Es ist ein ziemlicher Spagat, den SAP jeden Tag zu bewältigen versucht: Mit 50 Jahren Unternehmensgeschichte Vordenker in der IT-Welt zu bleiben. Und solche Gegensätze finden sich überall im Konzern.
So ist SAP zwar das wertvollste börsennotierte Unternehmen Deutschlands, beschäftigt mit dem 42-jährigen Vorstandssprecher Christian Klein aber den jüngsten Chef eines DAX-Konzerns - und das in besonders herausfordernden Zeiten. Er spüre die Verantwortung, auf die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine zu reagieren, so Klein. Doch SAP könne etwas bewegen: "Man kommt voran, und daraus zieht man ja auch viel Motivation."

Größter Konzernumbau für SAP: Von Software-Lizenzen in die Cloud
Und diese Motivation braucht Christian Klein. SAP steckt mitten im größten Umbau-Prozess seit der Unternehmensgründung. Bis vor ein paar Jahren hat der Konzern noch darauf gesetzt, dass Unternehmenskunden Software von SAP gekauft, also Lizenzen dafür erworben haben und dann die Programme auf den Firmen-Servern installiert wurden. Mittlerweile setzt SAP hingegen voll auf die Cloud: Damit greifen die Kunden über das Internet auf die SAP-Software zu und zahlen dafür einen Mietpreis.
"Die Cloud wird überall sehr gut wahrgenommen. Insgesamt gibt es, glaube ich, kein Unternehmen mehr, das nicht konsequent auf die Cloud setzt.“
Bestehende Systemlandschaften müssen erneuert werden
Auf die Cloud hat SAP im Vergleich zu Konkurrenz erst spät gesetzt und muss jetzt Gas geben. Das sorgt für viel Unruhe, auch bei den Kunden. Denn für Unternehmen, in denen zum Teil die komplette Fertigung oder Verwaltung mit SAP gesteuert wird, ist das ein gewaltiger Schritt, erklärt Thomas Henzler von der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe DSAG: "2025 möchte die SAP 85 Prozent mit Cloud-Umsätzen machen. Das stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen, ihre bestehenden Systemlandschaften zu erneuern. Hier muss SAP beiden Seiten gerecht werden."
Rund-um-die-Uhr-Support für die Cloud ist Umstellung für Belegschaft
Aber nicht nur für die Kunden, auch für SAP ist die Umstellung auf das Cloud-Geschäft der möglicherweise größte Umbau in der Konzerngeschichte. So muss sich auch die Belegschaft gehörig umstellen, erklärt Betriebsrat Andreas Hahn. Vor allem Vertrauensarbeitszeit sei nicht mehr immer möglich. "Kunden möchten natürlich auf ihre Software Tag und Nacht zugreifen, und dafür braucht man dann auch zuverlässigen Support, für den auch Menschen in Deutschland vor Ort sein müssen, um die Software, wenn sie mal schiefsteht, wieder geradezubiegen."
Vor Google schon Stammsitz zu Campus ausgebaut
Trotzdem bleibe SAP bei seinen Beschäftigten als Arbeitgeber extrem beliebt, so Hahn. Schon lange vor Google hat SAP seinen Stammsitz zum Campus ausgebaut, mit kostenlosen Kantinen, Kindertagesstätten und Krippen, einem Aus- und Weiterbildungszentrum und vielem mehr. Für Betriebsrat Andreas Hahn liegt es vor allem an dieser Campusstimmung, "dass die Leute gerne miteinander kreativ Software entwickeln, Prozesse verbessern, ihrer Arbeit nachgehen. Und dieses offene Mindset ist ganz typisch für die SAP." Zwar sei die Mitarbeiterzufriedenheit in den vergangenen Jahren etwas gesunken, allerdings auf "sehr hohem Niveau", so Hahn.

Vom Schulpraktikum bis an die Spitze
Die SAP-Unternehmenskultur ist auch Unternehmens-Chef Christian Klein wichtig. Nicht zuletzt, weil sie den gebürtigen Kurpfälzer selbst geprägt hat. Dass seine steile Karriere mit einem Schulpraktikum bei SAP begann, ist für ihn deswegen auch heute noch ein Zeichen der offenen Unternehmenskultur, die schon die Gründer vorgelebt hätten. Nur so sei es möglich, "als Eigengewächs Karriere zu machen. Weil es weniger auf Titel ankommt, sondern dass die Leistung wertgeschätzt wird, dass man auch gefördert wird," so Klein.
"Ich glaube, wir sind schon noch ein bisschen anders. Wir haben eine ganz spezielle Kultur. Und das haben auch unsere Gründer vorgelebt."
Nach langer Zeit ist Christian Klein wieder der erste deutschsprachige Manager an der Spitze von SAP. Er soll den Konzern ein Stück weit zu seinen Ursprüngen zurückführen: zu der Softwareschmiede mit enger Kundenbindung, die SAP einmal war. Vieles davon war in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Zu sehr war SAP auf den Börsenkurs fokussiert. Neben der Umstellung auf die Cloud konzentriert sich Klein deshalb nun auf die mittel- und langfristigen Ziele und Projekte, unter anderem auf das Thema Nachhaltigkeit.
Zukunftschance mit eigenem Unternehmensnetzwerk
So will SAP mit seinen Entwicklungen helfen, den CO2-Fußabdruck von Produkten zu messen, indem es die Lieferketten ganzer Industrien vernetzt. Die Vielzahl der Unternehmen, die auf SAP-Software setzen, könnten dafür in Zukunft in einer Art großem Unternehmensnetzwerk zusammenarbeiten. Am Beispiel Elektroauto erklärt Christian Klein seine Vision so: „Der CO2-Fußabdruck entsteht ja nicht nur beim Produzenten, beim Automobilhersteller, sondern auch bei den Lieferanten. Und jetzt haben wir plötzlich dieses Geschäftsnetzwerk, und jetzt können wir auch den CO2-Fußabdruck messen.“
Bis zum nächsten Firmenjubiläum großer Beitrag zur Nachhaltigkeit geplant
SAP-Chef Christian Klein weiß, dass er viel vorhat und dass er dafür seine Beschäftigten und seine Kunden gleichermaßen mitnehmen muss. Dass er zum 60-jährigen Jubiläum seine Ziele erreicht haben wird, davon ist er überzeugt: "In zehn Jahren würde ich mir wünschen, dass SAP einen großen Beitrag geleistet hat, Unternehmen nachhaltiger zu machen. Dass wir Unternehmen vernetzen. Und ich möchte lesen, dass wir auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da waren. Weil am Ende macht das den Erfolg aus."

Vom kleinen kurpfälzischen Unternehmen zum Weltkonzern
Und auch aus Sicht seiner Kunden ist SAP wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland, so DSAG-Fachvorstand Thomas Henzler: "Ich denke, wir können stolz sein, dass wir in Deutschland ein solches Tech-Unternehmen haben, was sich von einem kleinen Unternehmen zu einem Weltkonzern gewandelt hat und heute überall auf der Welt Anwendung findet. Das ist auch eine Referenz für die deutsche Tech-Branche."
"Die Geschichte der SAP ist eine Erfolgsgeschichte."