Kinderbetreuung (Foto: dpa Bildfunk, Monika Skolimowska)

Kritik an Landesregierung

BW-Behindertenbeauftragte gegen schlechtere Standards bei Wohnungsbau und Kinderbetreuung

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Auch wegen der Folgen des Kriegs in der Ukraine soll es in BW größere Kita-Gruppen geben - außerdem diskutiert Grün-Schwarz über Barrierefreiheit beim Wohnungsbau. Die Behindertenbeauftragte sieht das kritisch.

Die Behindertenbeauftragte des Landes, Simone Fischer, hat sich klar gegen niedrigere Standards bei Wohnungsbau und Kinderbetreuung ausgesprochen. Bei der Kinderbetreuung hat Baden-Württemberg angesichts des Erziehermangels und der hohen Zahl an Flüchtlingskindern bereits größere Gruppen erlaubt. Beim Wohnungsbau ist die Grünen-Landesspitze offen für weniger Barrierefreiheit.

Simone Fischer sieht beides sehr kritisch: Bei Personalengpässen in Kitas sieht sie die Gefahr, dass Betreuungszeit gekürzt wird oder Kinder mit Behinderungen an solchen Tagen nicht in die Kita kommen dürfen.

"Die Situation mit den größeren Gruppen trägt nicht dazu bei, dass Kinder mit Behinderungen automatisch gute oder bessere Bedingungen vorfinden. Viele der betroffenen Familien sind schon jetzt stark belastet", warnte Fischer.

Simone Fischer, Landesbehindertenbeauftragte (Foto: Copyright: Axel Dressel)
Simone Fischer sieht Risiken für Kinder mit Behinderungen.

Kritik auch von ver.di und GEW

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte sich bereits am Dienstag über die größeren Kita-Gruppen empört: "Wertschätzung für die gute Arbeit in den Kitas gibt es bei Grünen und CDU wohl nur noch sehr eingeschränkt", sagte Landesbezirksleiter Martin Gross laut einer Pressemitteilung.

Er verwies auf den "extremen persönlichen Einsatz", unter dem pädagogische Fachkräfte die Kitas während der Corona-Zeit offengehalten hätten. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW kritisierte die Pläne: Es sei beschämend, wenn die Qualität in den Kitas gesenkt und gleichzeitig die Belastung für die Fachkräfte weiter erhöht werde.

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SWR4 BW am Nachmittag SWR4 Baden-Württemberg

Schwelling: Nicht alle brauchen barrierefreie Wohnung

Beim Thema Wohnungsbau hatte sich die Grünen-Landesvorsitzende Lena Schwelling dafür ausgesprochen, Auflagen zurückzuschrauben, die man sich in der Krise nicht mehr leisten könne. Nicht alle Menschen brauchen laut Schwelling eine barrierefreie Wohnung: "Da müssen wir zu einem gesunden Maß zurückkommen".

Fischer gegen Rückschritte bei Barrierefreiheit

Doch aus Sicht der Behindertenbeauftragten kommen Rückschritte beim Thema Barrierefreiheit nicht in Frage. Es gehe dabei nicht um die Frage von Standards, sondern um Grund- und Menschenrechte, sagte Fischer. "Es kann nicht sein, dass ältere, behinderte oder pflegebedürftige Menschen und Kinder mit Behinderungen und ihre Familien unter den aktuellen Forderungen unter die Räder kommen."

"Es geht dabei nicht um die Frage von Standards, sondern um Grund- und Menschenrechte. Diese sind unteilbar."

Nach der UN-Behindertenrechtskonvention seien Land und Kommunen verpflichtet, "die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Menschen barrierefreie Bedingungen vorfinden", so Simone Fischer. "Kinder mit Behinderungen sind Kita-Kinder wie jedes Kind. Sie haben das Recht, von den Erzieherinnen und Erziehern gefördert zu werden wie Kinder ohne Behinderungen", konkretisierte sie schriftlich auf Anfrage des SWR. Für die betroffenen Kinder und Familien dürfe es nicht die Folge haben, dass Personal- oder Organisationsmangel in den Kitas dazu führten, dass ihre Teilhabe vor Ort ausgebremst werde.

Kritik auch von SPD und FDP

SPD-Fraktionsvize Dorothea Kliche-Behnke stützte die Kritik der Behindertenbeauftragten. "Wenn jetzt die Grünen in Baden-Württemberg zur Gegenfinanzierung der Krisenkosten ausgerechnet bei den lange erkämpften Rechten von vulnerablen Menschen ansetzen wollen, trifft das auf den heftigsten Widerstand aus der SPD." Zwar müssten alle ohne Zweifel wegen der Krise Abstriche machen. "Aber dann nehme ich doch nicht zuerst Menschen mit Behinderungen oder alte Menschen in den Fokus."

Für die FDP warnte der Sozialpolitiker Niko Reith: "Barrierefreiheit darf nicht Opfer des grün-schwarzen Rotstifts werden." Stattdessen solle sich die Landesregierung der Verschlankung von Regularien und Vorschriften widmen. Dadurch könnten aus Sicht der FDP an vielen Stellen Kosten und Personal gespart werden.

Bauministerium hält Standards für ausreichend

Aus dem CDU-geführten Landesbauministerium heißt es auf Anfrage des SWR: Es sei zwar richtig, dass die Gesellschaft von vielen hohen Standards runtermüssen, allerdings "ist das Absenken der Standards bei der Barrierefreiheit der falsche Ansatz".

Die Landesbauordnung (LBO) beinhalte aktuell einen Mindeststandard. Beispielsweise müsse in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. Man habe also bereits ein "gesundes" Maß. Es gebe daher keinen Bedarf, die Standards der Barrierefreiheit in der LBO zu senken beziehungsweise anzuheben, so das Ministerium.

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SWR