Winfried Kretschmann (l), Ministerpräsident in Baden-Württemberg, und Robert Habeck (beide Bündnis 90Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, unterhalten sich zu Beginn der Bundesratssitzung. Der Bundesrat entscheidet über Finanzierung zum Neun-Euro-Ticket.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm)

Nach Zustimmung im Bundestag

Das 9-Euro-Ticket kommt - Länder scheitern mit zusätzlicher 1,5 Milliarden Euro-Forderung

Stand

Fahrgäste können von Juni bis August für neun Euro pro Monat in ganz Deutschland den Regionalverkehr nutzen. Das Go dafür hat der Bundesrat heute gegeben.

Nach dem Bundestag hat jetzt auch der Bundesrat für das 9-Euro-Ticket gestimmt. Damit können Fahrgäste für neun Euro pro Monat in ganz Deutschland den Regionalverkehr nutzen. Es ist für die Monate Juni, Juli und August erhältlich. Die Deutsche Bahn will es ab Montag verkaufen.

Einige Verkehrsverbünde haben das Ticket schon im Angebot. In Stuttgart und Freiburg etwa ist die Nachfrage bereits sehr groß, wie die Verkaufszahlen belegen. In Stuttgart etwa wurden innerhalb von fünf Tagen rund 23.000 Tickets verkauft. Bei der Aktion geht es nicht nur um eine Entlastung wegen der hohen Spritpreise. Das 9-Euro-Ticket soll generell mehr Menschen zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel bewegen.

Was spricht für einen Kauf des 9-Euro-Tickets - und was dagegen? Eine Umfrage vor dem Werkstor von Mercedes-Benz in Stuttgart:

Länder fordern weitere 1,5 Milliarden Euro

Zusammen mit Verkehrsverbünden und Unternehmen müssen die Bundesländer das Vorhaben nun umsetzen. Die Bundesregierung stellt dafür 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Dazu kommen 1,2 Milliarden Euro für einen erneuten pandemiebedingten Rettungsschirm. Die Länder hatten zuvor weitere 1,5 Milliarden Euro angesichts gestiegener Energie- und Personalkosten gefordert, konnten sich aber nicht durchsetzen.

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Kretschmann fordert mehr Geld vom Bund

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert weiterhin mehr finanzielle Unterstützung vom Bund. Er hatte sich kurz vor der Entscheidung des Bundesrats zum 9-Euro-Ticket geäußert. Man werde dem 9-Euro-Ticket zustimmen. Überzeugt sei er davon aber nicht.

"Wenn man denkt, man kann ohne vorher mit uns zu reden, uns einfach Gesetze vortischen, denen wir dann zustimmen sollen - da muss ich schon eine klare Ansage machen: So wird es nicht weitergehen."

Bereits am vergangenen Dienstag sagte Kretschmann, dass das 9-Euro-Ticket die grundsätzlichen Finanzierungsprobleme des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) nicht lösen werde. Die zugesagten zweieinhalb Milliarden Euro seien nicht ausreichend, so Kretschmann.

Das Verhältnis zum Bund sei inzwischen belastet. "Wenn man sowas macht, muss man das auch ausfinanzieren." Und weiter: "Es hat doch keinen Sinn, Strohfeuer zu entfachen und nachher bricht es wieder ein." Er wünsche sich eine längerfristige Perspektive.

Wirksame Werbemaßnahme für Umstieg auf ÖPNV

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte in der Sitzung der Länderkammer am Freitag: "Das 9-Euro-Ticket ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance, neue Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen."

Zuvor hatte Hermann sogar mit einer Blockade im Bundesrat gedroht, falls der Bund nicht auf die Forderungen der Länder eingehen sollte. Baden-Württemberg habe jetzt aber doch zugestimmt, weil man weiterhin hinter der Idee des 9-Euro-Tickets stehe. Man habe die Hoffnung, dass mehr Leute vom Auto auf den ÖPNV umsteigen.

Trotzdem müsse aber auch auf die Risiken hingewiesen werden, so Hermann. Es könne auch abschreckend wirken, wenn Menschen, die zum ersten Mal den ÖPNV nutzen, am Bahnsteig stünden und nicht mitgenommen würden, weil der Zug schon voll sei.

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Hermann: Finanzierungsprobleme im ÖPNV nicht gelöst

Hermann betonte zugleich, dass ungeachtet der 2,5 Milliarden Euro, die der Bund für das 9-Euro-Ticket bereitstellt, die Finanzierungsprobleme im Öffentlichen Nahverkehr nicht gelöst seien. Die Länder brauchten deutlich mehr Regionalisierungsmittel, um das Angebot für die Fahrgäste im ÖPNV und vor allem im regionalen Bahnverkehr dauerhaft zu verbessern.

Diese zusätzlichen Mittel seien auch erforderlich, weil die Kosten für Personal und Energie im ÖPNV drastisch gestiegen seien, so der Verkehrsminister. Deshalb sei es auch wichtig, dass Bund und Länder gemeinsam die bereits entstandenen Belastungen infolge der stark zurückgegangenen Fahrgastzahlen in der Pandemie und infolge höherer Energiepreise mit einem weiteren ÖPNV-Rettungsschirm abfingen.

Weitere: Reaktionen auf das Ticket: "Schönes Zeichen" und "Experiment"

Neben Hermann fordert auch die CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg von der Bundesregierung dauerhaft mehr Mittel für den Ausbau des ÖPNV. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Jung, bezeichnete das 9-Euro-Ticket als "schönes Zeichen zur Entlastung der Bürger". Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht im 9-Euro-Ticket ein großes Experiment im Nahverkehr. Auf den Hauptstrecken in Baden-Württemberg, etwa von Stuttgart an den Bodensee, könne es eng werden, so der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb gegenüber dem SWR. Die entscheidende Frage sei, ob es tatsächlich gelinge, Menschen in Busse und Bahnen zu locken, die den ÖPNV bislang nicht nutzten.

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SWR