In Baden-Württemberg werden immer mehr Straftäterinnen und Straftäter auf freien Fuß gesetzt. Grund: Sie haben keinen Platz im Maßregelvollzug bekommen. Nach Angaben des Justizministeriums waren es 2020 insgesamt 6, 2021 schon 32 und in diesem Jahr bereits 20 Häftlinge.
Therapieplatz schwer zu bekommen
82 Drogenabhängige hofften Ende April auf einen Therapieplatz - davon hätten 75 voraussichtlich mehr als drei Monate gewartet. Ist diese Frist abgelaufen, können die Straftäter die Freilassung beantragen.
Wie viele davon in den nächsten Wochen oder Monaten tatsächlich auf freien Fuß kommen könnten, kann das baden-württembergische Sozialministerium nicht sagen: "Das hängt davon ab, wie viele dieser Inhaftierten einen Antrag auf Freilassung wegen überlanger Organisationshaftdauer stellen und wie dieser dann gerichtlich im Sinne des Antrags entschieden wird." Den Anträgen wird laut Ministerium von den zuständigen Gerichten in der Mehrzahl der Fälle entsprochen.
Nach Ausbrüchen in Weinsberg BW-Justizministerin fordert Ausbau des Maßregelvollzugs für suchtkranke Verurteilte
Immer wieder kommen in BW suchtkranke Verurteilte frei, weil im therapeutischen Maßregelvollzug kein Platz ist. Justizministerin Marion Gentges (CDU) dringt auf mehr Kapazitäten.
Politik sucht nach Lösungen
Unterdessen macht der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) die aus allen Nähten platzenden Psychiatrischen Zentren zur Chefsache. So kämpft er für die temporäre Nutzung des Heidelberger Ex-Gefängnisses "Fauler Pelz" für den Maßregelvollzug.
So berichtete SWR Aktuell am 22. März 2022 über den "Problemfall" "Fauler Pelz" in Heidelberg:
Vor dem Heidelberger Gemeinderat will er am kommenden Donnerstag die Bedeutung der dort geplanten 80 neuen Plätze in den nächsten drei Jahren erläutern. Ab Sommer 2025 soll der Gebäudekomplex im Besitz des Landes wieder geräumt werden, wenn Zentren neu gebaut oder erweitert worden sind.
Konflikt wegen dem Heidelberger "Faulen Pelz"
Sein härtester Gegner wird Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) sein, der nicht an eine Zwischennutzung, sondern angesichts von elf Millionen Euro Investitionen an eine Dauerlösung glaubt. Er will die Gebäude für die Expansion der Universität vorhalten. Die Geschäftsführerin des Zentrums für Psychiatrie (ZfP), Anett Rose-Losert, plädiert für eine Lösung angesichts der unterschiedlichen Auffassung zwischen Kommune und Land. "Man sollte sich an einen Tisch setzen und herausfinden, wie beide Seiten von den geplanten Investitionen am besten profitieren können."
Einige Projekte für Maßregelvollzug geplant
In Baden-Württemberg gibt es acht Zentren für Psychiatrie mit 1.000 Betten im Maßregelvollzug, die zu 130 Prozent belegt sind. Betten in Containern, Gemeinschaftsräumen und Gängen machen das möglich. Lücken schließen will das Land mit einem Neubau in Schwäbisch Hall (120 Plätze), einer neuen Forensik (70 Plätze) am einzigen Zentrum für Psychiatrie in Winnenden (Rems-Murr-Kreis), das dieses Angebot bislang nicht hat, sowie mit dem Ausbau der ZfP in Calw und Wiesloch (je 50 Plätze).