
Ulrich Trautwein, Bildungsforscher an der Universität Tübingen, fordert angesichts des Lehrermangels in Baden-Württemberg die Landesregierung dazu auf, die besten 50 Prozent jedes Lehramtsjahrgangs auf jeden Fall einzustellen. Dem SWR sagte er: "Wir müssen dafür sorgen, dass wirklich die besten Lehrer übernommen werden und dass wir keinen 'Schweinezyklus' bekommen bei der Unterrichtsversorgung und der Einstellung von Lehrkräften."
Erforderlich sei eine langfristig bindende Zusage des Kabinetts:
"Damit würde das Land auch klar machen, wir möchten wirklich, dass exzellente Lehrkräfte eine Sicherheit haben, in den Schuldienst übernommen zu werden."
Nur "Sonntagsreden" in der Bildungspolitik
In der Vergangenheit wurden dem Forscher zufolge zwei entscheidende Fehler gemacht. Zum einen handwerklicher Art: "Dass man konkret Warnsignale nicht beachtet hat, dass man sich verrechnet hat, dass man im Prinzip auf Kante genäht hat, also versucht hat, nur so viele Lehrkräfte zu produzieren, wie man auf jeden Fall braucht."
Zum anderen sei Bildung allgemein zu wenig wertgeschätzt worden. "Wir haben vor vielen Jahren eine Bildungsrepublik ausgerufen. Diese sieht man aber nicht, man hört das bloß in den Sonntagsreden. Es kann nicht sein, dass wir so schlampen bei der Ausbildung, Einstellung und Weiterbildung der Lehrkräfte."
Die Qualität der Lehrerausbildung müsse daher gestärkt werden:
"Wir haben in BW viele Hochschulen mit Exzellenzsiegel, aber Insider wissen, dass bei der Lehrerbildung viele nicht exzellent arbeiten, sondern bewusst Geld sparen. Da brauchen wir dringend Transparenz bei der Qualität des Studiums und wir brauchen Qualitätsüberprüfung durch die Politik."
Einsatz von Ruheständlern zwiespältig
Erfreulich sei, dass die Landesregierung intensiv versuche, sich Klarheit über die Zahl der Unterrichtsausfälle zu verschaffen und die Qualität zu erhöhen.

Das Zurückholen älterer Lehrer aus dem Ruhestand sieht Trautwein zwiespältig. Entscheidend sei der richtige Einsatz der Ruheständler:
"Das Lehramt ist etwas, wo Erfahrung sehr, sehr positiv sein kann. Generell ist es so, dass ältere Lehrer schneller in die Situation kommen, von der komplexen Beanspruchung im Unterricht überfordert zu sein. Nicht alle, aber manche."
Man müsse daher überlegen, wie man den Ruheständlern ermögliche, in Situationen zu arbeiten, die ihren Stärken entgegenkommen würden.
Quereinsteiger ohne pädagogischen Hintergrund vermeiden
Wenig hält der Bildungsforscher davon, viele Quereinsteiger im Bildungsbereich einzusetzen. "Die Landesregierung tut gut daran, keine langfristigen Hypotheken aufzunehmen, indem man Personen aufnimmt, die im Lehrerberuf eigentlich nichts zu suchen haben. Dem Beispiel vieler Stadtstaaten wie zum Beispiel Berlin zu folgen, Menschen ohne pädagogischen Hintergrund einzustellen, sollte man möglichst vermeiden."