Ginge es nach dem Vatikan, dürfte es sie gar nicht geben: queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche. Es gibt sie aber. Schwule Pfarrer und lesbische Religionslehrerinnen, transsexuelle Ordensbrüder, bisexuelle Gemeindereferentinnen und noch viele mehr. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit. Sie alle müssen ihre Sexualität und damit einen großen Teil ihres Lebens geheim halten.
#OutInChurch - Mitarbeitende der katholischen Kirche outen sich
In der ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf - Coming Out in der katholischen Kirche" (Das Erste, Montag, 24.1.2022, 20:30 Uhr) erzählen 100 Gläubige im Dienst der katholischen Kirche von ihren Erfahrungen. Darunter Ralf Klein aus dem Schwarzwald. Er ist Jesuitenpriester in St. Blasien (Waldshut) und outet sich in der Dokumentation als schwul. Als Pfarrer lebt er im Zölibat und das seit über 30 Jahren. Die Frage nach seiner Sexualität findet er daher irrelevant.
"Es kann der Kirche doch egal sein, wen ich nicht liebe."
Bisher hat sich Ralf Klein nur einzelnen Menschen anvertraut. Damit soll jetzt Schluss sein. Er will nicht mehr schweigen. "Die Entdeckung der eigenen sexuellen Orientierung ist ganz häufig mit dem Gefühl verbunden: 'Bin ich denn der Einzige?' Und gleichzeitig, indem du schweigst, trägst du auch bei anderen dazu bei."
LSBTTIQ als Teil der katholischen Kirche
Die Doku zeigt: Ralf Klein ist nicht der Einzige. Es gibt andere, die so sind wie er. Andere schwule Pfarrer, andere nicht-heterosexuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der katholischen Kirche. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie wollen nicht länger lügen und ihre wahre Identität verstecken.
Damit setzen sie einiges aufs Spiel: Im schlimmsten Fall könnten sie ihre Jobs verlieren. Denn mit dem Unterzeichnen ihres Arbeitsvertrags haben sie sich verpflichtet, nach den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu leben. Schwul, lesbisch, bisexuell, transsexuell oder nicht binär zu sein, gehört da nicht dazu. Denn das ist laut dem Vatikan "gegen das natürliche Gesetz" und sei "in keinem Fall zu billigen".
Drohende Kündigungen
Halten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche nicht an diese Grundsätze, darf ihnen gekündigt werden. Der Grund: Loyalitätsverstoß. Das ist legal. "Das größte Risiko ist quasi, aus der Kirche hinauskomplimentiert zu werden", sagt ein Mitarbeiter in der Dokumentation. Einige wollen deshalb anonym bleiben.
"Trotz alledem denke ich, dass es wichtig ist, sein Gesicht zu zeigen, seine Stimme zu erheben und zu sagen, dass wir da sind."
Lügenkonstrukte und Doppelleben
Die gläubigen Katholikinnen und Katholiken arbeiten teilweise schon seit mehreren Jahrzehnten für die Kirche. Teilweise aber auch erst seit ein paar Monaten oder Jahren. Sie erzählen von Lügenkonstrukten und Doppelleben, von Demütigung und Kündigung. Manche von ihnen arbeiten deswegen mittlerweile woanders. So zum Beispiel Carla Bieling.
Als das Bistum Paderborn herausfindet, dass sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingegangen ist, stellt es sie vor die Wahl: Sie kann die Lebenspartnerschaft lösen oder kündigen. Als Carla Bieling dieses Ultimatum gestellt bekommt, ist sie gerade hochschwanger und steht zwei Wochen vor ihrem Mutterschutz. Im Auflösungsvertrag ist die Rede von einem "schwerwiegenden Loyalitätsverstoß".
"Das hat mich ungemein verletzt und gedemütigt."
Mehr Akzeptanz für queere Menschen in der Kirche
Die Gläubigen, die in der ARD-Doku gezeigt werden, sind gerne Teil der katholischen Kirche. Für sie ist ihr Beruf mehr als nur ein Job. Er ist ihre Berufung. Deswegen wollen sie nicht einfach kündigen und kampflos das Feld verlassen - auch wenn es wohl einfacherer wäre. Stattdessen hoffen sie auf mehr Akzeptanz und auf ein Umdenken innerhalb der Kirche.
"Ich würde mir wünschen, dass die Kirche mich als Mann akzeptiert. Weil ich das Bedürfnis habe, als derjenige akzeptiert zu werden, der ich bin."