Schülerinnen und Schüler einer neunten Klasse zeichnen das Wort "Pisa" an eine Tafel. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Erste Ergebnisse am 4. Dezember 2001 veröffentlicht

20 Jahre PISA-Schock: Was sich an BW-Schulen verändert hat - und was nicht

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Vor 20 Jahren sind die Ergebnisse der ersten PISA-Studie veröffentlicht worden. Seitdem hat sich vieles getan in der Bildungslandschaft in Deutschland und Baden-Württemberg.

Der Bildungsschock ist 20 Jahre her. Am 4. Dezember 2001 sind die Ergebnisse der ersten PISA-Studie veröffentlicht worden. "Setzen, sechs" hieß es für deutsche Schülerinnen und Schüler. 32 Staaten wurden bei der Schulleistungsstudie verglichen. Deutschland landete auf Platz 25. Baden-Württemberg belegte bei der Auswertung der Bundesländer Platz 2. Bayern führte die Liste an. Eltern und Politik waren bestürzt. Wie konnte das Land der Dichter und Denker derartig schlecht abschneiden? Heute läuft vieles besser - aber nicht alles. Ein Rückblick auf 20 Jahre PISA-Studie.

Drei Bereiche werden bei PISA-Studie geprüft

"Programm for International Student Assessment", kurz PISA-Studie, wurde von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) initiiert mit dem Ziel, Kenntnisse Fünfzehnjähriger in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften festzustellen. Die OECD will so die Bildungssysteme ihre Mitglieds- und Partnerstaaten vergleichbar machen. Seit der ersten Untersuchung im Jahre 2000 wird die Erhebung alle drei Jahre wiederholt, wobei jeweils ein Fachbereich besonders geprüft wird. Mehr und mehr Staaten beteiligen sich an der Studie, 2018 waren es 79 OECD-Partner- und Mitgliedsstaaten. In Deutschland wurden zuletzt 5.500 Schülerinnen und Schüler an rund 220 Sekundarschulen geprüft - sie schnitten beim Lesen überdurchschnittlich gut ab.

Suche nach dem PISA-Schuldigen

Im Jahr 2000 war das noch anders. Im internationalen Vergleich lag Deutschland im schlechten Mittelfeld. Die damalige baden-württembergische Kultusministerin, Annette Schavan (CDU), war wenig zufrieden: "Bislang ist viel gelernt worden, aber zu wenig verstanden", sagte sie damals. Von da an wurde viel gestritten über die Bildung im Land. Lag es an den Lehrerinnen und Lehrern, oder etwa an den Eltern? Oder hatte das dreigliedrige Schulsystem versagt?

13. Dezember 2001: Die damalige Kultusministerin in Baden-Württemberg, Annette Schavan (CDU), spricht mit BW-Finanzminister Gerhard Stratthaus während einer aktuellen Debatte des Landtags. (Foto: dpa Bildfunk, picture-alliance / dpa/dpaweb | Bernd_Weißbrod)
13. Dezember 2001: Die damalige Kultusministerin in Baden-Württemberg, Annette Schavan (CDU), spricht mit BW-Finanzminister Gerhard Stratthaus während einer aktuellen Debatte des Landtags. Auf der Tagesordnung stehen auch die Auswirkungen der Schulstudie PISA.

Die Kultusministerkonferenz der Länder mit Schavan als Vorsitzende brachten als Antwort ein dickes Reformpaket auf den Weg - auch für Baden-Württemberg. "Nicht immer mehr Details, immer mehr Fächer, immer umfangreichere Lehrpläne, sondern Konzentration, Verschlankung der Lehrpläne und eine zielgenauere Beschreibung, über den Stand, der in einem bestimmten Alter erreicht werden soll", fasste Schavan zusammen. Fortan wurde früher eingeschult, der Frontalunterricht wurde beendet, lernschwache Kinder bekamen mehr Hilfestellungen. Mit jeder PISA-Studie kam auch die Bildungspolitik alle drei Jahre auf den Prüfstand.

"Wir haben zu wenig erreicht."

Und heute? "Dass überhaupt über die Wichtigkeit der Bildung in Deutschland und auch BW viel mehr gesprochen wird als vor Beginn der PISA Untersuchungen - das waren natürlich positive Entwicklungen. Dass Schülerinnen und Schüler mehr einbezogen werden, das ist natürlich sehr zu begrüßen", sagte Monika Stein, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, dem SWR. Zufrieden sei sie trotzdem nicht. Viele Probleme seien immer noch die gleichen. Fehlende Lehrkräfte zum Beispiel, oder Ungleichheiten, die die PISA-Studie wiederholt zutage fördert. "Ich würde mal behaupten, diejenigen, die vor 20 Jahren die ersten Untersuchungen begleitet haben, die haben sich nicht vorgestellt, dass im Jahr 2021 die Bildungslandschaft immer noch Jugendliche und Kinder benachteiligt, je nach Herkunft, nach Bildungshintergrund der Eltern", so Stein.

Brennpunktschulen im Fokus

BW-Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sieht das genauso - und will mehr tun. Lösungen sieht sie in der Ganztagsschule mit mehr Betreuung. Aber auch im Konzept Gemeinschaftsschule. Dazu kämen neue Vorhaben, festgeschrieben im Koalitionsvertrag. Es gehe vor allen Dingen um Schulen in Brennpunkten, "wo mehr oder weniger 97 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund sind. Dass wir da auch nochmal schauen müssen, wie wir solche Kinder in der Sprachförderung nochmal wesentlich besser mitreinholen", sagte Schopper dem SWR. Dass es die PISA-Studie überhaupt gab und gibt - dafür sei sie dankbar, sagte Schopper.

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