Rolf Gassmann (Mieterbund Baden-Württemberg) (Foto: IMAGO, IMAGO / Ralph Peters)

Neue Mietstatistik veröffentlicht - Wohnen wird immer teurer

Mieterbund in BW: Die Grenze der Belastungsfähigkeit ist längst überschritten

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INTERVIEW
Jenny Beyen

Wohnen wird immer teurer. Das belegen die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Der Vorstand des Mieterbundes und Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart, Rolf Gaßmann, fordert deshalb Konsequenzen von Seiten der Politik.

Angesichts der Entwicklung am Wohnungsmarkt fordert Rolf Gaßmann ein Einschreiten der Politik. Schließlich habe sich die Mietpreisbremse als wirkungslos erwiesen, um gegen überhöhte Mieten vorzugehen. Es brauche dringend weitere Instrumente. Allerdings sieht Gaßmann dabei vor allem eine Partei als Bremser.

SWR Aktuell: Rolf Gaßmann, haben Sie die heutigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes überrascht?

Rolf Gaßmann: Also, mich haben die Zahlen über die Mietbelastung nicht überrascht, weil wir seit Jahren wissen, dass viele Mieter an der Grenze zur Belastungsfähigkeit sind, beziehungsweise bei vielen ist die Grenze längst überschritten. Ich treffe ja im Mieterverein über 70-jährige Damen, die nebenher noch putzen gehen, damit sie sich die Wohnung leisten können, obwohl sie schon längst in Rente sind.

SWR Aktuell: Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK spricht anlässlich dieser Zahlen von einer dramatischen Lage für Mieterinnen und Mieter. Das klingt jetzt bei Ihnen so, als würden Sie dem zustimmen?

Gaßmann: Ja, ich würde sogar sagen, die Lage ist noch dramatischer, weil diese Zahlen, die heute veröffentlicht wurden, nur zeigen, wie die reine Kaltmiete die Mieter belastet. Sie sagen nichts über die verbrauchsabhängigen Betriebskosten aus. Und da rechnen wir inzwischen auch nach der Energieexplosion der Preise mit vier bis fünf Euro pro Quadratmeter, die zusätzlich zu diesen acht bis neun Euro, die durchschnittlich bezahlt werden, noch anfallen.

SWR Aktuell: Dass Mieten vor allem in Großstädten teilweise unverschämt hoch sind, ist ja schon seit vielen Jahren bekannt. Dafür gibt es auch rechtliche Vorgaben, wie zum Beispiel die Mietpreisbremse. Warum wird die Situation der Mietpreise trotzdem jedes Jahr schlimmer?

Gaßmann: Der Wohnungsmarkt ist ja so eng, dass derjenige, der die Wohnung nach längerem Suchen bekommen hat, sich in der Regel nicht traut, nun auch noch eine Herabsetzung des Mietpreises mittels der Mietpreisbremse zu verlangen. Zumal die Mietpreisbremse leider viele Ausnahmen hat.

Unsere Forderung ist in diesem Zusammenhang, dass die Möglichkeiten, gegen überhöhte Mieten vorzugehen, endlich wieder rechtlich geschaffen werden müssen. Es fehlt aber eine vernünftige gesetzliche Grundlage, nämlich dass der Paragraf fünf des Wirtschaftsstrafgesetzes wieder gangbar gemacht wird. Da gibt es einen Bundesratsbeschluss. Die Bundesländer wollen dieses auch, nur die FDP verweigert das im Bundestag, so dass Mietwucherer frei schalten und walten können und damit die Mieten in die Höhe treiben.

SWR Aktuell: Wenn Sie sagen, dass es mehr rechtliche Vorgaben braucht, wie viel Druck machen Sie denn als Deutscher Mieterbund Baden-Württemberg bei der Bundesregierung?

Gaßmann: Wir machen Druck bei der Bundesregierung. Wir haben zahllose Gespräche gehabt mit Fragen an die Regierungsparteien. Allerdings ist es so, dass wir von der FDP nur die kalte Schulter gezeigt bekommen. Wenn ich FDP-Abgeordnete anschreibe, wie schlimm die Situation ist, kriege ich nicht mal eine Antwort. Ich kriege noch nicht mal eine Eingangsbestätigung. Das heißt also, das interessiert den einen Koalitionspartner offensichtlich nicht. Wir haben auch schon Demonstrationen deswegen gemacht und wir werden dieses auch weiterhin machen. Wir werden gegen diesen Missstand kämpferisch vorgehen.

SWR Aktuell: Aber würden Sie sagen solange die FDP mit an der Bundesregierung beteiligt ist, wird sich für Mieterinnen und Mieter in Deutschland nichts verbessern.

Gaßmann: Wir befürchten das. Aber zumindest bin ich immer ein bisschen Optimist, auch weil ich die Erfahrung gemacht habe, wenn der Druck größer wird, dass dann neue Einsichten erfolgen.

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Jenny Beyen