Wie viel ist ein Verbot wert, wenn bei Verstößen dagegen keine Strafe fällig wird? Diese Frage lässt sich beim sogenannten Beleuchtungsverbot für Fassaden stellen - eine Regelung, die nach Einschätzung des BUND-Landesverbands Baden-Württemberg "landesweit zu wenig Beachtung findet". Darum geht es: Seit Dienstag ist es in Baden-Württemberg bis Ende September wieder rund um die Uhr verboten, die Fassaden von Gebäuden zu beleuchten. Von Oktober bis Ende März gilt das Verbot nachts zwischen 22 und 6 Uhr. So steht es in Paragraf 21 des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes.
Licht aus an Häusern und Gebäuden - als Beitrag gegen das Artensterben
Dabei geht es nicht allein um Gebäude der öffentlichen Hand, sondern - seit die grün-schwarze Landesregierung das Gesetz im Februar 2023 verschärft hat - auch um die Gebäude von Unternehmen und Privathäuser. Konkret verboten ist es, die Fassaden von außen zu beleuchten, zum Beispiel von Strahlern, die von unten nach oben das Gebäude anstrahlen. Das heißt aber auch: Nicht verboten sind etwa Lichtgirlanden an Balkonen oder ähnliches, da sie nicht zur Beleuchtung gegen die Hausfassade gerichtet sind.
Als Grund für die Regelung führt das Gesetz Schäden von künstlicher Beleuchtung für die Insektenfauna an. Laut BUND sind neben nachtaktiven Tieren auch tagaktive Arten wie Singvögel betroffen, denen durch das künstliche Licht "Ruhephasen und Rückzugsorte" genommen würden. Die Umweltschutzorganisation sieht die Vorschrift als Beitrag gegen das Artensterben.
Gundelfinger Naturschützerin über die Folgen von zu viel Licht Lichtverschmutzung schadet Mensch und Natur - was tun?
Sie kann schädlich sein, für Mensch, Tier und sogar Pflanze: Lichtverschmutzung. Eine Naturschützerin über die Folgen von Licht in der Nacht und was man dagegen tun kann.
Nachts keine Beleuchtung der Fassade: Eine Regelung mit Ausnahmen und ohne Bußgeldvorschrift
Die Regelung ist jedoch recht weich. Erstens lässt sie Ausnahmen für die öffentliche Sicherheit oder Betriebssicherheit zu. "Erlaubt sind beispielsweise alle Beleuchtungen, die dazu dienen, Unfälle zu verhüten oder die Orientierung zu behalten", erklärt das baden-württembergische Umweltministerium auf Anfrage des SWR. "Vom Verbot sind daher in der Regel keine Beleuchtungsanlagen betroffen, die mit Bewegungsmelder ausgestattet sind und daher nur bei Bedarf leuchten." Solche Strahler dürften gerade bei Privathäusern die Regel sein. Zweitens fehlt der Regelung eine Sanktionsnorm: Wer sein Gebäude beleuchtet, obwohl er das nicht darf, begeht weder Ordnungswidrigkeit noch Straftat und muss kein Bußgeld befürchten.
Außerdem kann es für bekannte Gebäude wie etwa alte Rathäuser Ausnahmegenehmigungen geben. Diese zu erteilen, liegt im Ermessen der sogenannten unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter, die laut Umweltministerium für die Einhaltung des Beleuchtungsverbots zuständig sind - in den Großen Kreisstädten im Land machen das die Stadtverwaltungen selbst. So gibt es laut Ministerium eine Härtefallregelung, die etwa bei bekannten Gebäuden mit "einer hohen historischen Relevanz" greife.
So erklärt Ulrike Brandt von der SWR-Umweltredaktion bei SWR3 die Regelung:
Beispiel Ravensburg: Ausnahmen für Gebäude von herausragender Bedeutung
Das zeigt etwa der Fall Ravensburg. Wegen "ihrer herausragenden kulturhistorischen, wirtschaftlichen und/oder touristischen Bedeutung" würden einige Gebäude - zum Beispiel das historische Rathaus, das Kornhaus oder das Obertor - weiter beleuchtet, teilte die Stadt Ravensburg dem SWR mit. Für die Beleuchtung der Liebfrauenkirche fänden derzeit Vorbereitungen statt.
Die Stadtverwaltung habe eine Befreiung von der Regelung für die Sommermonate beantragt und genehmigt bekommen: "Im Ergebnis ist es jetzt so, dass die Beleuchtungen jeweils zwischen 23 Uhr bis 5 Uhr ausgeschaltet bleiben. Außerhalb des Zeitraumes findet dann aber eine Beleuchtung statt." Die Stadt weist zugleich darauf hin, dass sie begonnen habe, die Fassadenbeleuchtung auf LED umzustellen. Diese Beleuchtungsart spare nicht nur Energie, sondern verbessere auch den Insektenschutz.
Kirchen weisen Kirchengemeinden auf Vorschrift hin
Auch die Kirchen haben das Thema durchaus auf dem Schirm. So weisen die Evangelische Landeskirche in Baden als auch die Erzdiözese Freiburg auf ihren Websites darauf hin, dass das Verbot der Fassadenbeleuchtung auch für Kirchen gilt. Von der Erzdiözese Freiburg heißt es auf SWR-Anfrage, man unterstütze strenge Vorschriften zur Fassadenbeleuchtung "sowohl aus Gründen des Energiesparens als auch aus Gründen des Artenschutzes". Mitarbeitende der Diözesanstelle Schöpfung und Umwelt informierten die Kirchengemeinden regelmäßig in einem Infobrief und bei Außen- und Schulungsterminen. Die Erzdiözese geht davon aus, dass "die Regelungen und deren Gründe in der Fläche bekannt" seien.
Zwar könne man nicht garantieren, dass alle Kirchengemeinden die Regelung kennen, so die Evangelische Landeskirche in Baden gegenüber dem SWR. Rückmeldungen bestätigten aber, "dass die Information mindestens die meisten davon erreicht hat". Man spreche die Vorschrift in Beratungen von Seiten der Landeskirche und durch die Verwaltungsämter an. Als Positivbeispiel nennt die Landeskirche die Christuskirche in Mannheim, die von der Kirchengemeinde nur noch gemäß der gesetzlichen Vorgabe beleuchtet werde.
Ähnlich geht die Evangelische Landeskirche in Württemberg vor. Sie verweist auf Rundschreiben, Merkblätter und Workshops mit "Praxishinweisen in Bezug auf Licht und Artenschutz". Informationen, ob und wie Kirchengemeinden vor Ort eine Beleuchtung handhaben, lägen aber nicht zentral vor. Beide Landeskirchen betonen zugleich, dass die Beleuchtung häufig gar nicht in kirchlichem Besitz und in der Verantwortung der Kirchen liege, sondern von den Kommunen betrieben werde. Das gelte zum Beispiel für die Heiliggeistkirche in Heidelberg.
Die Erzdiözese Freiburg verweist zudem darauf, "dass Kirchenbeleuchtungen immer wieder auch Teil der Verkehrssicherungspflicht oder der Straßenbeleuchtung sind". Die Freiburger Stadtverwaltung bestätigte dem SWR, dass das Freiburger Münster weiter angestrahlt werden soll, um die öffentliche Sicherheit auf dem Münsterplatz zu gewährleisten. Per Ausnahmegenehmigung werden in Freiburg zudem historische Gebäude zumindest bis Mitternacht angestrahlt - danach gehen die Lichter aus.
Keine Beleuchtung der Hauswand im Sommer: Mehr als Hinweisen ist nicht drin
Die Ämter in den Land- und Stadtkreisen entscheiden laut BW-Umweltministerium selbst, "welche konkreten Maßnahmen bei einer Zuwiderhandlung ergriffen werden". Doch wie wird überhaupt kontrolliert? Nicht systematisch, sondern nur anlassbezogen, heißt es etwa vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis - beziehungsweise man "geht entsprechenden Hinweisen oder Anzeigen nach". Das Landratsamt Heilbronn betont, dass flächendeckende Kontrollen "personell nicht leistbar" wären.
Da man mangels Bußgeldvorschrift keine Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten könne, "hört die untere Naturschutzbehörde bei solchen Verstößen an und weist auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hin", so das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis gegenüber dem SWR. Dann können die Landratsämter auch auf die Möglichkeit hinweisen, in besonderen Gründen eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen.
Das ist eigentlich ein sinnvolles Gesetz, aber man muss es auch einhalten. Macht man das nicht, hat es keinen Nutzen.
Der BUND fordert daher, das Verbot besser zu kontrollieren. "Das ist eigentlich ein sinnvolles Gesetz, aber man muss es auch einhalten. Macht man das nicht, hat es keinen Nutzen", sagt Brigitte Heinz. Sie leitet beim BUND Baden-Württemberg das Projekt "Nachtretter" und setzt sich für die Einhaltung des Beleuchtungsverbots ein. Gerade Kirchen und Burgen seien oft die letzten Rückzugsorte für Fledermäuse, so Heinz. Dunkelheit sei da enorm wichtig. Das Landratsamt Heilbronn legt beim Thema Fassadenbeleuchtung nach eigenen Angaben einen besonderen Fokus auf Gebäude, die "ein hohes Potential als Lebensraum für z.B. Fledermäuse haben".
Ministerium will Regelung nicht verschärfen
Dass die "erst seit 2023" bestehende Regelung für private Gebäude vielfach noch nicht bekannt sei, räumt auch das Umweltministerium in Stuttgart ein. "Auch die Bedeutung der Norm für die Insektenvielfalt ist in der Breite der Bevölkerung noch nicht angekommen." Es bedürfe noch zusätzlicher Information und Überzeugungsarbeit. Der BUND rät Behörden und Kommunen, mit gutem Beispiel voranzugehen und an ihren Gebäuden unnötige Beleuchtung auszuschalten.
An dem Gesetz will die Landesregierung jedenfalls nicht rütteln. "Derzeit sind keine Änderungen durch das Ministerium geplant", teilte das Umweltministerium auf SWR-Anfrage mit. Ob und wie stärkere Kontrollen durchgeführt werden, würden die zuständigen Behörden entscheiden. Diese könnten immerhin Eigentümerinnen und Eigentümern die Beendigung der Fassadenbeleuchtung anordnen, hieß es weiter. Über Umwege könnte am Ende doch Geld fällig werden - dann nämlich, wenn der Eigentümer oder die Eigentümerin der Anordnung nicht Folge leistet und die Behörde daraufhin über den sogenannten Verwaltungszwang ein Zwangsgeld verhängt.