Innenminister Thomas Strobl (CDU) kann aus Sicht der Opposition angesichts einer Geldauflage von 15.000 Euro keinesfalls im Amt bleiben. Strobl habe sich "freigekauft" vom Vorwurf, sich strafrechtlich relevant verhalten zu haben, sagte SPD-Innenpolitiker Sascha Binder am Freitag am Rande einer Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Polizei-Affäre.
Christoph Kehlbach aus der SWR Rechtsredaktion ordnet die Einstellung der Ermittlungen so ein:
SPD: Strobl hat Öffentlichkeit bewusst getäuscht
Man nehme bestürzt zur Kenntnis, dass Strobl nicht die Konsequenz ziehe, zurückzutreten. "Einer, der von sich sagt, er wäre für Deals nicht zu haben, macht selbst einen Deal - zu eigenen Gunsten", kritisierte Binder. Strobl habe die Öffentlichkeit mehrmals bewusst angelogen, was etwa das Angebot der Staatsanwaltschaft angehe. Der Minister sollte von selbst merken, dass er das Amt beschädige. Binder kritisierte auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der seinem Vize-Regierungschef Strobl in dem Fall zuvor den Rücken gestärkt hatte. Der Ministerpräsident habe nach elf Jahren im Amt den moralischen Kompass komplett verloren, sagte Binder.
Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch forderte nach Bekanntwerden der Geldauflage den Rücktritt von Innenminister Strobl.
Auch aus dem politischen Berlin kommen Stimmen, die Unverständnis für die ganzen Vorkommnisse zeigen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast (Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis), ging auch den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz an. Es sei bemerkenswert, dass Merz die Angelegenheit einfach laufen lasse. "Das ist keine regionale Geschichte. Es geht um die Innere Sicherheit im Südwesten. Dafür braucht es einen Innenminister, der seinem Amt moralisch und politisch gewachsen ist", erklärte Mast.
FDP fordert Entlassung Strobls
Auch von der FDP in Baden-Württemberg gibt es Kritik. "15.000 Euro sind richtig heftig, das ist nicht im Bagatellbereich", sagte die FDP-Abgeordnete Julia Goll. Am Samstag ergänzte sie: "Es hat sich leider gezeigt, dass der Innenminister nach wie vor überhaupt nicht hilfreich bei der Aufklärung der Sachverhalte ist. Jemand mit so vielen Erinnerungslücken ist als Minister schlicht nicht geeignet." Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, forderte Strobls Entlassung. Mit einem Verfassungsminister, der eine Straftat einräume, sei ein "Tiefpunkt in der politischen Kultur unseres Landes erreicht", schrieb er auf Twitter.
Nico Weinmann, FDP-Abgeordneter und Mitglied des Untersuchungsausschusses, forderte ebenfalls Strobls Rücktritt. Gegenüber dem SWR nannte er dessen Argument, es sei ihm bei der Weitergabe eines Schreibens an einen Journalisten um Transparenz gegangen, eine "rückwirkende Rechtfertigung eines offensichtlichen Fehlverhaltens".
Unverständnis von der Deutschen Polizeigewerkschaft
Besonders scharfe Kritik kommt auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Deren Landeschef Ralf Kusterer sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wäre Minister Strobl ein Auszubildender bei der Polizei, würde man sofort die Entlassung wegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung verfügen. Wäre Minister Strobl ein Polizeibeamter, würden die zuständige Dienststelle und das Innenministerium jetzt in einem Disziplinarverfahren die Entlassung prüfen." Kusterer warf Strobl vor, das Ansehen der Polizei zu schädigen.
Regierung stellt sich hinter Innenminister
Am Donnerstagabend hatte Strobl in der CDU-Fraktion erklärt, dass er eine Geldauflage von 15.000 Euro zahlen wolle, damit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Auch die CDU sprach sich für Strobls Verbleib im Amt aus. "Wir stehen zu Thomas Strobl", teilte CDU-Generalsekretärin Isabell Huber am Freitag mit. Strobl habe das Präsidium über ein Angebot der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens unter Geldauflage unterrichtet. Mit der Annahme dieses Angebots seit das Verfahren beendet und Thomas Strobl gelte als unschuldig, so Huber weiter. Der Innenminister mache einen "klasse Job für mehr Sicherheit in unserem Land".
Zuvor hatte sich bereits die CDU-Landtagsfraktion hinter Strobl gestellt, wie Fraktionschef Manuel Hagel am späten Donnerstagabend nach einer Fraktionssondersitzung in Stuttgart mitteilte. Im aktuellen "möglichen Sachverhalt" sehe die CDU-Landtagsfraktion "keinen Grund für einen Rücktritt", so auch die Fraktion in einer Pressemitteilung in der Nacht zum Freitag. Niemand habe ein Interesse, die grün-schwarze Koalition ins Wanken zu bringen, hieß es bereits vor der Sitzung aus der Fraktion.
Auch die Grünen im Landtag waren am Abend dazu bereit, den Innenminister zu stützen, wenn seine Partei zu ihm hält. Dementsprechend erklärte deren Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz, man arbeite seit mehr als sechs Jahren erfolgreich und vertrauensvoll mit Strobl zusammen, das werde man fortsetzen.
Geheimnisverrat und Verstoß gegen den Datenschutz
Innenminister Strobl ist unter Druck geraten, weil er in einer Affäre um sexuelle Belästigung in der Polizei ein Anwaltsschreiben an einen Journalisten weitergegeben hatte. Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den ranghöchsten Polizisten im Land, den Inspekteur der Polizei. Die Opposition wirft dem CDU-Politiker deshalb Geheimnisverrat und einen Verstoß gegen den Datenschutz vor.