Eine Ärztin kümmert sich auf der Intensivstation im Klinikum Mutterhaus Trier um einen Corona-Patienten. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Prämie für Pflegekräfte

Corona-Pflegebonus: Viele Beschäftigte in BW gehen leer aus

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Martin Heer
Bild: SWR-Redakteur Martin Heer (Foto: Martin Heer)

Mit dem Pflegebonus will der Bund die Arbeit in Kliniken und Altenheimen unter Belastung der Corona-Pandemie würdigen. Viele Häuser und Beschäftigte bekommen davon allerdings nichts.

Für viele Pflegekräfte in Baden-Württemberg ist die Arbeit unter Corona-Bedingungen eine besondere Belastung - trotzdem bekommen einige von ihnen keine Corona-Prämie. Mit dem im Juni beschlossenen Pflegebonus will die Bundesregierung die Leistungen des vergangenen Jahres anerkennen. In der Altenpflege wurde dieser teils schon ausgezahlt, jetzt sind die Kliniken dran. Zahlreiche Krankenhäuser und ganze Berufsgruppen gehen dabei allerdings leer aus - denn nach dem Gesetzestext müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden.

Kein Bonus für Notaufnahmen trotz gestiegener Belastung

Seit zehn Jahren arbeitet Cornelia Reichel in der Notaufnahme. Als Fachkrankenschwester für Notfallpflege in Biberach an der Riß kümmert sie sich auch um Patientinnen und Patienten mit Corona. Die Schutzkleidung bei deren Behandlung erschwere die Arbeit, erzählt sie: "Wir tragen FFP2-Masken, Kittel, Handschuhe - das alles staut Wärme und ist beispielsweise beim Reanimieren enorm mühsam und anstrengend." Die Patientenzahlen und die Belastung seien durch Corona auch in der Notaufnahme gestiegen. Vom Pflegebonus profitieren Reichel und Ihre Kolleginnen und Kollegen allerdings nicht, denn den gibt es nur für sogenannte "bettenführende Stationen". Die Notaufnahme gehört nicht dazu.

"Wir arbeiten mit Corona-Patienten, wir betreuen sie intensiv, auch in schwierigen oder lebensbedrohlichen Situationen. Das ist für uns anstrengend, sowohl psychisch wie auch körperlich. Deswegen ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass wir [vom Pflegebonus] ausgeschlossen sein sollen."

Ob bettenführend oder nicht, die Arbeit sei vergleichbar gewesen, sagt Reichel. Positiv-Getestete habe man zeitweise nicht auf die Station verlegen können, weil diese vollständig belegt war. Sie blieben daher in der Notaufnahme. "Wir haben also keine Betten geführt, aber trotzdem Patienten über Stunden oder Tage hinweg betreut", schildert die Fachkrankenschwester.

Dass dies von der Politik nicht honoriert wird, empfinde sie als "Schlag ins Gesicht". "Es ist eine Fassungslosigkeit in der kompletten Abteilung und ich weiß, dass es in anderen Häusern genauso ist. Es ist für uns nicht nachvollziehbar und schwer zu verkraften. Ich weiß, dass viele überlegen zu gehen und was anderes zu machen. Es ist eine enorm große Frustration."

Mitarbeiter einer Notaufnahme und Rettungssanitäter (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Jan Woitas (Symbolbild))
Weder Notfallaufnahmen noch Rettungsdienste profitieren vom Pflegebonus. (Symbolbild)

Auch Rettungsdienste werden nicht berücksichtigt

Auch andere Berufsgruppen werden beim Bonus nicht berücksichtigt, darunter die Rettungsdienste. Dabei habe der Rettungsdienst bei schwer kranken Patientinnen und Patienten oftmals den ersten Kontakt und damit auch das größte Risiko, sich mit Corona anzustecken, erzählt ein Rettungssanitäter aus dem Kreis Böblingen, der namentlich nicht genannt werden möchte. "Wir bekommen meist erst im Nachhinein mit, dass ein Patient Corona hat", sagt er. Auch vor diesem Hintergrund versteht er die Ausgrenzung vom Bonus nicht:

"Für mich gibt es keine schlüssige Begründung, warum der Rettungsdienst oder die Kollegen in der Notaufnahme außen vor gelassen werden. Weil das tatsächlich die Ersten sind, die mit den Patienten in Kontakt kommen."

Auch der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes Baden-Württemberg (DRK) unterstreicht in einer Stellungnahme das erhöhte Risiko und betont die physische und psychische Belastung im Rettungsdienst durch Corona. Hinzu kämen "enorme Überstunden" durch krankheits- oder quarantänebedingte Personalausfälle. Der Pflegebonus wäre daher auch für den Rettungsdienst "sachgerecht und angemessen".

Beim Pflegebonus sollten alle berücksichtigt werden, die bei der Patientenversorgung eine Rolle spielen, ist die Ansicht der Gewerkschaft ver.di. "Es kann nicht sein, dass Gruppen ausgegrenzt werden", kritisiert Yvonne Baumann, Geschäftssekretärin für den Fachbereich Gesundheit in Baden-Württemberg. Es müsse endlich verstanden werden, dass ein Krankenhaus mehr sei als nur die Pflege. "Die Pflege kann nicht tätig werden, wenn Reinigung, Notfallambulanz, Verwaltung oder Technik nicht funktionieren. Die gehen alle leer aus." Dabei gehe es auch darum, Fachkräfte in den Jobs zu halten. Auch psychiatrische Kliniken und Einrichtungen der Behindertenhilfe werden nicht berücksichtigt.

Nicht alle Krankenhäuser erhalten Gelder

In Baden-Württemberg ist es bereits das dritte Mal, dass Pflegekräfte einen Corona-Bonus erhalten. 2020 gab es 1.500 Euro von Bund und Land als Corona-Prämie. Für die Leistungen in der vierten Corona-Welle im Winter 2021 zahlte Baden-Württemberg Intensivpflegekräften nochmals 1.500 Euro. Für den Pflegebonus stellt der Bund insgesamt eine Milliarde Euro bereit. Altenpflege und Kliniken bekommen davon jeweils die Hälfte. Wie viel die Beschäftigten in den Kliniken am Ende erhalten, hängt von der Gesamtzahl der Berechtigten ab. Die Krankenhäuser mussten die Gelder dafür beantragen - und ebenfalls Kriterien erfüllen.

Nur Häuser, die 2021 durch Corona-Patienten "besonders belastet" waren, erhielten die Mittel. Bedeutet konkret: Mindestens zehn Patienten mussten vollstationär behandelt und mehr als 48 Stunden beatmet werden. Auch Kliniken mit Intensivstationen seien dabei durchs Raster gefallen, sagt Annette Baumer von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), welcher der Großteil der Kliniken im Land angehört. Eine genaue Zahl lasse sich schwer nennen, aber: "Es sind auf jeden Fall sehr viele, die nichts kriegen."

Krankenhausgesellschaft: Bonus ist Freude und Frust zugleich

Die BWKG begrüßt den Pflegebonus grundsätzlich, bemängelt aber ebenfalls, dass nicht alle davon profitieren. Er freue diejenigen, die ihn bekommen. Bei den anderen führe er eher zu Frust und Demotivation. Das sei bereits bei den vergangenen Bonuszahlungen der Fall gewesen, sagt Baumer. Dass die Notaufnahmen nicht abgedeckt sind, sei "total abseitig".

Dabei sei der Pflegebonus ja eigentlich gut gemeint: "Das ist ein gutes Signal, dass man sieht: Da wurde etwas geleistet und das will man in irgendeiner Form honorieren und anerkennen. Aber die Frage ist, ob das so gelungen ist." Besser wäre aus Sicht der BWKG eine Entlastung gewesen, von der alle profitieren - wie beispielsweise eine Steuerfreiheit für Nacht- und Wochenendarbeit.

Land will Pflegebonus nicht aufstocken

Dass nicht alle Beschäftigten im Gesundheitsbereich vom Pflegebonus profitieren, liegt wohl an den begrenzten finanziellen Mitteln. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Heike Bahrens, sagte dazu in einer Bundestagsdebatte:

"Eine Milliarde Euro, das ist viel Geld, aber doch nicht so viel, um über die Pflege hinaus auch andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen einen öffentlichen Bonus zahlen zu können."

Bis 3.000 Euro sind die Bonuszahlungen steuerfrei, heißt es von der Bundesregierung. Einrichtungen und Länder könnten den Betrag also aufstocken. Die Kliniken sehen sich dazu finanziell jedoch nicht in der Lage, so Baumer. Auch das Land Baden-Württemberg wird den Bonus nicht aufstocken, heißt es auf SWR-Anfrage aus dem Sozialministerium. Aus Sicht des Landes ist es mit einer "Einmallösung" nicht getan. Man setze sich stattdessen beim Bund für bessere, allgemeinverbindlich tariflich verankerte Vergütung von Pflegekräften ein.

Spätestens bis Ende des Jahres sollten alle Berechtigten in der Altenpflege den Bonus erhalten haben. An den Kliniken dürfte die Auszahlung laut BWKG in den meisten Fällen mit dem November- oder spätestens Dezembergehalt erfolgen.

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