Es ist noch nicht lange her, da hieß es in der grün-schwarzen Koalition, bei diesem Haushalt werde es Heulen und Zähneklappern geben. Sowohl die Ministerien als auch die Kommunen könnten sich ihre teuren Wünsche abschminken. Von "finanzpolitischer Zeitenwende“ sprach Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), es werde wegen der miesen Wirtschaftsklage kaum Geld da sein, das man verteilen könne. Und das ausgerechnet im letzten Haushalt vor der Landtagswahl 2026.
Doch jetzt liegt der neue Entwurf auf dem Tisch und siehe da: Grüne und CDU nehmen auf den letzten Metern der Wahlperiode nochmal richtig Geld für Investitionen in die Hand. Sage und schreibe 3,3 Milliarden Euro. Damit kann die Koalition nun doch einen Großteil der Wünsche der Ministerien und der Kommunen erfüllen - muss aber auch Förderprogramme des Bundes kofinanzieren. Vor allem in Bildung und Innere Sicherheit fließen nochmal hunderte Millionen Euro - in die beiden Bereiche also, die bei Landtagswahlen eine große Rolle spielen können.
Mehr Polizei, mehr Lehrkräfte, mehr Staatsanwälte: Nicht nur Opposition und Steuerzahlerbund fragen sich: Woher kommt das frische Geld? Und warum war das nicht viel früher klar? Kritische Fragen kommen auch zu den tausenden neuen Stellen, die Grüne und CDU in der Verwaltung schaffen wollen. Und geht es dem Land nun doch wieder so gut, dass es sogar 45 Millionen Euro für das neue Elefantenhaus in der Stuttgarter Wilhelma aufbringen kann?
Nicht ausgegebenes Geld konnte auf neuen Etat übertragen werden
"Wir haben Schwein gehabt", sagte Bayaz am Dienstag in Stuttgart bei der Vorstellung des Entwurfs für den Haushalt für die Jahre 2025 und 2026. Das Werk hat ein Volumen von 136 Milliarden Euro. Anders als Anfang des Jahres erwartet fiel der Überschuss des Landes um fast 1,9 Milliarden Euro höher aus. Das Plus erklärt sich so: Zu Beginn eines Jahres überprüft das Ministerium, ob geplante Ausgaben auch tatsächlich getätigt wurden. Wenn zum Beispiel eine Landesstraße nicht gebaut werden konnte, kann das Geld wieder eingezogen werden. Durch dieses Verfahren entstehen sogenannte Reste von Geldern, die auf den nächsten Haushalt übertragen werden können.
Glück gehabt hat das Land auch beim Zensus. Baden-Württemberg erhält in den nächsten beiden Jahren 300 Millionen Euro mehr aus dem Länderfinanzausgleich, weil es beim jüngsten Zensus gut 600.000 Einwohnerinnen und Einwohner dazugewonnen hat.
Geholfen hat bei der Aufstellung des Haushalts auch, dass die Landesregierung wegen der schlechten Wirtschaftsaussichten 1,2 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen darf. Diese Ausnahme sieht die Schuldenbremse vor.
Finanzministerium suchte nach Geldquellen im eigenen Haushalt
Das Finanzministerium hat aber auch intensiv den eigenen Haushalt nach Geldquellen durchforstet. Dabei stieß es auf den Pensionsfonds. Das Land legt seit gut 15 Jahren zusätzlich Geld für die steigende Zahl der Pensionärinnen und Pensionäre zurück. Ende 2023 waren rund 11 Milliarden Euro in dem Fonds. Eigentlich sollten in den Jahren 2025 und 2026 fast 1,7 Milliarden Euro in den Fonds für die derzeit rund 151.000 pensionierten Beamtinnen und Beamte fließen. Doch Grüne und CDU beschlossen, die Zuführung deutlich zu drosseln und dadurch eine Milliarde Euro freizubekommen - sehr zum Ärger des Beamtenbundes.
Größerer finanzieller Spielraum als erwartet Grün-Schwarz will für neue Investitionen bei Pensionsfonds kürzen
Überall wird frisches Geld gebraucht, zum Beispiel für Fluthilfen und Hochwasserschutz, wie die aktuellen Überschwemmungen zeigen. Um neue Mittel zu mobilisieren, wollen Kretschmann und Co. nun die üppigen Zahlungen an den Pensionsfonds drosseln.
Kein weiteres Geld für Sondervermögen Stuttgart 21
Auch das Sondervermögen für Stuttgart 21 kam ins Visier des Finanzministeriums. Seit 2007/2008 zahlt das Land regelmäßig in diesen Fonds ein, um finanzielle Verpflichtungen Baden-Württembergs bei dem Milliarden-Bahnprojekt abzudecken. Derzeit sind noch gut 750 Millionen Euro in dem Topf, die wohl auch gebraucht werden. Nach Einschätzung des Verkehrsministeriums wird aber kein zusätzliches Geld mehr benötigt. Auch hier spart das Land - die genaue Summe war zunächst nicht bekannt.
Darüber hinaus will die Koalition die Zurückzahlung der Kredite, die man zur Überbrückung der Corona-Krise aufgenommen hat, stärker strecken. Das bringt laut Finanzministerium auch nochmal 210 Millionen Euro.
Sparbeiträge der Ministerien in Höhe von 500 Millionen Euro
Anders als ursprünglich geplant müssen die Ministerien nun doch nur 500 Millionen Euro einsparen und nicht eine Milliarde Euro. Bayaz sagte am Dienstag, da sich noch genügend Geldquellen aufgetan hätten, "muss man die Ressorts auch nicht unnötig quälen". Die ursprünglich vereinbarte Sparsumme hatte in den Ministerien denn auch für großen Unmut gesorgt. Zum Beispiel weigerte sich nach SWR-Informationen das Ressort von Innenminister und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU), den vorgesehenen Sparbeitrag von rund 100 Millionen Euro zu liefern. Auch die nun geplante Summe von etwa 50 Millionen Euro war ihm zu viel. Bayaz sagte nun, man habe vor allem bei Förderprogrammen, Reisekostenbudgets und der Beauftragung von externen Dienstleistern gekürzt. Das sei alles "zumutbar" gewesen und "gut zur Selbstbereinigung".
Haushalts-Zoff um neue Stellen und Mehrausgaben BW-Innenminister Strobl weigert sich zu sparen: "Brauche mehr Geld für Innere Sicherheit"
Weil doch mehr Geld da ist als gedacht, geht nun bei Grün-Schwarz das Gezerre los. Als erstes prescht der CDU-Innenminister vor. Er pocht auf ein teures Sicherheitspaket und weigert sich zu sparen.
Über eine Milliarde für Ganztag und Kliniken
Die größten Batzen bei den Ausgaben sind schon bekannt: Die Landesregierung greift den Kommunen in diesem und den beiden nächsten Jahren finanziell unter die Arme. So soll der Ganztag in der Grundschule ausgebaut werden - hier gibt das Land rund 700 Millionen Euro. Für die notleidenden kommunalen Kliniken soll es einen deutlichen Aufschlag geben - mindestens 300 Millionen Euro. Nur die stark gestiegenen Kosten für Flüchtlinge will die Regierung nicht mit Landesmitteln ausgleichen. Hier reiche man aber die Bundesförderung in diesem Jahr vollständig an die Kommunen weiter, in den kommenden Jahren dann nur noch 50 Prozent.
Investieren will die Landesregierung auch in die Innere Sicherheit. So sollen 650 neu ausgebildete Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden. Kostenpunkt 56 Millionen Euro. Das neue LKA-Rechenzentrum schlägt mit 55 Millionen Euro zu Buche.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) kann sich über weitere 500 Lehrerstellen freuen. Zudem ist schon länger klar, dass das Land für die Sprachförderung in Kita und Grundschule etwa 260 Millionen Euro ausgeben will.
Neue Stellen auch in der Justiz
Bei den neuen 3.100 Stellen betont das Finanzministerium, dass 90 Prozent im nachgeordneten Bereich geschaffen würden und nur 10 Prozent in den Ministerien. Um die neue Justizvollzuganstalt in Rottweil mit Personal auszustatten, werden 154 Stellen geschaffen. Die Staatsanwaltschaft erhält 68 neue Posten. Die neue Landesagentur für ausländische Fachkräfte soll mit 70 Stellen ausgestattet werden.
Kein Geld für Hermanns Mobilitätsgarantie
Mit dem Entwurf des Haushalts ist nun auch klar, dass Grün-Schwarz in dieser Wahlperiode kein Geld für die sogenannte Mobilitätsgarantie in die Hand nehmen wird. Der von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geplante Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs wird von der CDU vor allem wegen des Mangels an Busfahrern skeptisch gesehen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte nun, man wolle den Kommunen die Möglichkeit geben, über einen Mobilitätspass Geld für den Ausbau des ÖPNV einzunehmen. Insofern sei das Projekt "nicht gescheitert. Davon kann keine Rede sein". Allerdings hatten die Kommunen immer betont, ohne Investitionen des Landes sei eine solche Garantie nicht zu schaffen.
Die im Koalitionsvertrag geplante Garantie sieht vor, dass alle Orte in Baden-Württemberg von 5 Uhr früh bis Mitternacht mit dem ÖPNV erreichbar sein sollen. Eigentlich wollte das Land es bis 2026 schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt.
Finanzspritze für Elefantenhaus
Im Bauprogramm des Etats findet sich dafür die Anschubfinanzierung für das schon lange geplante Elefantenhaus in der Stuttgarter Wilhelma, die in Landesbesitz ist. Der Förderverein hatte 15 Millionen Euro eingesammelt, jetzt erklärt sich das Land bereit, die restlichen 45 Millionen Euro nach und nach zuzuschießen.