstand geführt wie in allen anderen Berufen. Die vorgesehenen Prämien seien zwar eine Anerkennung für harte Arbeit, sagte Baumann. Da sie aber ausschließlich den Beschäftigten der Intensivpflege zugute kämen, drohe ein vermehrter Wechsel von den ebenfalls gebeutelten Normalstationen in die Intensivpflege. "Da leidet dann die gesamte Gesundheitsversorgung," so die Verdi-Vertreterin.