Bei Gewittern in der Nacht auf Montag sind in Baden-Württemberg mehrere Häuser durch Blitzeinschläge in Brand geraten. In der Folge kam es zu Feuerwehreinsätzen. In Freiburg brach ein Feuer in einer Kita aus. Auch dort könnte ein Blitzeinschlag die Ursache gewesen sein:
Blitzableiter gelten als Schutz vor solchen Unglücken - doch sie scheinen dieser Tage auf Häuserdächern immer seltener zu werden. Zahlen gibt es dazu keine - weder der Landesfeuerwehrverband noch das Statistische Landesamt erfassen die Zahl der in Baden-Württemberg verbauten Blitzableiter.
Ingenieur: Blitzschutzanlagen sind sinnvoll
Entspricht das Verbauen von Blitzableitern überhaupt noch dem Stand der Technik? "Auf jeden Fall", antwortet der freiberufliche beratende Ingenieur Ludger Niermann aus Nürtingen (Kreis Esslingen). "Eine Blitzschutzanlage schützt ein Gebäude und alle Menschen und Elektrogeräte darin - wenn sie richtig errichtet ist", so der Ingenieur. "Ihr Haus wird dadurch zum Faradayschen Käfig", erklärt er, "die Spannung wird ohne Gefahr an die Erde abgegeben."
Könnte ein Blitzableiter im Zweifel auch Blitze anziehen? "Angenommen, alle umliegenden Gebäude wären gleich hoch und der Blitzableiter Ihres Hauses wäre der höchste Punkt - dann ja", sagt Niermann. "Aber er würde Sie ja trotzdem schützen." Ganz grundsätzlich stuft der Ingenieur Blitzschutzanlagen bei Privathäusern als sinnvoll ein. Das Risiko eines Blitzeinschlags sei jedoch von Region zu Region unterschiedlich.
Baden-Württemberg hat laut Blitzatlas hohe Einschlagsdichte
Laut dem "Blitzatlas" der Firma Siemens schlugen 2018 in Baden-Württemberg 62.673 Blitze ein - im Schnitt also 1,8 Blitze pro Quadratkilometer. Damit lag das Land auf Platz drei im Länder-Ranking nach Blitzdichte und wurde darin nur noch von Rheinland-Pfalz und dem Saarland übertroffen. 2019 war Baden-Württemberg das Bundesland mit der siebthöchsten Blitzdichte in Deutschland: Im Schnitt schlugen pro Quadratkilometer 0,88 Blitze ein. Die blitzreichste Stadt in Baden-Württemberg war 2020 Schwäbisch Hall mit 4.283 Blitzen, die in einer Dichte von 2,9 Blitzen je Quadratkilometer niedergingen.
Aber werden heutzutage tatsächlich weniger Blitzableiter verbaut als früher? "Nein, ganz im Gegenteil: Aufgrund neuer Bauvorschriften werden bei uns mehr Blitzschutzanlagen verbaut als je zuvor", sagt Jürgen Winter, Seniorchef der Firma Kraus + Kübrich Blitzschutzbau aus Langenau (Alb-Donau-Kreis). Allerdings beträfen die Vorschriften vor allem öffentliche Gebäude wie Schulen und Kindergärten, ab einer gewissen Größe auch Firmen, so Winter.
Warum private Häuslebauer beim Blitzschutz zurückhaltender sind
Private Häuslebauer und -bauerinnen seien in puncto Blitzschutz etwas zurückhaltender, wobei Winter Frauen in Durchschnitt ein höheres Sicherheitsbedürfnis im Bereich Blitzschutz attestiert. "Vorgeschrieben sind die Anlagen aber nicht", sagt der Seniorchef. "Viele wollen sich deshalb die Kosten sparen, vor allem, wenn beim Bauen das Geld knapp wird." Die Kosten für eine Blitzschutzanlage belaufen sich laut Winter bei einem Einfamilienhaus auf einen Betrag von 3.500 bis 4.000 Euro. Insbesondere um teure Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern zu schützen, nähmen Bauherrinnen und -herren das Geld lieber in die Hand.
Für welche Gebäude eine Pflicht gilt
Laut Landesarchitektenkammer ist in der Landesbauordnung geregelt, dass Anlagen, die besonders blitzgefährdet sind oder bei denen Blitzschlag zu schweren Folgen führen kann, Blitzschutzanlagen benötigen. Darunter fallen einerseits besonders hohe oder hoch gelegene Immobilien, aber auch Gebäude, in denen sich viele Menschen aufhalten, wie Krankenhäuser, Bahnhöfe und Kirchen, aber auch Gebäude mit hohem kulturellem Wert wie Museen, Archive und Denkmäler.
In der Wirtschaft sind Blitzschutzanlagen für Industrie- und Gewerbebetriebe vorgeschrieben, die mit brand- oder explosionsgefährlichen Stoffen arbeiten oder in denen sich generell hohe Brandlasten befinden, ebenso für landwirtschaftliche Betriebe, insbesondere mit Tierhaltung.
"Es bleibt die freie Entscheidung des Bauherrn, ob und inwieweit er über eine möglicherweise bestehende bauordnungsrechtliche Verpflichtung hinaus die Kosten einer Blitzschutzanlage in Kauf nehmen möchte", antwortet Claudia Knodel von der Landesarchitektenkammer Baden-Württemberg auf SWR-Anfrage. "Dabei ist möglicherweise zu berücksichtigen, dass auch privatrechtlich beziehungsweise versicherungsrechtlich eine Blitzschutzanlage notwendig sein mag."
Welche Versicherung bei einem Blitzeinschlag zahlt
Und welche Versicherung zahlt, wenn ein Haus tatsächlich von einem Blitz getroffen wird? Laut Württembergischer Gemeinde-Versicherung (WGV) ist für Gebäudeschäden die Wohngebäudeversicherung zuständig, bei Schäden am Hausrat, worunter zum Beispiel Elektrogeräte fallen, ist es die Hausratsversicherung. "Schäden am Blitzableiter sind im Rahmen der Wohngebäudeversicherung über die Gefahr Feuer mitversichert, da es sich um einen Gebäudebestandteil handelt", schreibt Torsten Widmann von der WGV in seiner Antwort auf eine Anfrage des SWR. Auch ein Schaden am Blitzableiter bleibt also nicht zwangsläufig am Eigentümer oder der Eigentümerin hängen.