Das Weraheim ist ein Mutter-Kind-Haus im Stuttgarter Westen. Dort ist an einer Hauswand, geschützt vor neugierigen Blicken, eine Babyklappe eingelassen. Hier können Mütter ihren neugeborenen Säugling anonym abgeben, indem sie einfach die Stahlklappe öffnen und das Baby in ein Wärmebett legen, so Einrichtungsleiterin Carola Strauß.
Das Wärmebett sei sehr wichtig, so Strauß weiter. Denn die Säuglinge könnten sich leicht unterkühlen - selbst bei wärmeren Temperaturen. Wenn ein Baby abgegeben wird, ertönt ein Alarmsignal sobald sich die Babyklappe schließt. Eine Mitarbeiterin kümmert sich dann sofort um das meist nur wenige Stunden alte Baby.
Es ist jedes Mal sehr emotional, wenn man ein kleines Würmchen da sieht. Ich habe auch immer das Bedürfnis das Kind gleich auf den Arm zu nehmen und es willkommen zu heißen, auf dieser Welt.

Seit Bestehen 46 Kinder an Babyklappe in Stuttgart abgegeben
Seit Carola Strauß die Babyklappe vor 23 Jahren gegründet hat, wurden 46 Säuglinge im Weraheim abgelegt. Nicht selten riefen Mütter kurze Zeit später an und wollten wissen, ob ihr Baby auch gefunden wurde. Dann berate sie die Frauen über Hilfsangebote wie das Mutter-Kind-Haus. Nur selten konnte sie Mütter davon überzeugen, ihr Kind zurückzuholen. Die meisten, so Strauß, seien zu verzweifelt, und sähen keinen anderen Ausweg als ihren Säugling abzugeben. Die Mütter haben das Baby alleine entbunden, ohne Hebamme oder Arzt.
Es seien die unterschiedlichsten Frauen im unterschiedlichsten Alter, so Strauß weiter. Doch die meisten seien sehr jung und fühlten sich der Verantwortung allein nicht gewachsen, manche Frauen hätten auch Missbrauchs- und Gewalterfahrungen.
Es kann Erwerbslosigkeit, Wohnungslosigkeit oder Einsamkeit sein. Das kann die Geschäftsführerin vom Familienbetrieb sein, die vor der Insolvenz steht, das kann eine alleinstehende Frau sein.
Jugendamt nimmt Babys in Obhut
Wird ein Kind in die Babyklappe gelegt, informieren die Mitarbeiterinnen im Weraheim sofort den Notarzt, der das Baby kurze Zeit später abholt und für einen Gesundheitscheck auf die Neugeborenenstation bringt. Das Jugendamt in Stuttgart wird eingeschaltet, nimmt das Kind in Obhut und kümmert sich um eine Pflegestelle für eine Dauer von acht Wochen.
Denn Eltern können ihr Baby in diesem Zeitraum wieder zurückholen, ohne eine Strafe zu befürchten. Damit will man ihnen die Chance geben ihren Schritt wieder rückgängig zu machen. Erst nach dieser Frist wird das Baby an Adoptiveltern vermittelt.
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Für verzweifelte Mütter können Babyklappen die letzte Rettung sein. Wieso das Modell der Babyklappen in Baden-Württemberg dennoch so selten genutzt wird und was die Alternative ist.
Vier Pflegemütter kümmern sich in Stuttgart
Anette Breucker ist eine von vier Pflegemüttern in Stuttgart, die die Säuglinge aus der Babyklappe im Schnitt acht Wochen lang betreut. In den vergangenen fünf Jahren betreute sie fünf Kinder. Die 61-jährige Rechtsanwältin ist dreifache Mutter. Ihre erwachsenen Kinder sind aus dem Haus. Sie arbeite auch aus dem Homeoffice, sei flexibel und werde von ihrem Ehemann unterstützt. Die Babys seien meist nicht über fünf Tage alt, wenn sie zu ihnen kämen und das sei eine sehr große Verantwortung, so Breucker.
Es rührt einen sehr und man taucht ganz ein in diese Situation. Wir kriegen ja gesagt, man kann die Kinder in dem Alter ja gar nicht genug verwöhnen. Und dass machen wir uns zur Pflicht und zur Aufgabe, dass es den Kindern an nichts mangelt.
Meldet sich die leibliche Mutter nicht mehr, wird das Baby nach acht Wochen an Adoptiveltern übergeben. Ausreichend Wohnraum, eine stabile finanzielle Situation, Erfahrung mit Kindern, Gesundheit und ein lupenreines Führungszeugnis sind die wichtigsten Voraussetzungen, um Pflegeeltern zu werden. Ein bisschen Trennungsschmerz sei da schon, aber wenn sie das Glück der Adoptiveltern sehe, seien ihre eigenen Belange nachrangig, sagt Anette Breucker.

Babyklappen gibt es seit 25 Jahren
Deutschlands erste Babyklappe öffnete 2000 in Hamburg. Mittlerweile gibt es Schätzungen zufolge bundesweit rund 100 solcher Hilfsangebote. In Baden-Württemberg neben Stuttgart auch in Karlsruhe sowie in kleineren Städten wie Villingen-Schwenningen, Singen oder Lörrach. Babyklappen sind jedoch nicht unumstritten: Wie bei einer anonymen Geburt können betroffene Kinder ihre leiblichen Eltern nicht ausfindig machen, wenn sich diese nicht gemeldet haben, bemängeln Kritiker.