Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker (beide Grüne) haben am Donnerstag markante Orte der Energiewende in Baden-Württemberg besucht. Während der Tour äußerten sich beide zur Zukunft der Energieversorgung im Land. Beide machten sich für einen Ausbau der Windenergie stark. Eine Rückkehr zur Atomenergie lehnte Kretschmann auch vor dem Hintergrund möglicher Versorgungsengpässe im Winter ab.
Teil der Tour: der Windpark Hohenlochen
Die Tagesreise durch den Westen Baden-Würtembergs führte den Ministerpräsidenten und Umweltministerin Walker zunächst nach Hausach (Ortenaukreis). Auch Justizministerin Marion Gentges (CDU) war vor Ort. Hier ist im vergangenen November der Windpark Hohenlochen eingeweiht worden. Der Park hat vier Windkraftanlagen auf rund 650 Metern Höhe. Laut Walker ist das eine beispielhafte Anlage, die 22.000 Menschen mit Ökostrom versorgen kann.
Kretschmann: "Wir brauchen Windräder ohne Ende"
Baden-Württemberg hinkt beim Ausbau der Windkraft hinterher. Für die kommenden Jahre ist die Zielvorgabe der Bau von bis zu 1.000 neuen Windkraftanlagen. Im ersten Halbjahr 2022 wurden nach Angaben des Bundesverbands Windenergie und des Fachverbands VDMA Power Systems nur fünf neue Windräder im Südwesten installiert.
Laut Walker ist aber nötig, in den kommenden Jahren mehr als 1.000 Windräder zu bauen. "Wir brauchen Windräder ohne Ende", sagte Kretschmann in Hausach. Im Schwarzwald werde das Landschaftsbild beeinträchtigt, deshalb sei er dafür, die Anlagen in Windparks zu konzentrieren. "Die Alternative ist, es gibt überhaupt keinen Schwarzwald mehr", sagte er mit Blick auf die Folgen des Klimawandels. Angesichts des Russland-Ukraine-Krieges sei der zügige Ausbau von Windkraft und Photovoltaik-Anlagen das Gebot der Stunde, so Walker. "Erneuerbare Energien sind der Schlüssel für Klimaschutz, für Unabhängigkeit von autokratischen Rohstofflieferanten und für Versorgungssicherheit".
Im Geothermiekraftwerk sagt Kretschmann der Atomenergie ab
In Bruchsal (Landkreis Karlsruhe) besichtigten Kretschmann und Walker das älteste Geothermiekraftwerk in Baden-Württemberg. Hier wird zur Energiegewinnung heißes Wasser aus 2.500 Metern Tiefe gefördert. Außerdem soll hier in Zukunft auch das Metall Lithium aus dem Boden gewonnen werden. Dieses wird beispielsweise für Batterien und den Bau von Elektroautos benötigt. Insbesondere Ministerpräsident Kretschmann hatte sich schon in der Vergangenheit für die Lithiumförderung in Baden-Württemberg stark gemacht. Der aktuell viel diskutierten Rückkehr zur Atomenergie erteilte Kretschmann eine Absage: "Diesen Weg wird Deutschland mit Sicherheit nicht mehr bestreiten", so der Ministerpräsident in Bruchsal. Kernenergie sei nicht nur eine "Hochrisikotechnologie" sondern auch ökonomisch nicht sinnvoll.
Früher AKW, heute Umspannwerk
Auf dem Programm der Tour von Kretschmann und Walker stand auch ein Besuch im ehemaligen Atomkraftwerk (AKW) Philippsburg (Kreis Karlsruhe). Seit 2019 wird hier nicht mehr Energie aus Kernkraft gewonnen. Auf dem Gelände des AKWs befindet sich aktuell ein Umspannwerk. Gleichstrom aus Norddeutschland wird hier zurück in Wechselstrom transformiert, mit dem die Region versorgt werden kann. Laut Kretschmann steht der Ort für die Energiewende wie kein anderer in Baden-Württemberg.
Kretschmann will Klarheit über Neckarwestheim II bis Jahresende
Um die Stabilität der Energieversorgung weiterhin zu sichern plant der Bund aktuell zwei Atommeiler, darunter auch das baden-württembergische Kernkraftwerk Neckarwestheim II, als Notreserve zu erhalten. Eigentlich sollte das Kraftwerk bis Jahresende vom Netz gehen. Über einen möglichen Notreservebetrieb soll laut Kretschmann bis Jahresende Klarheit herrschen. "Ich nehme an, dass diese Entscheidung im Dezember getroffen wird", so der Ministerpräsident. Später ergänzte er, dies sei eine alleinige Entscheidung des Bundes. "In atomrechtlichen Fragen haben wir keinerlei Kompetenz", so Kretschmann.