Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) warnt vor einer größeren finanziellen Schieflage der Kliniken. Ihr Chef Heiner Scheffold forderte am Sonntag in Stuttgart vom Bund ein Sofortprogramm, um die Versorgung zu gewährleisten. Gerichtet ist das Schreiben an Gesundheitsexperten in der Bundespolitik.
Corona-Ausfälle beim Klinikpersonal erschweren Versorgung
Scheffold verweist darauf, dass durch Corona-Fälle beim Personal die Behandlung von Patientinnen und Patienten eingeschränkt sei. Dies führe zu geringeren Einnahmen. Außerdem machten den Kliniken Preissteigerungen zu schaffen. Ein mittleres Szenario gehe von 640 Millionen Euro Mehrkosten aus. "Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsunternehmen können die Krankenhäuser ihre Preise nicht einfach erhöhen, wenn ihre Kosten steigen." Denn ihre Preise seien gesetzlich reguliert, so Scheffold. Die Reserven seien aber aufgebraucht.
Nach Auslaufen staatlicher Hilfe wieder Defizit Corona-Pandemie: Finanzielle Lage der Reutlinger Kreiskliniken weiter angespannt
Die Kreiskliniken Reutlingen haben im vergangenen Jahr ein Defizit von 6,8 Millionen Euro gemacht. Das wurde beim Jahresabschluss bekannt gegeben.
Warnungen der Krankenhausgesellschaft schon im Juli
Bereits im vergangenen Monat hatte die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft vor existentiellen Schwierigkeiten gewarnt. In ihrem sogenannten "BWKG-Indikator" hatte Vorstandschef Scheffold geschrieben, die größten Probleme der Kliniken seien der Fachkräftemangel, die Explosion der Sachkosten, die unzureichende Finanzierung der Pandemiefolgen und die Unsicherheit, wie sich die aktuellen Krisen weiterentwickeln.
Fachkräftemangel keine Theorie mehr
92 Prozent der Krankenhäuser, 88,6 Prozent der Reha-Kliniken und 93,4 Prozent der Pflegeeinrichtungen haben nach Angaben Scheffolds Schwierigkeiten, Pflegefachkräfte zu finden. Rund drei Viertel der Krankenhäuser und Reha-Kliniken hätten Probleme, freie Stellen im Ärztlichen Dienst neu zu besetzen.
Viele haben den Job gewechselt Kliniken in BW: OP-Termine verzögern sich durch Personalmangel
Die Krankenhausgesellschaft BW nennt den Fachkräftemangel "bittere Realität". Sie fordert deshalb, Pflegekräfte sollen sich nicht impfen lassen müssen - und kürzer in Quarantäne.
"Abstrakte Zahlen" wirken sich aus
Diese abstrakten Zahlen haben direkte Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen, betont der Chef der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft. Schon vor der Corona-Pandemie konnten die Krankenhäuser aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels 10 bis 15 Prozent der Krankenhausbetten nicht belegen. Aktuell liege der Durchschnitt der nicht belegbaren Betten bei 14,3 Prozent, Tendenz steigend.
Abteilungen geschlossen, Patientenzahl reduziert Krankenhausgesellschaft fordert Aufhebung von Quarantäneregeln
Dauerhafter Personalmangel und jetzt auch noch Urlaubszeit: Die Lage in Kliniken in BW spitzt sich zu. Eine Lockerung der Corona-Quarantäne für Beschäftigte wird stark diskutiert.
Rund ein Drittel der Betten nicht verfügbar
"In Einzelfällen werden uns Kapazitätsreduzierungen von über 30 Prozent gemeldet“, so BWKG-Vorstandschef Scheffold. Das habe konkrete Auswirkungen auf die Versorgung. So seien Verschiebungen von Operationen aktuell in vielen Kliniken an der Tagesordnung. Wenn nun noch steigende Infektionszahlen hinzukämen, entweder durch Corona oder auch eine Grippewelle, sei eine weitere Verschärfung der Situation abzusehen.