gelbe Gasleitung (Foto: SWR)

Vorsorge gegen drohende Engpässe

Wegen Energiekrise: Baden-Württemberg will runter vom Gas - Tuttlingen richtet Krisenstab ein

Stand

Baden-Württemberg bleibt im Krisenmodus. Nach zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie und einem halben Jahr Ukraine-Krieg heißt es angesichts eines drohenden Gasmangels: Energiesparen.

In Baden-Württemberg versuchen Verwaltung und Landesregierung, sich über drohende Engpässe bei der Gasversorgung abzustimmen und Ideen für das Gas-Sparen zu sammeln. Das Land plant eine eigene Kampagne, zu der der Städtetag einen Titel anregt: #BW geht vom Gas.

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Schließung von Spaßbädern im Winter?

Schon jetzt könne gespart werden, erklärte eine Vertreterin des baden-württembergischen Städtetags. Zum Beispiel könnte das mit Gas erzeugte Warmwasser in Rathäusern abgestellt werden. Auch in Schwimmbädern könnten Raum- und Wassertemperatur abgesenkt werden. Im Winter müssten Spaßbäder dann möglicherweise geschlossen werden, um Schwimmbecken für den Schul- und Vereinssport offen lassen zu können, sagte sie.

Auch über öffentliche Wärmehallen, wie sie in Ludwigsburg aktuell schon vorbereitet werden, müsse man nachdenken. Es sei absehbar, dass manche Menschen sich den hohen Gaspreis bis zum Winter nicht mehr leisten können.

Bundesbildungsministerin: Schulen unbedingt offen halten

Die Diskussion um Schließungen öffentlicher Einrichtungen weckt Erinnerungen an die Corona-Pandemie. Ein drohender Gasmangel dürfe auf keinen Fall dazu führen, dass Schulen geschlossen würden, betonte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in der "Rheinischen Post". Sie forderte, Bildungseinrichtungen zur kritischen Infrastruktur zu zählen.

Die Bundesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, sieht es ähnlich: Viele Schulen hätten bereits Energiesparkonzepte und gingen längst nachhaltig und verantwortungsvoll mit Energie um, so die GEW-Chefin. Viele Schulen seien aber auch marode, nicht energieeffizient gebaut oder saniert. Die Fenster seien kaputt oder ließen sich nicht richtig zum Stoßlüften öffnen, Heizungen müssten modernisiert werden, gab Finnern zu bedenken. Sie begrüßte, dass im "Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland" Schulen wie auch Privathaushalte zu den geschützten Kunden gehören, die auch in der Notfallstufe bevorzugt mit Gas versorgt werden.

Noch keine Angaben zu Schulschließungen in Baden-Württemberg

Aus dem Kultusministerium in Stuttgart heißt es auf Anfrage des SWR, im Moment könne noch keine Aussage zu eventuellen Schulschließungen gemacht werden. Über das Thema sei noch nicht beraten worden. Wenn es - wie in der Pandemie - auch eine Bundes-Notbremse wegen der Gasmangellage geben sollte, dann müsse das Land allerdings umsetzen, was in Berlin beschlossen werde. Im Moment sei aber alles noch "komplett spekulativ".

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Ostalbkreis trifft bereits Vorkehrungen

Manche Landkreise in Baden-Württemberg treffen schon Vorkehrungen für einen möglichen Gasmangel. Im Ostalbkreis will das Landratsamt im Falle einer Gasknappheit dafür sorgen, dass alle Städte und Gemeinden gleich behandelt werden. Eine Taskforce erarbeitet derzeit entsprechende Pläne.

Stadt Tuttlingen richtet Krisenstab ein

Die Stadt Tuttlingen hat einen eigenen Krisenstab eingerichtet. Man müsse damit rechnen, dass Gaslieferungen aus Russland komplett eingestellt werden könnten, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Mit dem Krisenstab wolle man auf alle Fälle vorbereitet sein und bereits jetzt den Gasverbrauch senken. Bereits beschlossen wurde, die Temperatur im Freibad abzusenken. Das Badewasser soll schrittweise statt mit einem Mix aus Gas und Sonne nur noch mit Sonnenwärme beheizt werden. Oberbürgermeister Michael Beck rief die Bevölkerung außerdem dazu auf, die Lage ernst zu nehmen und Geld für steigende Energiekosten zurückzulegen.

EnBW will Kraftwerksblock erst später stilllegen

Kohlekraftwerke sollen in Deutschland viele Gaskraftwerke ersetzen. Dafür haben Bundestag und Bundesrat nun grünes Licht gegeben. Der baden-württembergische Energieversorger EnBW will wegen des Ukrainekriegs und der Lage auf dem Gasmarkt die geplante Stilllegung des Blocks 7 des Rheinhafen-Dampfkraftwerks in Karlsruhe bis mindestens Ende 2023 aufschieben. Zusätzlich hat EnBW fünf Kohleblöcke, die sich in der Netzreserve befinden. Doch sieht der Konzern für ihren Einsatz Grenzen.

EnBW bereitet sich mit Hochdruck auf Winter vor

Aus technischen Gründen sei es nicht möglich, die fünf Kohleblöcke ununterbrochen zur Stromerzeugung einzusetzen, so eine Sprecherin des Energie-Unternehmens. Sie leisteten aber einen wichtigen Beitrag, um Einbrüche in der Systemstabilität abzufedern und die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten. Die EnBW arbeite aktuell mit Hochdruck daran, die Kohleblöcke des Konzerns in der Netzreserve und am Markt intensiv auf den Betrieb im Winter vorzubereiten.

Sorge vor Gasmangel auch beim Energieunternehmen Badenova

Sollte sich die Gasknappheit in Baden-Württemberg weiter zuspitzen, hätte dies schwere Auswirkungen auf die Unternehmen im Land. Im Netzgebiet des Energiedienstleisters Badenova wären dann etwa 60 Unternehmen betroffen, so Badenova-Vorstand Heinz-Werner Hölscher in der "Badischen Zeitung". Mit den Firmen bereite man sich gründlich auf den Fall vor. Es liefen schon viele Gespräche. "Im Ernstfall müssten wir als Netzbetreiber den Kunden mitteilen, wie stark sie ihre Leistung reduzieren müssen. Wir sind aber nur ausführendes Organ", sagte Hölscher. Das Vorgehen müsse bundes- und sogar europaweit abgestimmt werden, weil das Leitungsnetz über nationale Grenzen hinausreiche.

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