In der aktuellen Diskussion um das Corona-Krisenmanagement wird auch über eine Lockerung der Vorgaben für Hotels und Restaurants gestritten. Viele Baden-Württemberger wollen offenbar bald wieder Essen gehen und in Urlaub fahren: Eine Mehrheit (60 Prozent) im Land spricht sich für eine stufenweise Wiedereröffnung aus. Jeder Sechste (16 Prozent) möchte, dass Gaststätten und Hotels so schnell wie möglich wieder öffnen. Ein Fünftel (22 Prozent) fände es dagegen besser, wenn sie vorerst geschlossen blieben.
Gastgewerbe wichtiger Wirtschaftszweig in Baden-Württemberg
137.000 Frauen und Männer arbeiteten im vergangenen Jahr in Hotels und Gaststätten in Baden-Württemberg. Zusammen erwirtschafteten die knapp 31.000 Betriebe im Land im Jahr 2017 einen Umsatz von über zwölf Milliarden Euro. Seit mehr als sechs Wochen betragen die Umsätze annähernd Null.
Denn seit dem 17. März ist das Gastgewerbe in Baden-Württemberg stark eingeschränkt. Wegen der Corona-Verordnung des Landes bleiben Diskotheken, Restaurants und Gaststätten - bis auf Speisen und Getränke zum Mitnehmen - komplett geschlossen. Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze dürfen nur ausnahmsweise Gäste aufnehmen, zum Beispiel Dienstreisende.
Bislang keine Öffnungsperspektive
Der Sinn der anhaltenden Schließung ist einleuchtend: Auf Dauer den zur Pandemiebekämpung nötigen Abstand einzuhalten, dürfte während eines mehrstündigen Restaurantbesuchs schwerer fallen als bei einem Abstecher ins Kleidergeschäft. Durch die Schließung von Hotels werden außerdem Touristenströme unterbunden - und mit ihnen potentielle Infektionsketten, die sich durch das ganze Land ziehen. Daher haben die Unternehmen bei der ersten Lockerung der Corona-Maßnahmen Mitte April keinerlei konkrete Öffnungsperspektive erhalten - als größte einzelne Branche der Wirtschaft. Erst jetzt wird langsam ein Öffnungsplan erarbeitet.
Corona-Krise hat Gastgewerbe schon lange im Griff
Dabei bekommen viele Hotels und Gaststätten die Folgen von Corona schon weit länger zu spüren als anderen Branchen. Bereits vor dem Shutdown wurden viele Messen abgesagt, die für die Branche normalerweise Umsätze generieren - in Baden-Württemberg beispielsweise die Weltleitmesse für die Digitalisierung des Verkehrs IT Trans in Karlsruhe oder die Bildungsmesse Didacta in Stuttgart.
Für viele Betriebe geht es daher mittlerweile um die blanke Existenz: Dem Branchenverband Dehoga zufolge stehen in Baden-Württemberg 10.000 Unternehmen der Branche vor dem Ruin - jeder dritte Betrieb. Branchenkenner Wolfgang Fuchs von der Dualen Hochschule Ravensburg hält solche Warnungen in Baden-Württemberg für realistisch. Viele Ausgaben liefen für die Unternehmen weiter, wie Pachtzins, Strom und Versicherungen. Einnahmen gibt es allerdings keine.
"Ein Großteil der Unternehmen sind hier kleinere Betriebe und Familienbetriebe, mit weniger als zehn Mitarbeitern und Umsätzen von kleiner einer Million. Deren Kapitaldecke ist dünn. Viele von ihnen könnten in den Ruin abrutschen."
Branche geht auf die Barrikaden
Der Unmut, der sich daher in der Branche angestaut hat, entlädt sich bisweilen in kreativem Protest: Um auf die Schwere der Situation aufmerksam zu machen, haben Gastwirte bundesweit in vielen Innenstädten leere Stühle aufgestellt, darunter auch auf dem Ulmer Münsterplatz.
Der Dehoga fordert derweil einen eignen Rettungsfond für Gastronomen und Hoteliers, der zusätzliche Finanzhilfen an die Betriebe auszahlt. Bei der Landesregierung in Baden-Württemberg stößt er dabei auf offene Ohren: Tourismusminister Guido Wolf (CDU) plant Medienberichten zufolge offenbar, das Gastgewerbe mit einem Nothilfeprogramm im Umfang von 328 Millionen Euro zu stützen. Und auch der Bund springt den Gastwirten bei: Mitte April hat der Koalitionsausschuss der Bundesregierung beschlossen, die Mehrwertsteuer für Restaurants befristet auf sieben Prozent abzusenken. Für Hotelübernachtungen gilt bereits seit Jahren ein reduzierter Satz.
Branche verzeichnet Lobbyerfolge
Damit solche Lobbyerfolge ihre Wirkung voll entfalten können, braucht es jedoch noch etwas anderes: einen verbindlichen Öffnungstermin, auf den sich die Restaurants und Hotels vorbereiten können.
"Die entscheidende Frage ist: Wie lange dauert dieser Zustand noch? Wenn er noch mehrere Wochen und Monate andauert, werden wir ein Problem haben."
Ähnlich sieht das offenbar auch das baden-württembergischen Wirtschaftsministerium: Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat bereits einen Fahrplan erarbeitet, wie Hotels und Restaurants ab dem 4. Mai schrittweise wieder öffnen können - gemeinsam mit den Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Ob sie damit beim Treffen der Regierungsspitzen von Bund und Ländern kommende Woche punkten können, bleibt abzuwarten.
Was unabhängig von der Öffnungsdebatte klar ist: Die Talsohle der Krise haben die Gastronomen in Baden-Württemberg noch nicht erreicht. Denn die Menschen haben derzeit weniger Geld in der Tasche. Ob sie das in der nächsten Zeit verstärkt in Restaurants und Hotels tragen wollen, ist zweifelhaft.