Der Umgang der Bundesregierung mit der gegenwärtigen Energiekrise ärgert die CDU in Baden-Württemberg. Laut dem Landeschef der Partei, Thomas Strobl, kommt "jeden Tag ein neuer Vorschlag, jeden Tag von jemand anderem". Das sei kein verlässliches Krisenmanagement und kein verlässliches Regieren, sagte Strobl der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
"Längst bräuchten wir einen nationalen Energiegipfel, um darüber zu sprechen, wie wir durch die nächsten Monate kommen". Es werde wertvolle Zeit vergeudet, so Strobl weiter.
Krisenpolitik ohne nachhaltige Wirkung
Die Krisenpolitik der Bundesregierung könne er in weiten Bereichen nicht nachvollziehen. "Die Erfindung des Tankrabatts, ohne jede nachhaltige Wirkung. Das 9-Euro-Ticket finden zwar viele gut, aber es ist ohne jeden nachhaltigen Effekt", so Strobl.
Auch die Gasumlage sei eine "unausgegorene Idee". Nachdem die Ampel den Gasverbrauch durch die Umlage teurer gemacht habe, solle es durch die Senkung der Mehrwertsteuer wieder etwas günstiger werden. Strobl rechnet damit, dass es für die meisten Haushalte am Ende des Tages trotzdem etwas teurer werde.
Strobl für zielgenaue Entlastungen
Zu den Entlastungspaketen der Ampel sagte Strobl, er halte die "Politik mit der Gießkanne" für falsch. Rentnerinnen und Rentner seien die ersten, an die man in der Krise denken müsse, wie sie über den Winter kommen. Er plädiere deswegen für zielgenaue Entlastungen und Hilfen.
"Hier gibt es viele Rentnerinnen und Rentner, die wirklich auf jeden Euro und jeden Cent schauen müssen."
Strobl zeigte sich "erstaunt, wie schnell man eine Umlage auf den Gasverbrauch aller privaten Verbraucher in Deutschland gelegt hat, um einer Handvoll Großunternehmen sehr schnell milliardenschwer helfen zu können". Er finde, eine gezielte Hilfe für diese Großunternehmen wäre besser gewesen als alle Gasverbraucher, den Mittelstand, die Familienbetriebe und die privaten Verbraucher in Haftung zu nehmen.
Strobl: Stadtwerke gehören auch unter Schutzschirm
Der CDU-Landeschef hält es für einen "schweren Fehler", dass die Regierung noch nicht an die Stadtwerke gedacht habe. "Die Stadtwerke gehören selbstverständlich unter den Schutzschirm. Also nicht nur an die Großen denken, sondern auch an die vielen kleinen Stadtwerke. Es hilft ja dem Verbraucher am Ende des Tages nichts, wenn das Stadtwerk nicht mehr liefern kann."
Energiekrise Fracking als Lösung für die Energieknappheit?
Mithilfe des Fracking-Verfahrens könnten Gasreserven aus Deutschland genutzt und so die Energieknappheit gemindert werden. Aber die Methode ist umwelttechnisch sehr umstritten.
Minister lehnt Gasförderung durch Fracking ab
Trotz der Energiekrise ist Innenminister Strobl strikt gegen die Förderung von Erdgas durch die Fracking-Technologie in Deutschland. "Fracking bringt uns für diesen und im Übrigen auch für den nächsten Winter ganz sicher gar nichts", betonte er. Zunächst müssten die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden und dann seien Probebohrungen nötig. "Ich würde mal sagen, bevor dann das erste Gas kommt, dauert es Jahre." Die Diskussion über Fracking, die vor allem die FDP führe, führe ins Nichts.
"Der Bodensee ist absolut tabu. Hände weg vom Bodensee."
Der CDU-Politiker hielt der FDP vor, ihr Eintreten für das Fracking sei sehr zum Nachteil Baden-Württembergs. "Denn die möglichen Gasvorkommen liegen vor allem im Nordosten des Bodensees. Aus dem Bodensee kommt aber für vier Millionen Menschen das Trinkwasser." Er sei froh, dass es den See zur Trinkwasserversorgung der Menschen gebe. "Das zu gefährden, kommt definitiv nicht in Frage", sagte Strobl.
Auch FDP-Abgeordneter vom Bodensee für Erdgasförderung
Zuletzt hatten Expertinnen und Experten und vor allem FDP-Politiker wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine empfohlen, mit Hilfe von Fracking Gas im Schiefergestein zu fördern. Auch der Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Bodensee, Klaus Hoher (FDP), erklärte, die Wiederaufnahme der Erdgasförderung könne bereits in wenigen Monaten die Versorgungslage stabilisieren und Wirtschaft und Gesellschaft spürbar entlasten. "Bevor Pleiten, Prekarisierung und Perspektivlosigkeit billigend in Kauf genommen werden, muss die Politik alle zur Verfügung stehenden Potenziale pragmatisch prüfen", so Hoher. Er bezog sich allerdings ausdrücklich auf eine Erdgasförderung entlang der Rheinschiene.
AKW-Laufzeiten verlängern
CDU-Landeschef Strobl hält längere Laufzeiten der Atomkraftwerke wegen der Energiekrise für unabdingbar und die Argumente dagegen für vorgeschoben. "Es hat mir nie eingeleuchtet, dass in der höchsten Not, mitten im Winter, Neckarwestheim II vom Netz genommen werden soll, obwohl es weiterlaufen und Strom erzeugen und uns damit helfen könnte, durch den Winter zu kommen." Es gehe darum, Neckarwestheim II einige Wochen oder allenfalls wenige Monate weiterlaufen zu lassen und nicht um einen Wiedereinstieg in die Atomenergie.
Strobl beklagte, es gebe "eine Reihe wirklich dümmlicher Argumente" gegen längere Laufzeiten, die auch von den Grünen kommen. So sei es Unsinn zu behaupten, der Beitrag von Neckarwestheim II zur Energieversorgung sei verschwindend gering. "Richtig ist: Neckarwestheim II hat im vergangenen Jahr 11,2 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Das ist rechnerisch der Strombedarf der Hälfte der baden-württembergischen Haushalte." Selbst in einem gedrosselten Betrieb sei die Leistung noch eine beachtliche Größenordnung.
Die Bundesregierung prüft derzeit in einem Stresstest mit Blick auf den kommenden Winter die Sicherheit der Stromversorgung. Auf dieser Grundlage will sie darüber entscheiden, ob die drei verbliebenen Atomkraftwerke, die eigentlich zum Jahresende abgeschaltet werden sollen, noch etwas länger laufen sollen.
Strom im Tausch gegen Gas aus Frankreich
Der CDU-Landeschef verwies darauf, dass für viele Baden-Württemberger auch der Strom-Grundversorgungstarif um über 30 Prozent im Schnitt ansteigen werde. Deswegen sei er der Meinung: "Alles, was Energie spart und alles, was sicher und günstig Energie produziert, hilft." Die französischen Nachbarn hätten kein Verständnis dafür, "dass wir Kraftwerke abschalten, die wir möglicherweise im Winter brauchen". Die Franzosen hätten wegen Instandhaltungsproblemen bei ihren AKW "ein sehr großes Stromproblem, wir haben ein Gasproblem". Strobl meinte deshalb: "Wir könnten möglicherweise den Franzosen mit Strom helfen und die Franzosen helfen uns dafür im Winter mit ihrem Gas."
SPD und FDP: verfehlte Energiepolitik der CDU
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warf dem CDU-Landeschef daraufhin vor, seine Partei sei viele Jahre ein "enormer Bremsklotz der erneuerbaren Energien" gewesen. Die CDU habe so die Abhängigkeit von ausländischen Versorgern weit größer gemacht, als sie sein müsse. "Und wem nun nichts anderes als Atomkraft einfällt, will auf die Fragen von heute eben immer noch Antworten von gestern geben", sagte Stoch.
Für die FDP erklärte der Landesvorsitzende Michael Theurer, die Ampel arbeite hart daran, "die Folgen der verfehlten Energiepolitik der CDU-geführten Bundesregierungen der letzten Jahre zu kompensieren". Die Gasumlage solle nur Gasimporteuren zugutekommen, die akut von der Insolvenz bedroht seien. "Bislang habe ich allerdings noch nichts davon gehört, dass die baden-württembergische EnBW oder ihre Tochterfirma VNG auf Kompensationszahlungen aus der Gasumlage ganz verzichten wollen."
BW-Umweltministerium ebenfalls gegen Fracking am Bodensee
Nach Innenminister und CDU-Landeschef Strobl hat sich auch das baden-württembergische Umweltministerium klar gegen die Förderung von Erdgas durch das sogenannte Fracking ausgesprochen. Am Bodensee als dem größten Trinkwasserspeicher des Landes komme Fracking nicht in Frage, sagte eine Sprecherin des Umwelt- und Energieministeriums dem SWR. Im Koalitionsvertrag habe sich die grün-schwarze Landesregierung gegen Fracking-Gas positioniert, zudem verbiete ein Bundesgesetz die Methode in Gebieten der Trinkwasserversorgung. In der nördlichen Bodenseeregion werden mögliche Gasvorkommen vermutet.