Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, befürchtet, das Verschwörungsgläubige im Umfeld der Corona-Demonstrationen in den Extremismus abdriften. Dem Nachrichtenportal "Watson" sagte Blume, "ich glaube leider, dass in den nächsten Jahren die Radikalisierung weitergeht. Dass wir Gewalt und möglicherweise auch Terror erleben werden."
Kritik an Politik und Sicherheitsbehörden
Politikerinnen und Politikern sowie Sicherheitsbehörden wirft Blume in Teilen Naivität vor. "Ich erlebe immer noch", so Blume, "dass Politiker meinen: Ja, aber man kann doch vernünftig miteinander reden. Und ich muss dann erklären: Nein. Bei denjenigen, die tief im Verschwörungsglauben versinken, setzt die Vernunft aus. Dann hat man es mit Menschen zu tun, die Zuwendung und Freundlichkeit anderer als Schwäche empfinden - und sich dadurch sogar noch bestätigt fühlen."
Vizeregierungschef von Bayern soll sich zur Wissenschaft bekennen
Den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der seine Impfskepsis öffentlich gemacht hatte, forderte Blume auf, nicht weiter wissenschaftliche Erkenntnisse zu leugnen: "Ich würde Herrn Aiwanger dringend dazu aufrufen, dass er sich als stellvertretender Ministerpräsident entweder zur Wissenschaft bekennt - oder Konsequenzen für sich zieht. Ein öffentliches Amt sollte in Deutschland nicht mit Wissenschaftsleugnung vereinbar sein."
Verfassungsschutz beobachtet "Querdenken"-Szene
Auch der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat die Szene im Blick: In seinem Bericht 2020 haben die zuständigen Behörden im Juli erstmals auch die Initiative "Querdenken 711" aufgeführt, die regelmäßig gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Sie wird seit Ende vergangenen Jahres vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet und seit diesem Jahr auch bundesweit. In dem Bericht heißt es im Vorwort von Innenminister Thomas Strobl (CDU): "Praktisch von Anfang an hat der Verfassungsschutz dabei eine unheilvolle Allianz von 'Reichsbürgern' und 'Selbstverwaltern', Verschwörungsideologen sowie Rechtsextremisten beobachtet, die sich auf diesen Veranstaltungen zusammenfanden, um - zumindest vordergründig - gegen die staatlichen Maßnahmen zu demonstrieren."
Weniger linksextreme und rechtsextreme Gewalttaten BW-Verfassungsschutzbericht: "Querdenken"-Bewegung erstmals aufgelistet
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf den Extremismus in Baden-Württemberg ausgewirkt? Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor. mehr...
Die anfängliche Kritik an den Corona-Maßnahmen sei im Lauf der Zeit zunehmend einer grundsätzlichen Staatsfeindlichkeit gewichen, heißt es weiter. Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube erklärte damals, so solle gezielt das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben werden. "Es geht nicht nur um Gewalttaten und Straftaten, sondern es geht auch um ein Klima, das geschaffen wird in einer Gesellschaft. Und da ist das Thema Staatsfeindlichkeit ein Thema, was uns wirklich mit Sorge erfüllen muss", so Bube.