Photovoltaikanlage auf einem Feld (Foto: IMAGO, blickwinkel/C.xKaiser)

Hoffnung auf Energiewende

Folgen des Russland-Ukraine-Kriegs: Kann Agri-Photovoltaik unabhängig machen?

Stand

Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt: Wir hängen von Energie aus dem Ausland ab. Die Erneuerbaren können unseren Energiebedarf noch nicht decken. Hilft Photovoltaik auf dem Feld?

Fläche ist kostbar. Das hat nicht zuletzt auch der Russland-Ukraine-Krieg deutlich gemacht. Als Ackerboden - beispielsweise zum Getreideanbau -, um uns unabhängig zu machen in Sachen Nahrungsmittel. Ein weiteres Ziel: Unabhängigkeit auch in Sachen Energie, zum Beispiel durch den Ausbau der Erneuerbaren. Sonne, Technik, Platz: Mehr braucht es nicht, um Energie zu erzeugen.

Photovoltaik am Bodensee

95 Hektar Ackerland, Schweine- und Milchwirtschaft, eine Käserei - und: 15 Reihen sogenannte Agri-Photovoltaik (PV). Solarmodule auf Stelzen, so hoch angebracht, dass die Felder darunter auch mit dem Traktor noch gut bewirtschaftet werden können. Das ist die Hofgemeinschaft Heggelbach in Herdwangen-Schönach (Kreis Sigmaringen) in der Nähe des Bodensees.

Mehrere Familien wirtschaften gemeinsam

Sechs Familien haben sich in der Hofgemeinschaft zusammengetan und ernten auf den Feldern neben Gemüse und Getreide auch Energie - Strom aus Sonnenenergie, um genau zu sein. Insgesamt wird in Heggelbach mehr Energie produziert, als die sechs Familien und der Betrieb verbrauchen. Allein die Agri-PV-Anlage erzeugt 210.000 Kilowattstunden pro Jahr. Den Überschuss speisen die Erzeuger ins Netz ein - und verdienen daran. Eine weitere Absicherung in unsicheren Zeiten.

Bei Energie-Erzeugung breit aufgestellt

Auf mehreren Beinen zu stehen, ist nicht falsch - diese Strategie fährt man zumindest bei der Hofgemeinschaft Heggelbach. Solarmodule auf den Hausdächern, ein Holzvergaser, dazu die Agri-Photovoltaik. So ist man hier inzwischen unabhängig geworden von fossilen Energien und Atomstrom.   

"Wir brauchen Energie und wir brauchen Nahrungsmittel. Und das alles hat was mit ländlicher Fläche zu tun. Deswegen ist es wichtig, möglichst viele Dinge auf der gleichen Fläche machen zu können."  

Hitzesommer, Trockenperioden, Starkwetterereignisse, all das macht die Einkünfte aus dem reinen Ackerbau zunehmend unberechenbar. Und natürlich gibt es auch andere Flächen, die sich für Photovoltaik eignen, etwa bereits versiegelte wie Parkhäuser, Hausfassaden oder Autobahnen. Anders als in Deutschland werden in Frankreich zum Beispiel solche Agri-PV-Anlagen auch gezielt gefördert. Denn vor allem wegen der Stelzenkonstruktion sind sie 20 bis 40 Prozent teurer als bodennahe Anlagen. Dennoch könnten sie ein wichtiger Baustein für den Ausbau erneuerbarer Energien sein.

Fraunhofer Institut begleitet Photovoltaik auf dem Feld

Max Trommsdorff vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme betreut die Agri-Photovoltaik-Anlage am Bodensee. Sein Institut hat die Solarmodule auf dem Acker von Florian Reyer aufgestellt. Zu Forschungszwecken, denn noch sind diese in Deutschland nicht verbreitet. "Wenn wir auf Deutschland schauen, kann man schon sagen, dass wir zwar nicht ganz weit hinterherhinken aber in Europa nicht Vorreiter sind, das ist Frankreich", erläutert der Experte. 

Versuchsanordnung sehr durchdacht

Die Versuchsfläche umfasst nach Angaben der Hofgemeinschaft Heggelbach eine Grundfläche von 2,5 Hektar. Davon sind jedoch nur 2.500m² mit der APV-Forschungsanlage überbaut. Die restliche Fläche dient als Bezugsfläche zum Vergleich der Ackererträge im Versuchszeitraum. Die Solarmodule der Agro-Photovoltaikanlage sind etwa sechs Meter über der Ackerfläche aufgeständert. Somit ergibt sich eine Durchfahrtshöhe von fünf Metern. 

Die erzielte Leistung kann jährlich 62 Haushalte (vier Personen, circa 4.000 kWh Stromverbrauch) versorgen. Große Abstände zwischen den Modulreihen ermöglichen, dass die Nutzpflanzen darunter mindestens 60 Prozent der vorhandenen aktiven Strahlung erhalten.

Insgesamt großes Potential auch in ganz Deutschland

Im kommenden Jahr wird eine neue Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verabschiedet. Es könnte Weichen stellen für eine gezielte Förderung und damit eine erschwingliche Nutzung der Agri-Photovoltaik. Max Trommsdorff vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme erklärt: "Wenn wir schauen, was wir auf der Stromseite brauchen, sehen wir bei so aufgeständerten Systemen wie diesen, dass wir mit etwa vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen den gesamten Ausbaubedarf im Solarbereich für die nächsten 20, 30 Jahre abdecken könnten. Das zeigt, was da für ein großes Potential ist."

Stand
AUTOR/IN
SWR