Im Moment des Triumphs an diesem denkwürdigen Tag im Bundestag umarmt Alice Weidel genau einen ihrer AfD-Fraktionskollegen. Es ist Markus Frohnmaier, der hinter ihr sitzt. Alle anderen bekommen lediglich einen Handschlag von der Kanzlerkandidatin, die gerade dank Friedrich Merz ihren wohl größten Erfolg im Parlament gelandet hat. Die AfD hat einem CDU-Antrag für eine schärfere Migrationspolitik zur Mehrheit verholfen. Was für SPD und Grüne ein Tabubruch ist, kommt für Weidel (45) und ihren Getreuen Frohnmaier (33) der Erfüllung eines lang gehegten Traums gleich. Die AfD ist ihrem Ziel, politisch mitzubestimmen, einen großen Schritt nähergekommen.
Frohnmaier greift Messerattacke von Aschaffenburg sofort auf
Einige Tage vorher, Markus Frohnmaier kommt nach Stuttgart zum Interview im SWR-Videopodcast "Zur Sache! intensiv". Eigentlich sollte sich Weidel als BW-Spitzenkandidatin den Fragen stellen, doch sie schickt ihren Statthalter in Baden-Württemberg. Frohnmaier war früher mal Weidels Pressesprecher, heute ist er Co-Vorsitzender in ihrem Heimatverband. Es ist der Tag der Messerattacke von Aschaffenburg, bei der ein 28-jähriger Afghane ein Kind und einen Mann ersticht. Frohnmaier greift die Tat sofort auf: "Das sind natürlich Zustände in diesem Land, die wünsche ich mir nicht mehr."
Dass die Rechtsaußen-Partei seit langem eine Wende in der Migrations- und Asylpolitik will, ist bekannt. Sie hat auch deshalb Zulauf in den Umfragen. Doch vor allem ihr Schlagwort "Remigration" sorgt für viel Kritik. Offiziell beschränkt sie sich nun auf die "Remigration von Personen ohne Bleiberecht". Doch wir wollen vor allem von Frohnmaier - wie von den Spitzenkandidatinnen- und Kandidaten der anderen Parteien - wissen, wie er Deutschland aus der Wirtschaftskrise befreien will. Ein Thema, das vielen Menschen unter den Nägeln brennt, auch weil sie Sorge um ihren Job haben.
Im SWR-Videopodcast "Zur Sache! intensiv" spricht er über:
- Die Rückkehr zu Atomkraft und russischem Gas
- Die Steuerpläne der AfD
- Sparmaßnahmen bei der Entwicklungshilfe
- Die Einhaltung der Schuldenbremse
- Die Änderungspläne der AfD beim Bürgergeld
AfD will Rolle rückwärts zu Atomkraft und russischem Gas
Schnell wird klar: Zwischen Weidel und Frohnmaier passt kaum ein Blatt Papier. Die etablierten Parteien hätten "Raubbau an unserem Wohlstand" betrieben, wettert Frohnmaier. Es sei endlich eine Veränderung nötig. "Das wird nur mit der AfD funktionieren." Als erstes müssten die hohen Energiepreise in Deutschland gesenkt werden. "Wir brauchen endlich wieder ein Zurück zu konventionellen Energieträgern. Das heißt, wir brauchen funktionierende Kernkraftwerke, wir brauchen auch Kohlekraftwerke." Deutschland müsse die Laufzeiten für Kohlekraftwerke verlängern und auch wieder russisches Gas über die Pipelines Nord Stream beziehen, fordert der AfD-Co-Vorsitzende in Baden-Württemberg. "Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass wir Nord Stream wieder in Betrieb nehmen." Erneuerbare Energien seien nicht wettbewerbsfähig.
Als Konsequenz auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat Deutschland die Inbetriebnahme der zweiten Gaspipeline Nord Stream 2 gestoppt. Kurz danach floss auch kein Gas mehr durch Nord Stream 1 nach Deutschland. Die AfD plädiert für einen völlig anderen Umgang mit Russland unter Präsident Wladimir Putin. Die Rechtsaußen-Partei will die Wirtschaftssanktionen gegen Moskau aufheben.
Nicht nur wegen ihrer russlandfreundlichen Haltung will keine der etablierten Parteien mit der AfD eine Koalition bilden. Es wird darauf verwiesen, dass die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt sie als gesichert rechtsextremistisch. In den Umfragen liegt die AfD aber im Schnitt bei knapp über 20 Prozent und damit auf Rang zwei hinter der Union und klar vor SPD und Grünen.
AfD will massiv Steuern senken
Um die Wirtschaft anzukurbeln, will die AfD außerdem auf breiter Front die Steuern senken. So sollen die Einkommensteuer für Familien mit Kindern, Körperschafts- und Gewerbesteuer für Unternehmen gesenkt werden. Darüber hinaus soll die Grunderwerbs- und die Erbschaftsteuer abgeschafft werden. SPD und Grüne kritisieren immer wieder, dass die AfD vor allem Reiche entlasten wolle. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln beziffert die durch die AfD-Pläne entstehenden Haushaltlöcher auf 149 Milliarden Euro. Der höchste Wert unter den Parteien.
Frohnmaier will bei Entwicklungshilfe sparen
Woher soll das Geld für diese Entlastungen kommen? Frohnmaier sieht im Bundeshaushalt viel Sparpotenzial, vor allem bei der Entwicklungszusammenarbeit. "Das sind jährlich rund 32 Milliarden Euro, die wir durch die Welt verteilen. Die Effektivität ist mehr als fraglich." Das SPD-geführte Bundesentwicklungsministerium widerspricht: "Der Etat des Entwicklungsministeriums beträgt nicht 32 Milliarden Euro, sondern 11 Milliarden Euro. Und wir reden hier über Geld, das Leben rettet und Ziele verfolgt, die Deutschland niemals alleine erreichen könnte: den Klimawandel aufhalten, Pandemien verhindern, Fluchtursachen mindern."
Die unterschiedlichen Zahlen erklären sich folgendermaßen: Die gesamtstaatlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe sind deutlich höher. Sie lagen 2023 bei gut 35 Milliarden Euro. Dazu zählen laut Ministerium auch Ausgaben der Bundesländer sowie "Kosten, die hier in Deutschland anfallen, etwa für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen und für die Bereitstellung von Studienplätzen für Studierende aus Entwicklungsländern".
Was bringt der Bau von Toiletten in Afrika?
Frohnmaier hält vieles davon für überflüssig. Im Interview nennt er als Beispiel: "Ich glaube nicht, dass wir Toiletten in der Sahara subventionieren müssen." Dem Ministerium (BMZ) in Berlin ist nach Worten einer Sprecherin nicht klar, worauf sich die Behauptung bezieht. "2013 wurden mit Unterstützung des BMZ Toiletten an vier Grundschulen in Niger gebaut, dafür standen 18.000 Euro zur Verfügung." Womöglich sei das gemeint. Grundsätzlich seien der Bau von Toiletten aber ein gutes Beispiel, wie mit relativ geringem Aufwand große Wirkung erzielt werden könne. Dadurch breiteten sich weniger Krankheiten aus und die Lebensqualität der Menschen werde erhöht. "Solche positiven Effekte auf unserem Nachbarkontinent Afrika sind auch in unsrem Sinne; (...) schlechte Lebensbedingungen können Flucht und Bürgerkriege verstärken."
Der AfD-Politiker sieht das anders und führt aus: "Ich glaube auch nicht, dass wir gendersensible Männerarbeit in Nicaragua bezahlen müssen." Das Entwicklungsministerium verweist darauf, dass die Evangelische Kirche dieses von der Bundesregierung geförderte Projekt verantwortet und 2022 beendet habe. Bei der "gendersensiblen Männerarbeit" gehe es darum, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Frohnmaier hält diese Projekte für sinnlos. "Ich baue viel lieber in Deutschland funktionierende Schulen und Kindergärten und möchte eigentlich nicht für irgendwelche Gesellschaftsexperimente durch die Welt Geld bezahlen."
AfD will Schuldenbremse einhalten mit Kürzungen für Migranten
Die AfD will demnach auch an der Schuldenbremse im Grundgesetz festhalten. "Wir können die Schuldenbremse einhalten. Die ist für uns natürlich ganz wesentlich, wenn wir endlich damit beginnen, das Geld nicht weiter mit beiden Händen durch die Welt zu verteilen", sagte Frohnmaier. Weitere Sparmaßnahmen könnten aus seiner Sicht der Wegfall der Milliarden-Hilfen für die Ukraine sein. Zudem dürften Ukrainer auch kein Bürgergeld bekommen. Darüber hinaus koste die irreguläre Migration Deutschland viele Milliarden Euro.
Frohnmaier gegen "Nanny-Staat" und "soziale Hängematte"
Der AfD-Politiker plädiert zudem dafür, dass die Menschen in Deutschland wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen müssten. Die etablierten Parteien hätten dafür gesorgt, "dass es in manchen Kreisen eine Art Bedien-Mentalität gibt. Dass Leute denken, dass der Staat ungefähr alle Aufgaben für sie mit übernehmen müsste. Ich wünsche mir aber keinen Nanny-Staat, der alle Lebensbereiche regelt."
Die AfD wolle das Bürgergeld durch eine "aktivierende Grundsicherung" ersetzen. Dadurch soll mehr Druck gemacht werden, damit die Hilfsempfänger schneller eine Arbeit aufnehmen - im Zweifel auch "eine Art Dienst an der Allgemeinheit". Damit wolle man deutlich machen, "dass es in Deutschland nicht weiter eine soziale Hängematte gibt".
Das Interview wurde am 22. Januar 2025 geführt.