Die Schulen und Kindertagesstätten in Baden-Württemberg bleiben von Dienstag an bis zum 20. April geschlossen. Das teilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Freitag nach einer Sondersitzung des grün-schwarzen Kabinetts mit.
Am Montag finde der Schulbetrieb noch regulär statt, um einen geordneten Übergang zu ermöglichen, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Dann werde man die Schüler informieren und etwa Hausaufgaben bis nach den Osterferien besprechen. "Die Schülerinnen und Schüler werden keinen Nachteil erleiden", sagte Eisenmann. Alle anstehenden Abschlussprüfungen werde man gewährleisten.
In Baden-Württemberg besuchen derzeit rund 1,5 Millionen Schüler allgemeinbildende oder berufliche Schulen. Rund 444.000 Kinder wurden 2019 in Kindertageseinrichtungen betreut. Eltern sehen das Land nicht gut auf diese Maßnahme vorbereitet.
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Land will Notfallbetreuung von Kindern sicherstellen
Die Landesregierung will im Zuge der Schulschließungen aber auch eine Notfallbetreuung von Kindern sicherstellen, wenn beide Elternteile zur Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur benötigt würden. Dazu zählten Polizei, Feuerwehr, der medizinische und pflegerische Bereich, die Lebensmittelproduktion, der Lebensmittelhandel sowie die Energie- und Wasserversorgung.
"Ich rufe alle Beteiligten dazu auf, in dieser Notsituation konstruktiv mitzuarbeiten", sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Sie forderte insbesondere Lehrer auf, bei der Kinderbetreuung zu helfen, da Lehrer in der Zeit der Schulschließungen nicht offiziell im Urlaub seien. Notfalls könne sie die Lehrer dazu auch anweisen.
GEW ruft zu Akzeptanz der Entscheidung auf
Die baden-württembergische Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hofft, dass die Schul- und Kita-Schließungen ab kommendem Dienstag die Ausbreitung des Coronavirus bremsen werden. "Ich appelliere an alle, die getroffenen Entscheidungen zu akzeptieren und die Verwaltung an diesen ungewöhnlichen Herausforderungen arbeiten zu lassen", sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. In den kommenden Tagen müssten viele offene Fragen in Ruhe geklärt werden.
Die Möglichkeit, die Schulschließungen bis zu den Osterferien mit digitalen Lernformen zu überbrücken, sieht Moritz kritisch. "Die Mehrheit der Schulen in Baden-Württemberg kann dies nicht umsetzen", sagte sie.
Grenzkontrollen und Veranstaltungsregeln werden verschärft
Ministerpräsident Kretschmann kündigte außerdem an, dass öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen untersagt werden. Bisher galt ein Verbot für Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) teilte mit, dass Baden-Württemberg die Grenze zu Frankreich strenger überwachen wolle. "Es gehört jetzt auch dazu, dass wir dort, wo es notwendig ist, den internationalen Grenzverkehr stärker kontrollieren", so Strobl. Es werde Einschränkungen im Grenzverkehr geben - das sei eine "zwingend notwendige Maßnahme".
Keine Besuche mehr in Krankenhäusern - Sozialkontakte reduzieren
Auch Besuche in den Krankenhäusern im Land werden laut Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) generell verboten. Auch in Alten- und Pflegeheimen solle die Besuchszeit deutlich eingeschränkt werden, vermutlich auf eine Stunde pro Besucher am Tag.
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Bislang gebe es 3.000 Intensivbetten im Land, sagte Lucha. Man habe beschlossen, dass man diese Kapazitäten aufbauen wolle - etwa zur Beatmung von Patienten. Man denke auch daran, in bereits geleerten Krankenhäusern Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, um sie zur Behandlung des Virus zu nutzen.
Lucha rief die Bürger im Land auf, die eigenen Sozialkontakte soweit es geht um die Hälfte zu reduzieren. Großeltern sollten nicht mehr als Kinderbetreuer eingespannt werden.
Kretschmann: "Ausnahmesituation, wie wir sie noch nicht erlebt haben"
Es handle sich um eine "Ausnahmesituation, wie wir sie noch nicht erlebt haben", sagte Kretschmann in Stuttgart. Der Kern der Maßnahmen sei es, die Infektionsrate zu verlangsamen, damit eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden kann.
Lucha sprach von einem Paradigmenwechsel auch mit Blick auf flächendeckende Schulschließungen. "Wir müssen jetzt mal vor die Lage kommen. Wir müssen einmal schneller sein als das Virus und nicht immer auf das Virus und seine neue Zahl reagieren." Man müsse Zeit gewinnen und dann nach den Osterferien das Leben mit dem Virus organisieren. Es gebe gute Hinweise, etwa aus der Universität Tübingen, dass man in diesem Zeitraum vermutlich schon erste Medikamente für antivirale Behandlung zur Verfügung haben werde.