Verfassungsschutz ändert Einschätzung

Was bedeutet die neue Einstufung der AfD als "rechtsextremistisch" - und was sind die Folgen?

Stand

Von Autor/in Hannah Vogel

Die Bundes-AfD ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes "gesichert rechtsextremistisch". Was heißt das für die Partei - im Bund und Land? Und kommt nun ein Verbotsverfahren?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD am Freitag als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Bereits seit 2021 gilt die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall. Seither darf der Verfassungsschutz sogenannte nachrichtendienstliche Mittel verwenden, um Informationen über die AfD zu sammeln. So kann die Behörde grundsätzlich etwa V-Leute anwerben, also Personen aus dem Umfeld der Partei für Informationen bezahlen. Außerdem kann sie unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Personen observieren oder im Extremfall sogar die Telekommunikation überwachen.

Für den baden-württembergischen Landesverband der AfD hat die Hochstufung der Bundes-Partei keine direkten Auswirkungen. Sie wird seit 2022 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Das Landesamt für Verfassungsschutz muss aber eigene Belege für seine Einschätzung sammeln.

Rechtsexperte erklärt: Verfassungsschutz hat nicht das letzte Wort

Die Einstufung als "gesichert rechtsextrem" habe für die Bundes-AfD zunächst keine Folgen, sagte ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Die AfD sei trotz der Entscheidung des Verfassungsschutzes weiterhin im Bundestag vertreten und dürfe weiter zu Wahlen antreten. Gegen die Entscheidung dürfe die Partei Rechtsmittel einlegen. Die Einschätzung der Behörde sei also nicht das letzte Wort, erklärte Bräutigam.

Die AfD hat dem Bundesamt für Verfassungschutz und einzelnen Landesämtern für Verfassungsschutz wiederholt eine zu große Nähe zu den jeweiligen Innenministerien vorgeworfen. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat die Partei stets als politisch motiviert bezeichnet. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Freitag betont, der Verfassungsschutz habe seine Entscheidung über eine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch selbst getroffen. "Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben", versicherte Faeser.

Tatsächlich untersteht das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundesinnenministerium. Trotzdem darf die Behörde nicht willkürlich tun und lassen, was sie will. Ihre Zuständigkeiten und Kompetenzen sind in einem Gesetz klar geregelt. Und unabhängige Gerichte können überprüfen, ob der Verfassungsschutz sich an diese gesetzlichen Vorgaben hält. Vor Gericht müsste der Verfassungsschutz dann auch sagen, warum die Einstufung so erfolgt ist, also Belege dafür präsentieren.

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Kommt nun ein AfD-Verbotsverfahren?

Mehrere Politikerinnen und Politiker auf Bundesebene und auch aus Baden-Württemberg hatten sich nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes für ein Verbotsverfahren der Partei ausgesprochen. Schon länger wird darüber diskutiert. Erst im Februar war eine Initiative, die die AfD vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen wollte, gescheitert. Sie hatte im Bundestag vor der Abstimmung über einen entsprechenden Antrag nicht die nötigen Stimmen zusammen bekommen und ihn deshalb nicht eingebracht.

Eine politische Partei kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Den Antrag für ein solches Verbot können die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat stellen. Bei Parteien, die nur in einem Bundesland organisiert sind, auch die jeweilige Landesregierung. Der Verfassungsschutz hat mit einem Verbotsverfahren erstmal nichts zu tun. Sollte es zu einem solchen kommen, könnte das vom Verfassungsschutz gesammelte Material aber durchaus eine Rolle spielen, sagt ARD-Rechtsexperte Franz Bräutigam.

Wehner: Parteiverbot in Demokratie "eine heikle Sache"

Nach der bisherigen Karlsruher Rechtsprechung reicht das Verbreiten von verfassungswidrigen Haltungen allein für ein Parteiverbot nicht aus. Es gibt noch weitere Kriterien. Hinzukommen muss etwa eine "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" gegenüber der demokratischen Grundordnung. Außerdem muss die Partei eine realistische Chance haben, die Gefährdung umzusetzen.

Der Mannheimer Politikwissenschaftler Thomas König ist skeptisch, ob ein Verbot der AfD effektiv wäre. "Man könnte sich auch vorstellen, dass die AfD dann einfach eine neue Organisation gründet. Das haben wir auch schon in der Vergangenheit beobachtet", sagte König dem SWR. Dann würde das Ganze verpuffen.

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Der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg, Michael Wehner, hält ein Parteiverbot in einer Demokratie "immer für eine heikle Sache". Ein solches beschränke den politischen Wettbewerb und grenze Wählerinnen und Wähler, die die Partei gewählt hätten, aus, sagte Wehner am Donnerstag dem SWR. Bei der vergangenen Bundestagswahl wurde die AfD mit 19,8 Prozent zweitstärkste Kraft in Baden-Württemberg. Wehner betonte jedoch auch, dass die Demokratie wehrhaft bleiben müsse. Dementsprechend dürfe man allen Parteien, "die diese Demokratie nicht nur in Frage stellen, sondern dezidiert abschaffen und verändern wollen" keinerlei Handlungsmöglichkeiten geben.

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